Krefeld Steuern: Krefeld muss Teufel mit Beelzebub austreiben

Krefeld · Haushalt, Arbeit, Wirtschaft: Ein Vergleich von 2009, dem Jahr der letzten Kommunalwahl, und 2014.

Das sind die mächtigsten Männer in der Krefelder Politik
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Krefeld präsentiert sich vier Wochen vor der Kommunalwahl am 25. Mai als Stadt mit zwei Gesichtern: Die Kommune muss - zum einen - die schwerste Haushaltskrise seit Jahrzehnten bewältigen; die Stadt befindet sich - zum anderen - in einem Aufbruch mit städtebaulichen und wirtschaftlichen Akzenten. Wo steht die Stadt, die der neue Rat ab dem 26. Mai lenken muss?

Der Haushalt: Du sollst rennen, um auf der Stelle zu bleiben

Die Stadt ist im Nothaushalt und teilt damit das Schicksal von rund 30 der 396 NRW-Kommunen (Stand 2012). Krefeld hat bei Ausgaben von rund 730 Millionen Euro pro Jahr eine Finanzierungslücke von 50 Millionen Euro. Grund ist eine fatale Zangenbewegung: Die Gewerbesteuereinnahmen sind weggebrochen, die Kosten für Pflichtaufgaben steigen. So sind die Ausgaben der Stadt von 2009 bis 2013 von 628 Millionen auf 714 Millionen Euro gestiegen; Hauptursachen sind Steigerungen bei Personalkosten und sozialen Aufwendungen.

Ein paar Zahlen zur Einschätzung, was es bedeutet, 50 Millionen Euro einsparen zu müssen: Die Stadt gibt pro Jahr knapp 24 Millionen Euro an Freiwilligen Leistungen aus (Stand 2012), Leistungen, die also nicht gesetzlich vorgeschrieben sind. Davon sind nur 1,7 Millionen Euro sofort streichfähig, weil nicht vertraglich gebunden. Die anderen Leistungen sind vertraglich gebunden. Wenn der Rat zum Beispiel das Theater schließen würde, um zwölf Millionen Euro jährlich einzusparen, würden dies den Haushalt erst 2020 entlasten. Sparen beim Personal in der Verwaltung ist auch nicht ganz einfach. Die Zahl der städtischen Mitarbeiter ist seit 2009 von 3163 auf 3284 im Jahr 2013 gestiegen - trotz Personalabbau in der Kernverwaltung, wie die Stadt betont. Die Steigerung sei gesetzlichen Vorgaben beim U-3-Ausbau geschuldet. Die Stadt stellt demnach mehr Erzieherinnen ein, als sie anderswo Stellen streicht.

Steuererhöhungen - den Teufel mit Beelzebub austreiben

Einnahmen erhöhen kann der Rat über die Grund- und die Gewerbesteuern. Doch das heißt, den Teufel mit Beelzebub auszutreiben: Die Erhöhung der Grundsteuern gilt als unsozial, weil sie die Masse der Mieter trifft; die Erhöhung der Gewerbesteuer gilt als wirtschaftsfeindlich, weil sie Unternehmen schwächt und Neuankömmlinge vertreibt. So sind Steuererhöhungen zur Geldvermehrung ein gefährliches Instrument, weil sie den Geldfluss, den sie doch schaffen wollen, mittelfristig eher abwürgen. Noch hat Krefeld einen sehr günstigen Gewerbesteuersatz. Kämmerer Cyprian hatte einmal für den Doppelhaushalt 2013/14 vorgeschlagen, die Gewerbesteuer von 440 auf 460 und die Grundsteuer B von 475 auf 520 Punkte anzuheben und so 7,7 Millionen Euro mehr einzunehmen. Nach Berechnungen der Stadt wäre damit jeder private Haushalt über die Grundsteuererhöhung mit 20 bis 40 Euro jährlich mehr belastet worden. Um 50 Millionen Euro einzunehmen, müsste die Erhöhung um das Sechseinhalbfache ausfallen - die zusätzliche Belastung pro Privathaushalt läge zwischen 130 und 260 Euro pro Jahr.

Wirtschaft und Städtebau: Krefeld holt kräftig auf

Es ist paradox: Bei aller Not der öffentlichen Kassen erlebt Krefeld seit 2009 einen Investitionsschub. In der Innenstadt wird vielfältig gebaut; der Kurs - pro Innenstadtentwicklung, contra Riesen-Shoppingcenter - ist klar definiert; das Horten-Haus wird wiederbelebt; die Volksbank baut; die Sparkasse plant neu für den Komplex an der Friedrichstraße; der Leerstand in der City geht zurück, und in Krefeld sind zig Millionen privat investiert worden; die Stadt entwickelt sich zum Logistikstandort. Dem Verlust an Arbeitsplätzen im klassischen industriellen Sektor stehen zahlreiche Job-Gewinne gegenüber - unterm Strich wächst seit 2009 die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Krefeld, auch wenn der Stand von vor der Weltwirtschaftskrise im Zuge des Banken-Crashs 2009 noch nicht wieder erreicht ist. Dennoch: Wirtschaftlich und städtebaulich ist Krefeld auf gutem Weg.

Es ist kein Widerspruch dazu, wenn wegbrechende Gewerbesteuern eine Ursache für den Nothaushalt sind: Die Krefelder Industrie ist exportorientiert. Wenn der Weltmarkt hüstelt, hat Krefeld Lungenentzündung. Schwankungen bei den Gewerbesteuereinnahmen sind also vorprogrammiert. Im Schnitt kann Krefeld mit Einnahmen von 110 Millionen Euro rechnen; zuletzt ging die Stadt von 140 Millionen Euro aus - gestützt auf den Spitzenwert von 2011. Eine reelle Haushaltsplanung müsste vom Durchschnittswert ausgehen.

Ein Krefelder Ärgernis bleibt die hohe Arbeitslosigkeit: Sie lag Mitte 2009 bei 11,4 Prozent, und sie liegt Mitte 2013 bei 11,2 Prozent - die Arbeitslosen profitieren nicht vom Strukturwandel am Arbeitsmarkt, weil sie die falsche oder gar keine Qualifikation haben. Das ist anderswo auch so, bleibt aber eine Last und teuer für die Stadt. Ein Rezept dagegen ist nicht in Sicht.

(RP)
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