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Krefeld Das letzte Geläut vom Lukasturm

Krefeld · Gartenstadt verliert ein Wahrzeichen. Nach 50 Jahren wird der Glockenturm der Lukaskirche abgerissen. Der 18,80 Meter hohe Turm war für die Schwingungen der drei mächtigen Glocken nicht stark genug fundamentiert. Die Gemeinde möchte das Geläut erhalten.

Mit Schutzanzug, Helm und an Seilen gesichert hatten Jürgen Stettien, Herbert Detzner und Stefan Dosbach den Turm der evangelischen Lukaskirche in Gartenstadt erklommen, um das Geläut der drei Bronzeglocken nach dem Sonntagsgottesdienst ein letztes Mal anzuschlagen, bevor die Glocken heute abgehängt werden. Am 17. Januar erfolgt dann der Abriss des Glockenturmes. Herta Wiesmann trägt zwei Bilder der grazil wirkenden Turmkonstruktion in der Hand: "Mich macht der Abriss sehr traurig. Meine beiden Söhne sind hier konfirmiert worden. Für sie habe ich diese Bilder mitgenommen."

Waldemar Kother war 1960 dabei, als das g-, b- und c-Bronze-Dreigeläut bei der renommierten Glockengießerei Gebrüder Rincker in Herborn bestellt wurde. Der langjährige Küster der Lukaskirche war beim ersten Läuten dabei; beim letzten Läuten wollte er nicht fehlen. Während seiner 35 Jahre als Küster hat ihn das Problem der mangelnden Standsicherheit des Glockenturms begleitet.

Kein elektronischer Aufguss

Gunnar Lopotz blickt nachdenklich zu der offenen Glockenstube. Er hatte vorgeschlagen, den bröckelnden Turm stehenzulassen und das Geläut elektronisch zu simulieren. "Diese elektronischen Geläute sind störanfällig und im Nahbereich von Klang her mangelhaft", hält Stettien dagegen. Im letzten Jahr stimmte das Presbyterium gegen diese Lösung und für den Abriss des Turmes, dessen Statik für das tonnenschwere Geläut nicht stabil genug war. Nachfolgende Generationen sollten eine schuldenfreie Gemeinde übernehmen.

Für die grundständige Sanierung des Turmes mit einer neuen Glockenstube hätten 200 000 Euro aufgebracht werden müssen — zu viel für die kleine Gartenstädter Gemeinde. Vor 50 Jahren, als der neue Krefelder Stadtteil auf dem früheren Flugfeld hochgezogen wurde, stellte das moderne Ensemble der Lukaskirche ein Symbol mit hohem Wiedererkennungswert dar. Für das geneigte Dach des Kirchenraumes erfand der Volksmund alsbald liebevoll den Namen "Sprungschanze". "Wir empfinden, unsere Lukaskirche wird weniger, auch wenn wir die vernünftigen Gründe für den Abriss des Glockenturmes nicht wegwischen können", sagte Pfarrer Christoph Tebbe im Abschiedsgottesdienst. Theologisch habe ein Turm keine Bedeutung. Und doch seien der Neubau der Dio-Spitze, der Schweizer Minarett-Beschluss oder das Zerbrechen des Glockenklöppels des "Langen Pitter" im Kölner Dom Themen gewesen, die dieLeute bewegt hätten. Ein Glockenturm weise auf Gott hin, mache gleichsam Öffentlichkeitsarbeit für den Glauben. "Wenn der Turm nicht mehr da ist", riet der Pfarrer seiner Gemeinde, "müssen wir als Gemeinde diese Arbeit übernehmen." In zwei Wochen werde eine neue Jugendarbeiterin eingeführt, die Gemeinde könne ihren Bestand wahren.

Die Lukasgemeinde will sich bei Gemeinden mit einer ähnlichen Problematik informieren, zu welchen Lösungen man dort gelangt ist. In alten Papieren hat Tebbe gefunden, dass bei dem Bau der Kirche ein namhaftes Chemieunternehmen mitgeholfen habe. Die Gemeinde möchte die Glocken wieder klingen lassen. Vielleicht findet sie Hilfe von außen.

(RP)
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