Krefeld De Greiff und das Geld

Krefeld · Die Gründung der Sparkasse 1840 war so etwas wie die sozialgeschichtliche Geburtsstunde der Mittelschicht. Cornelius de Greiff stand ihr womöglich näher als der Elite der Seidenfamilien, die ihren Reichtum gern zur Schau trugen. De Greiff überwarf sich mit seiner Mennoniten-Gemeinde, als sie ihre Kirche ausbauen wollte.

 Cornelius de Greiff an der Tresortür der Sparkasse. Am 9. März 1840 zahlte der Seidenweber Anton Kalle als erster Kunde der neu gegründeten Sparkasse 25 Taler ein; mit diesem Geld konnte eine vierköpfige Familie drei Monate lang leben.

Cornelius de Greiff an der Tresortür der Sparkasse. Am 9. März 1840 zahlte der Seidenweber Anton Kalle als erster Kunde der neu gegründeten Sparkasse 25 Taler ein; mit diesem Geld konnte eine vierköpfige Familie drei Monate lang leben.

Foto: Philip Lethen

Als die Sparkasse in Krefeld 1840 gegründet wurde, war Cornelius de Greiff 58 Jahre alt. Die Gründung war eine sozialgeschichtliche Revolution: Tagelöhner, kleine Handwerker, Weber, die formal Kleinstunternehmer, real aber Lohnabhängige waren - sie alle hatten plötzlich die Vision vor Augen, nie mehr Hungerleider zu sein. Vielleicht stellt die Gründung der Sparkassen so etwas wie die Erfindung der Mittelschicht dar. Ob de Greiff die historische Tragweite begriffen hat?

 Die Aufschrift "Sicher ist einfach" in der Aha-Filiale der Sparkasse am Ostwall dürfte de Greiff gefallen haben - gerade weil es um Geld geht. Die Aha!-Filiale der Sparkasse Krefeld ist bundesweit eine der ersten, die dauerhaft nur von Auszubildenden und Jungangestellten betrieben wird. Die Zielgruppe sind die 15- bis 30-Jährigen, die zunehmend virtuell unterwegs sind.

Die Aufschrift "Sicher ist einfach" in der Aha-Filiale der Sparkasse am Ostwall dürfte de Greiff gefallen haben - gerade weil es um Geld geht. Die Aha!-Filiale der Sparkasse Krefeld ist bundesweit eine der ersten, die dauerhaft nur von Auszubildenden und Jungangestellten betrieben wird. Die Zielgruppe sind die 15- bis 30-Jährigen, die zunehmend virtuell unterwegs sind.

Foto: Philip Lethen

De Greiff hat in seinem langen Leben historische Umbrüche erlebt, auch: die Anfänge der industriellen Revolution. Als er 1863 starb, war die Welt eine ganz andere als am Tage seiner Geburt. Es gibt aber auch Kontinuitäten bis in die Gegenwart und darüber hinaus. Hier liegt der Grund, warum sich die Sparkasse bereiterklärt hat, unsere Fotoreise des Seidenbarons durch das Krefeld von heute zu unterstützen. "Cornelius de Greiff schlägt eine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart, und diese Foto-Reise mit ihm durch Krefeld weist auch nach vorn", sagt Birgit Roos, Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Krefeld. "De Greiff steht für Traditionen, die Krefeld groß gemacht haben: unternehmerisches Geschick und soziale Verantwortung. In seinem Testament hat er sich als Bürger definiert, der darum weiß, dass eine Stadt und ein Gemeinwesen vom Engagement seiner Bürger leben. Das sind Einstellungen, die bis heute Gültigkeit haben und denen sich auch die Sparkasse verpflichtet weiß."

 Cornelius de Greiff vor moderner Computer- und Banktechnik in der Aha!-Filiale der Sparkasse.

Cornelius de Greiff vor moderner Computer- und Banktechnik in der Aha!-Filiale der Sparkasse.

Foto: Philip Lethen

Die Kernidee der Sparkassengründung habe die Zeiten überdauert; das sozialpolitische Ziel sei es gewesen, wirtschaftliches Auskommen für jedermann zu befördern. "Die Foto-Aktion macht aber in der Verbindung der historischen Figur mit dem Krefeld von heute auch deutlich, dass die Entwicklung weitergeht, dass man sich dem Wandel stellen und ihn mittragen muss, um erfolgreich zu bleiben", betont Roos.

 De Greiff in der Eingangshalle der Sparkasse am Ostwall. Allein die Glasflächen dürften ihn beeindruckt haben.

De Greiff in der Eingangshalle der Sparkasse am Ostwall. Allein die Glasflächen dürften ihn beeindruckt haben.

