Krefeld Das Erdwärme-Wagnis

Krefeld · Der Krefelder Wolfgang Hoever will in 5000 Metern Tiefe Erdwärme gewinnen und damit ein Kraftwerk betreiben. Die nächste Projektstufe – seismische Untersuchungen – steht bevor. Zuvor will er Rückhalt aus der Bevölkerung.

Ein zweites "Stuttgart 21" will Wolfgang Hoever vermeiden. Der Krefelder Geschäftsmann, der mit seiner Inoges AG das Krefelder Gesundheitszentrum Salvea betreibt, will deshalb nicht in den Untergrund gehen, bevor er nicht die Bevölkerung im Rücken weiß. Hoever plant, 60 Millionen Euro in ein Krefelder Energie-Wagnis zu investieren: ein Erdwärmekraftwerk in 5000 Meter Tiefe, so tief wie noch nie jemand am Niederrhein gebohrt hat. Bald steht der nächste wichtige Projekt-Schritt bevor – die seismischen Untersuchungen. Vorher will Hoever aber mit den Umweltverbänden Kontakt aufnehmen, und um Unterstützung für die neue Energie werben. Sein Leitspruch im Internet: "Die einzigen Menschen, die jemals mit "Yesterday" Erfolg hatten, waren Lennon und McCartney."

Seit zwei Jahren stellt sich der Unternehmer die bohrende Frage: Ist die Region reif für Erdwärme aus solchen Tiefen? Im Jahr 2009 trat Hoever, gelernter Physiotherapeut, mit seinen Plänen eines Erdwärme-Kraftwerks (Geothermie) erstmals an die Öffentlichkeit. Was ihn reizte: Mindestens 160 Grad Celsius Temperatur herrschen unterirdisch am Niederrhein. Sein Erdwärme-Kraftwerk macht sich dies zunutze – es transportiert durch Gesteine erhitztes Wasser an die Oberfläche. Dieses Wasser treibt eine Turbine und – im Idealfall – ein Fernwärmenetz an. Vier bis sechs Megawatt Leistung jährlich soll es erzeugen. Vielleicht ist die Leistung sogar noch höher: "Die 160 Grad Celsius sind vorsichtige Schätzungen", sagt Geothermie-Experte Dr. Horst Kreuter, der für Hoever die Studie erstellt hat. "Jedes Grad mehr macht das Kraftwerk lukrativer."

Hoever hat sich früh die Rechte an den Untersuchungen gesichert. Die Bezirksregierung Arnsberg hatte ihm schon 2009 die Monopol-Genehmigung für Probebohrungen in einem 357 Quadratkilometer großen Gebiet erteilt – von Krefeld über Meerbusch, Viersen, Kerken, Duisburg und Moers. Dies ist zwar keine "Premium-Region" für Erdwärme, dafür ist zum Beispiel das Oberrheintal zwischen Frankfurt und Basel mit seinen Gesteinsschichten besser geeignet. Aber Experte Horst Kreuter sagt: "Weil sich die Technik verbessert, wird sich auch der Niederrhein langfristig eignen."

Kreuters Recherchen zeigen: Bis 2600 Meter Tiefe gibt es am Niederrhein verhältnismäßig gute Informationen über die Bodenverhältnisse. Unterhalb davon gibt es nur Rückschlüsse aus weiter entfernten Regionen. In 5000 Metern Tiefe sind bisher kaum Aussagen zu Schichtenaufbau und Mächtigkeit des Gesteins möglich. Eventuell liegen dort Tonsteine (Unterdevon) in Tiefen von 2700 bis 5000 Metern, in Tiefen von 4000 bis 5000 Metern auch Quarzite und Phyllite.

Sicherheit darüber, ob ein solches Projekt auch in Krefeld realisiert werden kann, können nur Proben bringen; diese sollen nach den Gesprächen mit den Umweltverbänden Nabu, BUND und Niederrheinischer Umweltverein jetzt starten. Geplant sind in Stufe III und IV des Erdwärme-Kraftwerks bald sogenannte "seismische Untersuchungen". Große Laster, sogenannte Vibrationsfahrzeuge fahren auf zwei Diagonalen durch das 357 Quadratkilometer große Planareal und senden an der Erdoberfläche Signale aus. Sensible Messgeräte, so genannte Geophone, messen an der Oberfläche, wie stark das Erdreich dann wackelt.

Rund 600 000 Euro wird Hoever allein dafür investieren müssen. Wo die seismischen Untersuchungen positive Ergebnisse bringen, will Hoever durch Probebohrungen absichern, dass er auf Gesteinsschichten trifft, die genug Wärme bereithalten.

Sorgen aus der Krefelder Bevölkerung, dass die Bohrungen für Erschütterungen sorgen könnten, versucht Kreuter im Vorfeld zu entkräften: "Durch kontrollierte Vorgehensweise sollen selbst leichte, vor allem aber spürbare Erschütterungen vermieden werden. Auf jeden Fall sollen von dem Betrieb des Kraftwerks keinerlei Schäden ausgehen." Er hofft, dass dieses Signal ankommt. Unternehmenssprecher Patrick Pöhler sagt: "Wir wollen alle ins Boot holen, sonst geben wir Millionen Euro für Probebohrungen aus, und stehen am Ende mit leeren Händen da."

(RP)
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