Krefeld Die Geschichte einer Jugend-WG in den 80ern

Krefeld · Nachdenklich-vergnüglicher Auftakt zum Literarischen Sommer: In der Fabrik Heeder las Bov Bjergs aus seinem Roman "Auerhaus".

 Sein beiläufiger Erzählton schuf eine Melange aus Melancholie und Ironie: Bov Bjergs las in der Fabrik Heeder aus seinem Roman "Auerhaus".

Sein beiläufiger Erzählton schuf eine Melange aus Melancholie und Ironie: Bov Bjergs las in der Fabrik Heeder aus seinem Roman "Auerhaus".

Foto: TH. lammertz

Von einer Jugend-WG in den 1980er Jahren erzählt Bov Bjergs Roman "Auerhaus", und zum Krefelder Auftakt des 17. Literarischen Sommers las der Autor am Donnerstag in der Fabrik Heeder vor, wie es eigentlich zu dieser Wohngemeinschaft kam.

Anette Ostrowski, Leiterin des Niederrheinischen Literaturhauses in der Gutenbergstraße, erinnerte zur Begrüßung an vergnügliche Musik-Hits jener Jahre - zum Beispiel "Don't Worry, Be Happy" von Bobby McFerrin - Maren Jungclaus vom Literaturbüro NRW schlug den Bogen vom Romantitel zum Song "Our House" der britischen Band "Madness", in dem es um eine schrecklich durchschnittliche Kleinbürgerfamilie geht. So wollen Teenager bekanntlich nie werden, und doch war es eine ganz besondere Verkettung von Ereignissen und Umständen, die Bov Bjerg in seinem Roman entwickelt, bis "seine" sechs Pennäler zusammenziehen. Am Anfang steht der Ich-Erzähler Höppner, der mit seiner Freundin die Schule schwänzt und durch Berlin stromert. Als er in seine Schule zurückkehrt und der Deutschlehrer gerade Goethes "Werther" bespricht, ahnt Höppner nicht, dass sein Freund Frieder wenige Tage zuvor einen Selbstmordversuch unternommen hat.

"Literatur hat auch andere Aufgaben als nur zu unterhalten", bekannte Bjerg im Gespräch mit Jungclaus, doch ein todtrauriges Opus hat er mit "Auerhaus" nicht geliefert. In den 80er Jahren habe er die Story angesiedelt, weil das auch seine eigene Jugendzeit gewesen sei. Er habe aber nicht versucht, ein Buch im jugendlichen Slang jener Zeit zu schreiben, sondern sich einfach mehr am alltäglich-mündlichen denn am literarisch-schriftlichen Sprachgebrauch orientiert. Das mache den spezifischen Tonfall des Romans aus. Und der lässt sich als gekonnter Balance-Akt zwischen distanzierter Schnoddrigkeit und der dahinter Schutz suchenden Emotionalität beschreiben. Was Bjerg auf dem Papier bewirkte mit Formulierungen wie "Unsere Schule hieß 'Gymnasium am Stadtrand', benannt danach, wo wir herkamen" oder "Die herbstliche Fußgängerzone war der ideale Ort für Depris. Da konnten sie sich im Einklang mit ihrer Umwelt fühlen", nämlich der Tristesse dezente Lacher abzuringen, das gelang ihm auch als Vorleser prächtig. Sein beinah beiläufiger Erzählton mit den leicht verwaschenen Konturen der Aussprache und den kleinen Verlangsamungen und Verzögerungen, vornehmlich an den Satzenden, schuf genau jene Melange aus Melancholie und Ironie, die dem Text ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit verlieh und die Zuhörer regelrecht fesselte.

Bov Bjerg, Jahrgang 1965, studierte Linguistik, Politik und Literaturwissenschaften in Berlin und Amsterdam. Er ist Mitbegründer der Literaturzeitschrift "Salbader". Für die Kurzgeschichte "Wowyadoin" erhielt er den MDR-Literaturpreis 2004.

Weitere Lesungen: 21. Juli (Ronja von Rönne, Mediothek), 28.Juli (Bregje Hofstede, Kunst und Krefeld) und 4. August (Saskia de Coster, Stadtwaldhaus)

(RP)
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