Foto: Philip Lethen

Auch die Sparkasse müsse sich den dynamischen Veränderungen im Umfeld permanent anpassen. "Gleichwohl richten sich die Anpassungen stets an den traditionellen Werten aus." Wie das "Kümmern um den Standort" in zeitgemäßer Form aussehen könne, zeige die Sparkasse unter anderem mit dem Engagement ihrer inzwischen acht Stiftungen. "Wichtige Impulse für Krefeld kommen aus Projekten, die von hier aus gefördert werden (z.B. "Lesetreppe" bei der Mediothek, "Mies 1:1" auf dem Egelsberg). Gerade in jüngerer Zeit werden viele kleinere Projekte in Kultur und Breitensport unterstützt, wo es um die Vermittlung kultureller und sozialer Kompetenzen an Kinder und Jugendliche geht", erklärt Roos, "damit wird auf die starken Veränderungen in der Krefelder Gesellschaft eingegangen". Auch das gehöre zum Krefelder Perspektivwechsel. "Der de Greiff, den wir auf den Fotos sehen, ist kein Nostalgiker, sondern einer, der voller Neugierde das Neue an Krefeld entdeckt. Und zwar ohne erhobenen Zeigefinger, sondern unangestrengt und positiv nach vorn gewendet." Im Unterschied zu den Sparkassen-Stiftungen, die permanent Projekte in der Region unterstützen, hat de Greiff seine Schenkung historischen Ausmaßes erst in seinem Testament verfügt. Die Bürgerschaft war regelrecht verblüfft, hatte sie den Fabrikanten doch als Hagestolz, Sonderling und Geizkragen abgespeichert. Er war nie verheiratet, er hat sich nie hervorgetan, außer wenn es um seine Geschäfte ging. Dabei war de Greiff vermutlich nicht geizig im soziopathologischen Sinn - als irrationale Gemütsverfassung. Er war Kaufmann, kostenbewusst, er wusste aber, was standesgemäß war und genoss auch das Wohlleben eines reichen Mannes, etwa auf der einzigen großen Bildungsreise, die er 1819 unternahm. Aber er schwelgte nicht in Luxus und konnte damit wohl auch nichts anfangen. Das Schicksal des Greiffenhorst-Schlösschens, das nach dem Bau verwaiste, spricht Bände: De Greiff ging nach der Jagd lieber in ein Wirtshaus als in seine Klassizismus-Kemenate. De Greiff ist im Innersten ein einfacher Mann geblieben.

Freilich: Die Stadtväter nahmen ihm seine Zurückhaltung in öffentlichen Dingen übel - überliefert ist, dass die Stadt ihm die Baugenehmigung für ein Gartenhaus am Friedrichsplatz aus nichtigen Gründen versagte. Eine Bleistiftnotiz des zuständigen Bürgermeisters Ondereyck weist ausdrücklich darauf hin, dass de Greiff kaum etwas für die Stadt getan habe.

Köstlich ist auch eine andere Geschichte, die zu einer Entfremdung zwischen de Greiff und seiner mennonitischen Gemeinde führte und sehr viel über die Art seines Kostenbewusstseins aussagt: 1840 fasste die Gemeinde den Plan, die Kirche um eine Apsis zu erweitern. Auch de Greiff wurde um eine Spende gebeten; er verband seine Gabe über 25 Taler mit einer sarkastischen Provokation und trug in die Spendenliste ein: "Cornelius de Greiff für einen Platz in der neuen Mennonitenkirche." Zahlen für einen Platz im Hause des Vaters? Das Konsistorium verstand, dass de Greiff die Kirchenvergrößerung für überflüssig hielt, war pikiert und nahm das Geld nicht an. Der Neubau war für de Greiff eine Abkehr von mennonitischer Zurückhaltung. Reichtum war in reformierter Tradition Zeichen für göttliche Erwählung, aber kein Mittel zum Protzen. Der Kirchenumbau war auch theologisch ein Bruch: Durch den Anbau rückte der Prediger weg von der Gemeinde. Das konnte man als Verrat an einer der Kernideen des Protestantismus lesen: dem Priestertum aller Gläubigen. De Greiff, so kann man lesen, ging danach nie mehr zum Gottesdienst. Diese Geschichte war nicht krankhaftem Geiz, sondern tief verwurzelten ethischen Überzeugungen eines alten Mennoniten geschuldet.

In seinem Testament hat de Greiff gezeigt, dass er einen wachen Blick für Not hatte. Seine Spendenliste liest sich wie ein Programm für einen Sozialstaat; de Greiff spendete zudem unabhängig von der Konfession. So bedachte er sowohl das katholische als auch das evangelische Waisenhaus mit je 50.000 Talern. Die Einrichtungen der Mennoniten gingen übrigens leer aus - die Gemeinde hatte genug Geld.

Die übrigen Fabrikanten-Familien stachen hervor mit Luxusgebaren. Zeitgenossen berichten, wie die Herren von der Leyen, Heydweiller und Floh in blausamtenen Röcken und Dreispitzhüten, ein dickes spanisches Rohr mit großem goldenem Knopf in der Hand, durch die Straßen stolzierten. Die von der Leyens waren bekannt für Diners, die so üppig waren, dass Prediger sich überlegen mussten, ob sie eine Einladung dazu annehmen durften, ohne ihren Ruf zu ruinieren. Wie anders muss de Greiff mit Mütze und Regenschirm gewirkt haben.

So darf man sagen: Er stand für die Tradition des ehrbaren Kaufmanns, der seine Interessen wahrte, aber kein erotisches Verhältnis zum Geld hatte. Er war kein Hofmannsthalscher Jedermann, der zum Lebensende erstaunt zur Kenntnis nehmen muss, dass man Mammon nicht mit ins Grab nehmen kann. De Greiff hatte einen inneren Kompass, der vielleicht am dichtesten im letzten Satz seines Testaments zum Ausdruck kommt: "Möge dieser Segen des Vaters den hier erstrebten Zwecken nicht fehlen und viel Gutes daraus hervorgehen."

(RP)
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