Krefeld Die Geschichte von Flüchtling "Joghurt"

Krefeld · Für die Flüchtlinge, die in der Glockenspitz-Halle wohnen, grillten Ehrenamtliche in der Pfarre St. Augustinus in Oppum.

Krefeld: Die Geschichte von Flüchtling "Joghurt"
Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

"Hier sieht es aus wie auf einer Hochzeit. Es fehlt nur noch das Brautpaar!" "Joghurt" lächelt. Der albanische Flüchtling, den alle kurz "Joghurt" rufen, ist begeistert von dem Grillfest, das Ehrenamtliche der Augustinus-Pfarre beim Schutzengel-Gemeindezentrum an der Hauptstraße organisiert haben. Mit dem Fest möchten die Gemeindemitglieder den Flüchtlingen, die derzeit in der Glockenspitz-Halle untergebracht sind, signalisieren, dass sie in Oppum willkommen sind. Beatrix Bos-Firchow, eine der Organisatorinnen, sagt: "Wir möchten den Menschen Mut machen, die Halle zu verlassen und sich in Krefeld umzuschauen."

"Joghurt" ist einer der 150 Flüchtlinge, die in der Halle auf engstem Raum leben, darunter 70 Albaner. Der Englischlehrer aus Albanien hilft seit seiner Ankunft in Krefeld, wo er nur kann. Besonders seine Fähigkeiten als Übersetzer und Sozialarbeiter sind momentan sehr gefragt. Nicht nur Englisch spricht der 31-Jährige sehr gut, sondern auch ein paar Worte Deutsch, die er bereits in seiner Heimat gelernt hat. Er begleitet die Menschen fast täglich zu Arztterminen und trägt Sorge dafür, dass innerhalb der Gemeinschaft in der Turnhalle ein friedliches Miteinander herrscht, trotz der verschiedenen Kulturen, die dort aufeinander treffen. "Ab und an kommt es mal zu Streitigkeiten, aber das ist absolut menschlich. Wenn viele Menschen auf engstem Raum miteinander leben, kann es zu Konflikten kommen. Die sind aber schnell gelöst. Letztendlich sind wir alle aus dem gleichen Grund hier: die zweite Chance auf ein freies Leben ohne Elend."

Krefeld: Die Geschichte von Flüchtling "Joghurt"
Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Es ist nicht das erste Mal, dass "Joghurt" in Deutschland ist. Seit 2010 besuchte er mehrfach Freunde in Hagen. Seine Heimat ist die albanische Stadt Kukes. In dem benachbarten Dorf Bordhoc unterrichtete er zehn Jahre lang als Englischlehrer Schüler eines Gymnasiums. Als 2014 die Sozialistische Partei Albaniens die Kommunalwahlen gewann, wurde er als politisch aktives Mitglied der Demokratischen Partei Albaniens nicht mehr länger als Lehrer der Schule geduldet. Somit erhielt er im Dezember des selben Jahres die Kündigung. Mit nur 30 Euro als Sozialleistung, keiner Aussicht auf einen neuen Job und einer korrupten Regierung war für ihn ein sicheres Leben in seiner Heimat nicht mehr möglich.

Seit gut zwei Wochen ist der 31-Jährige nun in Krefeld und besucht an diesem Abend sein erstes Krefelder Grillfest. Die Veranstaltung ist ein voller Erfolg. Waren zuerst nur 20 Flüchtlinge angemeldet, sind es kurz darauf schon 50. Letztlich kommen sogar 100 der 150 Flüchtlinge, um gemeinsam mit den Krefeldern zu grillen und einen gemütlichen Abend zu verbringen. Auf einer großen Wiese haben die Helfer zahlreiche Tische mit Blumen geschmückt. Es duftet lecker nach frisch Gegrilltem, und die Flüchtlinge genießen sichtlich die Abwechslung, die dieser Abend ihnen bietet. Freiwillig packen sie mit an und bauen Tische und Stühle auf.

Krefeld: Die Geschichte von Flüchtling "Joghurt"
Foto: Thomas Lammertz

"Joghurt" macht selbstverständlich auch mit. Er und die anderen Flüchtlinge sind allen Helfern für ihr Engagement dankbar. Der 31-Jährige lobt auch die Caterer vom "Döner Planet" am Ostwall, die an diesem Abend am Schwenk-Grill stehen. Seit gut zwei Wochen versorgt das Unternehmen die Flüchtlinge an der Glockenspitz dreimal täglich mit möglichst abwechslungsreichen Halal-Mahlzeiten.

"Joghurt" war einer der ersten, der sich in einem Bus nach Krefeld aufmachen durfte. Mit ein wenig Kleidung und den nötigen Papieren im Gepäck, hatte er sich im Juli auf den Weg nach Deutschland gemacht und in Dortmund in gebrochenem Deutsch einen Asylantrag gestellt. In Krefeld angekommen, begann der albanische Lehrer, die Organisatoren und Sozialarbeiter tatkräftig zu unterstützen. "Ich muss einfach etwas tun. Es wäre so schön, wenn ich hier in Deutschland Arbeit bekommen würde."

Mit-Organisatorin Beatrix Bos-Firchow gefällt diese Einstellung. Gerade auch deswegen findet sie es wichtig, den Menschen auf der Flucht zu helfen: "Helfen kann so einfach sein, wenn eine bestimmte Fähigkeit an der richtigen Stelle zum Einsatz kommt." So, wie es eine ältere Dame aus Oppum vormacht. Da sie in ihrem großen Haus genug Platz hat, nahm sie den 18-jährigen Ibrahim aus Eritrea bei sich auf. In der Flüchtlingsunterkunft war der junge Mann zuvor gemobbt worden und hatte sich dort entsprechend unwohl gefühlt.

"Joghurt" ist zwar auch nicht begeistert davon, mit über 100 Menschen in einem Raum zu leben, doch er sieht ein, dass es momentan nicht anders geht. In stillen Stunden träumt der Lehrer von einem "normalen" Leben in Deutschland, mit einer eigenen Wohnung und geregelter Arbeit. "Ich will nicht von den Steuern hier leben, sondern selbst Steuern zahlen. Ich verstehe das politische System in Deutschland und wäre bereit, meinen Teil dazu beizutragen, wenn ich hierbleiben könnte."

(RP)
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