Krefeld Die Drei von der Heißmangel

Krefeld · Im ältesten Haus Oppums wird viel gelacht, geplaudert und gearbeitet. Der Betrieb von Tamara Mühlke-Geist und ihrer Familie ist ein beliebter Treffpunkt für die Stammkundschaft. Im Mittelpunkt steht dabei oft die blinde Oma Elisabeth.

 Oma Elisabeth Kluth, Tochter Monika Stollwerk und Enkelein Tamara Mühlke-Geist sind als die Drei aus der Heißmangel eine Institution in Oppum. Schon die Ur-Oma führte im wohl ältesten Haus Oppums den Betrieb.

Oma Elisabeth Kluth, Tochter Monika Stollwerk und Enkelein Tamara Mühlke-Geist sind als die Drei aus der Heißmangel eine Institution in Oppum. Schon die Ur-Oma führte im wohl ältesten Haus Oppums den Betrieb.

Foto: Thomas lammertz

Die Drei von der Heißmangel haben einen heimlichen Star: Oma Elisabeth. Die 84-jährige blinde Frau ist die gute Seele in Oppums Familienbetrieb, in dem auch ihre Tochter Monika (63) und die Enkelin Tamara (45) seit vielen Jahren mitarbeiten. Das eingespielte Trio in dem wohl mit rund 400 Jahren ältesten Haus Oppums ist eine Institution, ihr traditionelles Gewerbe ein Art Folklore.

Ur-Oma Luise war nach dem Zweiten Weltkrieg in das heutige Denkmal eingezogen und hatte die dort vorher betriebene Wäscherei geschlossen. Sie führte seinerzeit die Mangel weiter und eröffnete zusätzlich einen Tanta-Emma-Laden im Objekt. "Dort gab es alles, was die Kunden benötigten. Von den Kurzwaren über Getränke und Lebensmittel bis hin zu leckeren Süßigkeiten", erinnert sich Tamara Mühlke-Geist.

Die Ur-Oma starb 1983. Kurz zuvor hatte sie als Bauherrin noch die Grundsanierung des früheren "Gottzes Guth" - so stand es in einer Steuerliste aus dem Jahr 1741 - in Angriff genommen. Eine gusseiserne Mangel stand zu der Zeit in der Küche. Der Arbeitsmittelpunkt, an dem die feine Wäsche der Krefelder nicht selten bis weit nach Mitternacht geglättet wurde, war auch Lebensmittelpunkt für die Familie. Privat und beruflich versammelten sich die Frauen rund um die Heißmangel.

 Das denkmalgeschützte Haus könnte rund 400 Jahre alt sein. Es taucht in einer Steuerliste aus dem Jahr 1741 als "Gottzes Guth" auf.

Das denkmalgeschützte Haus könnte rund 400 Jahre alt sein. Es taucht in einer Steuerliste aus dem Jahr 1741 als "Gottzes Guth" auf.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Von der Weberei Wolters kaufte die Familie in den 1980er Jahren das heute noch in Betrieb befindliche und damals schon 25 Jahre alte Exemplar mit Walze und Mulde, das seitdem in einem eigenen Geschäftsraum platziert ist. Die damals neue Maschine ist inzwischen auch eine seltene Rarität. Ersatzteile gibt es dafür nicht mehr. Bekannte Handwerker verstehen es immer wieder als Herausforderung, die Wehwehchen des guten Stücks zu beseitigen.

Insbesondere die Sicherheitsvorkehrungen müssen funktionieren, damit die Walze im Notfall sofort stoppt. Die Ur-Oma hatte einst bei einem Arbeitsunfall drei Finger verloren. Sie fügte eine Tischdecke unter die Walze und konnte ihre Hand nicht mehr rechtzeitig zurückziehen. "Der Notaus-Schalter war ganz rechts an der Maschine angebracht. Die Hand geriet weit links unter die Walze, und so reichte die Armlänge der Ur-Oma nicht, um den Notfallschalter zu betätigen", erzählt die Ur-Enkelin.

 Historische Tür und alte Fliesen sind erhalten geblieben.

Historische Tür und alte Fliesen sind erhalten geblieben.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Anekdoten und Geschichten über den Betrieb der Heißmangel, das Haus und die Kunden gibt es viele. Die Drei erfahren viel Privates und sehen heute Kundschaft in dritter oder sogar vierter Generation. "Reich werden können wir damit aber nicht", sagt Tamara Mühlke-Geist. Dafür fehlen Großaufträge zum Beispiel aus der Gastronomie. "Die lässt dort mangeln, wo die Tischdecken auch gewaschen werden", sagt sie. Gleichwohl macht es dem Trio Spaß, in familiärer Runde und im eigenen Haus den Traditionsberuf auszuüben.

Die Tücke liegt dabei im Detail. Heutzutage besteht die Wäsche oftmals aus Synthetik wie Mikrofaser, Knopf und Reißverschluss aus Kunststoff. Das sei gefährlich. In der Mulde ihrer Heißmangel entstehen Temperaturen bis zu 150 Grad Celsius. "Da könnte, wenn wir nicht aufpassen, schon mal das Material schmelzen oder sich verziehen", informiert Tamara Mühlke-Geist.

 Die Mangelwäsche lagert frisch geglättet für die Kunden zur Abholung.

Die Mangelwäsche lagert frisch geglättet für die Kunden zur Abholung.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Die genauen Kenntnisse über das Material wissen andere zu schätzen. Für Kirchen glätten die Drei zu festlichen Anlässen wie Kommunion und Taufe zum Beispiel die Altartücher. Ein Handweber aus Krefeld bringt seine Produkte nur nach Oppum an die Hauptstraße 80, und zu den Feiertagen wie Weihnachten holen die Kunden ihre kostbaren alten Tischdecken aus dem Schrank. und bringen sie zu den Dreien ins Geschäft.

Der erste Blick der Kundschaft gilt aber nicht der Wäsche, sondern ob die Oma im Laden steht. "Wenn sie mal Pause macht und sich in ihrer Wohnung vom Falten und Zusammenlegen der Wäsche ausruht, machen sich die Leute gleich Sorgen und fragen, ob alles in Ordnung ist", berichtet die Enkelin Tamara Mühlke-Geist. Ihre Kinder werden den Betrieb einmal nicht weiterführen. Sie habe ihnen davon abgeraten - die Branche habe keine Perspektive.

(RP)
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