Krefeld Der Mann, der Cornelius de Greiff ist

Krefeld · Der Schauspieler Markus Rührer schlüpft in Gehrock und Gamaschen und gewinnt als historische Figur neue Einblicke.

 Maskenbildner Frank Baumgartner trägt Farbe auf, um die Konturen zu verändern.

Maskenbildner Frank Baumgartner trägt Farbe auf, um die Konturen zu verändern.

Foto: petra diederichs

Die Gamaschen sind keine einfache Angelegenheit. Die kleinen Haken und Ösen an der Seite zu schließen, die man nicht sehen kann, erfordert Fingerspitzengefühl. Dann schlüpft Markus Rührer in den Gehrock. Die Verwandlung ist perfekt. Eine gute halbe Stunde dauert es, bis aus dem Schauspieler die historische Figur Cornelius de Greiff geworden ist.

Frank Baumgartner, Chefmaskenbildner am Theater Krefeld/Mönchengladbach hat mit Pinsel und Schminkfarben die Augenbrauen ergrauen lassen, die Gesichtszüge Rührers an das historische Vorbild angepasst, die Wangenpartie optisch leicht hängen lassen. Als Seidenfabrikant aus dem frühen 19. Jahrhundert steigt er nun ins Auto von Fotograf Philip Lethen, um Krefeld auf ganz neue Weise kennenzulernen.

 VORHER Markus Rührer im Alltagsoutfit. Der Schauspieler ist den Krefeldern aus "Klamms Krieg" und "Jim Knopf" bekannt.

VORHER Markus Rührer im Alltagsoutfit. Der Schauspieler ist den Krefeldern aus "Klamms Krieg" und "Jim Knopf" bekannt.

Foto: Lammertz Thomas

"Es ist interessant, die Stadt aus so unterschiedlichen Winkeln zu entdecken", sagt Rührer. Der Wahl-Essener kannte bisher nur einige Cafés und den Weg vom Hauptbahnhof über den Ostwall zum Theater. Hier hat er im Weihnachtsmärchen "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" gespielt. Und er war der gebrochene Deutschlehrer im Ein-Personen-Stück "Klamms Krieg" - eine Rolle, die ihn nicht losgelassen hat. "Wir haben in Klassenzimmern gespielt, da stehst du unmittelbar vor den Schülern und bekommst jede Regung mit. Darauf zu reagieren, das ist eine Herausforderung." Nachdem das Stück, inszeniert von Daniel Minetti, in Krefeld vom Spielplan verschwand, hat Rührer das Projekt als freier Schauspieler weitergeführt.

 NACHHER Die Zeit ist um zwei Jahrhunderte zurückgedreht. Markus Rührer hat sich in Cornelius de Greiff verwandelt.

NACHHER Die Zeit ist um zwei Jahrhunderte zurückgedreht. Markus Rührer hat sich in Cornelius de Greiff verwandelt.

Foto: RP-Fotos. T. Lammertz

Das Schauspiel ist sein Metier, dabei verdankt er seinen Beruf eigentlich einem Zufall. Es begann mit einem Auto: Eigentlich wollte Markus Rührer, 1966 in Nürnberg geboren, irgendwas mit Englisch machen und hatte sich für Anglistik eingeschrieben. Doch dann bat ihn ein Kollege, mit dem er gemeinsam seinen Zivildienst absolvierte, ihn zu einem Workshop seiner Theatergruppe zu begleiten: "Er sagte, du hast ein Auto, ich nicht. Und das war ein Glücksfall", sagt Rührer. Er war neugierig, und der junge Regisseur beeindruckte ihn. "Er sprach über Figurenfindung, wir haben Vertrauensübungen gemacht und viel über Körperbewusstsein gelernt. Alles, was einem später an der Schauspielschule begegnet", erzählt er. Damals hat Rührer Feuer gefangen für die Bühne. Es war eine konkrete Begegnung mit der Berufswirklichkeit, keine abstrakte Theorie. "Wir haben ein Stück erarbeitet, für das wir die Figuren selbst geschrieben und entwickelt haben. Das hatte nichts von Schultheater. Das hat mich begeistert."

Rührer studierte zunächst in Erlangen Theaterwissenschaften und erarbeitet sich ein Repertoire für die Schauspiel-Aufnahmeprüfung. So kam der Franke Ende der 1980er Jahre an den Rhein, an die Kölner Schauspielschule "Der Keller". Es war die richtige Entscheidung: "Wenn ich eine Figur spiele, dann kann ich in dieser Rolle tun, was ich sonst nicht machen darf. Gleichzeitig ist es spannend, zu erarbeiten, was sie mit mir zu tun hat und mich in sie hineinzuversetzen."

 Die Perücke wird angepasst, die Seitenpartie nochmal nachgeschnitten.

Die Perücke wird angepasst, die Seitenpartie nochmal nachgeschnitten.

Foto: petra diederichs

Sein erstes Engagement führte Rührer 1991 nach Rudolstadt. In Thüringen - so kurz nach der Wende - war es für ihn nicht einfach. "Eine Kollegin aus Hannover und ich waren die einzigen Ensemblemitglieder aus Westdeutschland. Der Schauspieldirektor stammte auch noch aus dem alten System. Da hatten meine Kollegin und ich schnell den Stempel als Besserwessis weg. Dabei hatten wir gar nicht die Haltung vieler, die gerade die Schauspielschule absolviert haben, dass wir wüssten, wie alles funktioniert. Trotzdem war da so eine Distanz. Für jeden West-Autohändler, der sie übers Ohr gehauen hat, sind wir quasi in Haftung genommen worden."

 Baumgartner und Fotograf Philip Lethen (l.) legen letzte Hand an, damit alles sitzt.

Baumgartner und Fotograf Philip Lethen (l.) legen letzte Hand an, damit alles sitzt.

Foto: ped

Leichten Anschluss fand er nicht: "Wenn man sich in der Kantine nicht bewusst zu anderen dazusetzte, dann blieb man allein." In dieser Zeit spielte er auch am Rheinischen Landestheater Neuss. 1994 wechselte er nach Graz. Er spielte in Coburg, Mayen und Moers und hat für das Stadttheater Gießen das Kinderstück "Quietsch die Ente" inszeniert. "Es ist spannend, sich auf neue Welten einzulassen", sagt er. Und das kann sogar ohne Text funktionieren - wie bei de Greiff.

(RP)
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