Krefeld Die Mär vom drohenden sozialen Kahlschlag

Krefeld · In der Haushaltsdebatte geht es fast nur noch um einen angeblich drohenden sozialen Kahlschlag in der Stadt. Das ist ein Propaganda-Erfolg für die Verwaltung, die wie jede Verwaltung am liebsten bleibt, wie sie ist.

In der Haushaltsdebatte, die morgen im Finanzausschuss in die nächste Runde geht, ist die Stadtverwaltung gerade dabei, einen großen Sieg davonzutragen: Die Debatte um Einsparmöglichkeiten wird fast nur noch als Debatte um einen angeblich drohenden sozialen Kahlschlag geführt.

Die Forderung von CDU, FDP und UWG, einen Prozent in jedem Fachbereich einzusparen, wird zunehmend denunziert als Weg in die asoziale, die nicht mehr lebenswerte Stadt. Glückwunsch, Verwaltung, du hast den politischen Kampf um deine Pfründe gewonnen, wenn sich diese Perspektive durchsetzt.

Man darf dem nicht auf den Leim gehen; man darf nicht vergessen, wie mächtig die Verwaltung im kommunalen Kräftespiel in Wahrheit ist; und man darf nicht aus dem Blick verlieren, dass auch die Verwaltung Politik betreibt in ihren Äußerungen. Politik in eigener Sache, versteht sich. Die Position des Rates ist dabei oft faktisch viel schwächer, als es seine Rolle als Kontrolleur der Verwaltung scheinen lässt. Der Rat besteht aus Laienpolitikern, die die verwaltungsinternen Abläufe kaum durchschauen. Es ist auch Ausdruck dieser Hilflosigkeit, wenn CDU, FDP und UWG die Verwaltung mit ihrer Ein-Prozent-Regel unter Druck setzen wollen, um dem Apparat noch etwas mehr Effizienz abzupressen.

Die Stadtverwaltung wehrt das bislang taktisch brillant ab. Wenn Sozialdezernent Roland Schiffer im Sozialausschuss sagt, Kürzungen bei ihm kämen der Quadratur des Kreises gleich, und dann nur noch über die freiwilligen sozialen Leistungen diskutiert wird — dann hat Schiffer einen dreifachen Sieg davongetragen: Er hat als SPD-Mann die "Wir gegen Kahlschlag"-Linie seiner Partei gestützt; er hat als Verwaltungsmann die Ausstattung seines Bereiches für sakrosankt erklärt; und er hat die moralische Debatte um Kürzungen ins Feld des politischen Gegners getragen. Eine saubere Leistung, die gleichwohl der Öffentlichkeit Sand in die Augen streut. Niemand weiß doch wirklich, ob es in Schiffers Fachbereich nicht doch Geld bei der Ausstattung zu sparen gibt. Sicher ist nur: Der Fachbereichsleiter ist nicht gewillt zu suchen. Ärgerlich ist, dass Verwaltungsleute sich mit dieser Strategie moralisch aus der Verantwortung stehlen. Verwaltungsleute dürfen aber nicht so tun, als ob nur das Kürzen sozialer Leistungen moralisch fragwürdig ist. Sich nicht bewegen, Standards und Strukturen halten wollen ist ebenso moralisch fragwürdig, wenn Sozialleistungen auf dem Spiel stehen.

Auch wenn Personalratschef Ralf Winters für seine Mitarbeiter Überlastung geltend macht, ist das kein Freibrief, nichts zu verändern. Natürlich dürfen Mitarbeiter nicht bis an die Krankheitsgrenze überlastet werden — die Frage bleibt aber, ob Aufgabenkritik (was muss eine Verwaltung tun) oder Arbeitsorganisation so zu ändern sind, dass eine Verwaltung schlanker, billiger wird. Hier sind Fachbereichsleiter und Kämmerer in der Pflicht. Zu sagen: "Nichts geht mehr, wir müssen halt die Steuern erhöhen", ist zu wenig. Das ist bei drohenden sozialen Kürzungen auch moralisches Versagen. Solange der Oberbürgermeister mit einem Federstrich 200 000 Euro bei Betriebsausflügen sparen kann, ist die Frage, wie viel Geld in der Verwaltung gespart werden kann, offen. Und schließlich: Wir leben in Zeiten, in denen der Staat Rekordeinnahmen macht — dennoch braucht er angeblich auf allen Ebenen immer mehr Geld. Wirklich?

(RP/rl)
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