Krefeld Der Kommunikator 100 Tage Frank Meyer im Amt - eine Bilanz.

Krefeld · Es gibt eine Szene am Rande, die bezeichnend ist für Frank Meyers Stil: Als die Satire-Partei "Die Partei" im Rat den Antrag stellte, den Straßenstrich auf die Jentgesallee zu verlegen, appellierte der neue Oberbürgermeister an den Rat, über den Gaga-Antrag gar nicht erst zu diskutieren - es sei kein Thema "zum Schenkelklopfen". Mit Erfolg. Es war eine ebenso stilsichere wie elegante Art, die Veralberung einer demokratischen Institution zu verhindern. So etwas glückt, wenn jemand falsche Zungenschläge zu vermeiden versteht. Frank Meyer kann das. Er ist ein guter Redner, ein stilsicherer Kommunikator - und er hat erstaunlich rasch Fuß gefasst im Rathaus. Heute ist er 100 Tage im Amt.

 Frank Meyer beim Neujahrsempfang im Stadtwaldhaus.

Frank Meyer beim Neujahrsempfang im Stadtwaldhaus.

Foto: Lammertz

Die Rückmeldungen darauf sind durchweg positiv. Er hört zu, er ist gut vorbereitet, er bindet ein, er ist souverän, authentisch und versteht es, Gespräche vor dem schalen Gefühl der Folgenlosigkeit zu bewahren. Der Einzelhandelsverband zeigte sich erfreut, dass Meyer mit den Akteuren regelmäßige Treffen vereinbarte. Die IHK sieht Meyer als Verbündeten für eine bessere Flächenpolitik. Unternehmer berichten sehr positiv von Begegnungen mit Meyer. Der Tenor ist stets: Der Mann ist im Thema, konzentriert und setzt Sichtmarken für Kommendes.

Meyer nutzt zudem die sozialen Netzwerke geschickt: Nach der Bürgerinformation in Forstwald, die für die Bürger ausgerechnet auf dem Feld der Sicherheit wenig ergiebig war, schrieb Meyer später bei Facebook, es seien noch Fragen offen. So ein Eintrag ist auch ein Versprechen: Ich bin nicht weg. Zugleich reiht er sich in die Gemeinschaft der Facebook-Normalos ein und postet unaufdringlich immer mit: Ich bin einer von euch. Der Strom der Kommunikation reißt so nicht ab, Meyer nimmt sich den Nimbus der Unnahbarkeit, zumal er auch Privates veröffentlicht: Liebe zu den Beatles, Leidenschaft für Liverpool - der "Mensch, Meyer"-Faktor aus dem Wahlkampf bleibt unaufdringlich präsent.

Die deeskalierende Kraft dieses Hintergrundrauschens für die tägliche Arbeit ist weder zu unterschätzen noch anrüchig. Meyer musste auch schon unangenehme Entscheidungen treffen - zum Beispiel die Benennung der Plätze zur Unterbringung von Flüchtlingen in Traar und Hüls. Proteste und Sorgen hat er abgefangen - in Bürgerversammlungen, aber eben auch mit dem Dauersignal: Ich bin nicht weg. So Eskalationen zu verhindern ist eine politische Leistung, auch wenn Meyer sich auf die humane Haltung von Vereinen, Verbänden, Politik, Kirchen und der bürgerlichen Mehrheit stützen konnte. Was bei Meyer langsam abklingt, ist so etwas wie der Triumphalismus des Anfangs. Meyer sah nach seinem Wahlsieg schon ganz Krefeld im Aufbruch, als eigentlich nur ein einziger Aufbruch begann: sein eigener ins Rathaus. Mehrfach hat Meyer öffentlich den Eindruck erweckt, als sei erst mit seinen Maßnahmen zum Thema Flüchtlinge - eigener Ausschuss, Berufung eines Koordinators - Struktur ins Verwaltungshandeln gekommen. Das war psychologisch nachvollziehbar - fair gegenüber der zweijährigen Ochsentour seiner Untergebenen war es nicht. Die zentralen strategischen Weichenstellungen - dezentrale Unterbringung - waren gefallen; der Zwang, Turnhallen zu belegen, war bei der chaotischen Zuweisungspolitik vom Land unabweisbar. Zur Erinnerung: Über eineinhalb Jahre standen morgens, mittags, abends plötzlich busweise Flüchtlinge vor der Rathaustüre, die Sozialamtsleiter Gottschalk und seine Leute irgendwie unterbringen mussten. Dann als Neuankömmling so zu tun, als stifte man mit einem Ausschuss und einem Koordinator endlich Ordnung, das war - sagen wir: der Euphorie der ersten Schritte im Amt geschuldet.

Meyer hat das vielleicht gespürt und einzufangen versucht: Beim Neujahrsempfang hat er dem Team um Gottschalk für dessen Einsatz warm und authentisch gedankt - das war fällig, weil es der Wirklichkeit näherkam als alles Auftrumpfen. Überhaupt die Wirklichkeit: Meyer hat mittlerweile der zu Wahlkampfzeiten scharf kritisierten Ausländerbehörde bescheinigt, juristisch wasserdichte Entscheidungen getroffen zu haben; etwa bei der umstrittenen Abschiebung von Adnan Harb. Meyer schickt sich nun an, ein neues Klima der Begegnung zu schaffen - man darf gespannt sein, ob er die Kritiker des Ausländeramtes damit überzeugt.

Vielleicht kennzeichnet das die ersten 100 Tagen von Meyers Amtszeit: Der Kommunikator hat Erwartungen geweckt und muss zeigen, dass der Kommunikation Konsens im Tun folgt. Krefeld kann es nach Jahren heftiger Auseinandersetzungen brauchen. Gelingt es, wird Meyer ein großer Oberbürgermeister.

(RP)
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