Krefeld Der Teufel ist am Drücker

Krefeld · Die Bühne ist ein überdimensionaler Computer. Das Leben spielt sich nur auf der freien Fläche zwischen Tastatur und Bildschirm ab. Dort wimmeln die Menschen umher wie ein aufgeschreckter Ameisenstaat.

 Alessandro Borghesani ist der Teufel im roten Maßanzug, der auf der überdimensionalen Tastatur steuert, welche Bilder das Menschenvolk zu sehen bekommt. Seine diabolische Mission erfüllt der Solotänzer mit athletischer, eleganter und ironischer Qualität.

Alessandro Borghesani ist der Teufel im roten Maßanzug, der auf der überdimensionalen Tastatur steuert, welche Bilder das Menschenvolk zu sehen bekommt. Seine diabolische Mission erfüllt der Solotänzer mit athletischer, eleganter und ironischer Qualität.

Foto: Matthias Stutte

Wie ferngesteuert ist der Mensch im 21. Jahrhundert, der sich alle Möglichkeiten der modernen Technik zu eigen macht? Wie sehr wird er von den digitalen Mechanismen gesteuert, wie sehr kontrolliert und gelenkt von den Entwicklern der Social Networks? Diese Fragen allein mit der so offensichtlichen Symbolik anzugehen, wäre zu simpel. Deshalb bringt Chefchoreograf North eine klassische Theaterfigur ins Spiel: den Teufel. Er wird die Computertastatur bedienen, bestimmen, welche Bilder von den Katastrophenherden der Welt - sarkastisch in Wechsel gesetzt mit Werbung für Luxusgüter - die Menschen zu sehen bekommen. Der Teufel ist am Drücker - und er versteht es, seine Menschlein zu verführen. Auf einem grünen Sofa wird eine Standard-Familie aus der Tiefe auf die Bühne gefahren: Vater, Mutter, zwei Kinder. Auch ein Großvater gehört zum Clan - und der wird sich als der härteste Brocken für den satanischen Verführer erweisen. Alle anderen sind leichte Beute für den Teufel. Alessandro Borghesani tanzt im höllenroten Businessanzug wie um sein Leben, um die Seelen seiner Opfer zu fangen. Schlangenartig windet er sich aus dem Fernsehapparat, um den von Zukunftsängsten gepeinigten Sohn (Paolo Franco) zu ködern, während die Einstürzenden Neubauten im Flüsterton beschwören "Alle Idole müssen sterben". Er mischt als cooler Typ den Matheunterricht auf, gibt den Höllenreiter in der Boy-Gang. Der frustrierten Mutter (Elisa Rossignoli) reicht er die Schnapspulle, scharwenzelt um den vom Erfolgsstress aufgezehrten Vater (Marco A. Carlucci) und zieht die Fäden, wenn die Tochter (Irene van Dijk) sich mit ihrem Lehrer (Raphael Peter) einlässt. Erst in der Sorge um das Leben des Großvaters (Luca Ponti besticht mit den vom Alter träge gewordenen Bewegungen) findet die Familie zur Musik von Jean Sibelius zusammen.

Dennoch ist es keine Seifenoper, die sich auf der von Manfred Gruber und Udo Hesse für Ballett sehr üppig möblierten Bühne abspielt. Denn Norths geübtes Händchen bei der rhythmusbetonten Musikauswahl - von Bach bis Michael Jackson - und sein Geschick für Brüche durchziehen die Geschichten mit Ironie und Humor. - Das Publikum hatte reichlich Gelegenheit zum Jubeln und Lachen. Die Compagnie beeindruckte mit einem ungeheuer schnellen, virtuosen Abend, bei dem Borghesani und ein anrührender Pas des Deux von Rossignoli und Carlucci herausragten.

Weitere Termine: 11. und 12. Mai, 21. und 27. Juni, 7. und 14. Juli. Kartentelefon: 02151 805125.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort