Kr Wie Krefeld Der Lärmschutz-Irrsinn

Krefeld · Lärm macht krank, aber über manche Lärmschutzproblematik kann sich mittlerweile nur kranklachen. Armes Fischeln.

Um Himmels willen: Nichts gegen Lärmschutz, denn Lärm macht erwiesenermaßen krank. Wann aber haben wir eigentlich zum letzte Mal über echtes Kranksein durch Lärm gesprochen? In einer Kommune wie Krefeld taucht das Thema technifiziert, juristifiziert, atomisiert auf: Hallo Geigerzähler, tschüss gesunder Menschenverstand. Mit Schutz der Menschen haben die Krefelder Debatten jedenfalls wenig zu tun.

Schönstes Detail der jüngsten Zeit betrifft Fenster, die man nicht mehr öffnen kann, damit es lärmschutzrechtlich kein Problem gibt. So gehört im Zusammenhang mit dem Bunker am Marienplatz in Fischeln, der bekanntlich von einer elenden Kriegsruine zu einem schönen Wohnkomplex werden soll. Dadurch aber ist das Schützenfest auf dem Marienplatz gefährdet.

In unserer Redaktion sagte dazu jüngst Kollege Jochen Lenzen den schönen Satz: "Ein Fenster, das man nicht öffnen kann, gilt juristisch als Wand." Muss man sich mal vorstellen: Vier Milliarden Jahre Evolution des Lebens auf der Erde laufen auf diesen Satz zu. Man könnte meinen, das intelligente Leben erklimmt die nächste Phase: Alles Kabarett. Immerhin bedeutet dieser Satz in etwa Folgendes: Der deutsche Gesetzgeber hält es für unzumutbar, dem Bewohner eines Hauses abzuverlangen, ein Fenster gefälligst geschlossen zu halten, wenn es draußen einmal im Jahr für ein paar Tage lauter wird. Nein, unser Bewohner könnte ja das Fenster geöffnet halten, etwas hören, sich flugs beeinträchtigt fühlen - und dann alles verklagen, was sich draußen bewegt. Um diesen Fall auszuschließen, macht man aus einem Fenster ein nicht zu öffnendes Fenster, also eine Wand. Wenn einst Aliens Fischeln erobern, kann man sie bekämpfen, indem man ihnen das verklickert. Die lachen sich tot, garantiert.

Unser Bunkerbewohner der Zukunft wird, wenn alles so kommt, in einer Wohnung sitzen, in der einige Fenster ganzjährig nicht mehr zu öffnen sind, damit er ein paar Stunden lang gar nicht erst vor die Wahl gestellt wird, die Fenster zu öffnen, sich eventuell beeinträchtigt zu fühlen und alles zu verklagen, was sich draußen bewegt. Kurz und gut: Unser Gesetzgeber ist in seiner Fürsorge so umfassend, dass die künftigen Bunkerbewohner die Intelligenz eines Sofakissens und die Willenskraft eines Stuhlbeins haben könnten - sie müssen ja nichts entscheiden sollen dürfen.

Niemand kann dafür. Die Schützen nicht, der Investor nicht und die künftigen Bunkerbewohner nicht. Man muss eben damit leben, dass der Gesetzgeber so gründlich ist, dass auch Sofakissen und Stuhlbeine Staatsbürger sein könnten.

Wer lachen kann, der lache. vo

(RP)
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