Krefeld Die Parteien in Krefeld: Fakten, Trends - und was die Jugend denkt

Krefeld · Eine Analyse zum Wahljahr: Zahlen, Fakten und Trends in Krefeld zeigen, dass die Parteien bei aller Kritik auf relativ viel Zustimmung stoßen; die, die sich engagieren, leisten Kärrnerarbeit der Demokratie. Wir fragen junge Leute über ihre Motive, sich zu engagieren.

Parteien in Krefeld
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Wahlergebnisse aus Krefeld

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Foto: Stadt

Rund 2600 Menschen oder gut ein Prozent der Bevölkerung bestimmen die Geschicke von 230.000 Einwohnern. Denn rund 2600 Krefelder sind Mitglied einer Partei, die im Krefelder Rat Fraktionsstatus haben. Von diesen 2600 wiederum engagieren sich in der Parteiarbeit einige hundert; in Verantwortung stehen einige Dutzend Menschen. Ist also die Stadt die Beute von ein paar Übereifrigen?

Der Eindruck trügt. Das liegt zum einen an den Menschen. In Krefeld machen keine Engel Politik, aber eben auch keine manischen Egoisten, die machtversessen daran arbeiten, ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen. Es gibt viel glaubwürdiges Engagement, Dinge zu verbessern. Und all das, was der Politik gern angekreidet wird - Machtkämpfe, Taktik, Besetzung von Posten - gehören eben dazu.

Zum Beispiel Frank Meyer: Der Oberbürgermeister hat auch aufgrund seines politischen Engagements beruflich einen Sprung nach vorn gemacht: eine Karriere vom Referenten zum Verwaltungschef einer Großstadt. Na und? Er hatte die Gaben, die man für diesen langen Weg brauchte, und er hatte genug Fortune, um im richtigen Kampf der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt zu sein. Nichts davon ist ehrenrührig, und deswegen werden ein Mann und seine Überzeugungen nicht unglaubwürdig.

Dazu kommt, dass das mit dem "Schäfchen ins Trockene bringen" auf kommunaler Ebene meist armselig ausfällt. Viel Geld ist als Ratsmitglied nicht zu holen, und stellt man dann noch die Relation zur Arbeit des Aktenfressens her, müssten jedem, der ein fettes Schaf ins Trockene zerren will, die Tränen kommen. Politik lohnt sich finanziell eigentlich erst ab Landtagsabgeordnetem aufwärts.

Die Zahlen zeigen zudem, dass die Parteien allen Unkenrufen zum Trotz auf relativ viel Zustimmung stoßen. Auch wenn die Mitgliederbasis teilweise dünn ist, binden in Krefeld die Parteien immer noch bis zu 70 Prozent der Wähler. Heißt: Sie überzeugen zwei Drittel der politisch Interessierten, an einem Wahltag eine politische Entscheidung zu treffen. Das sind auch zwei Drittel Zustimmung des Publikums.

Auffällig ist, dass die Wähler differenzieren: Die Beteiligung an Kommunalwahlen ist regelmäßig am niedrigsten (in Krefeld zuletzt 45,21 Prozent); bei der jüngsten Landtagswahl gingen knapp 57 Prozent zur Wahl, bei der Bundestagswahl 2013 rund 69 Prozent der Wähler. Dahinter steht nicht unbedingt Geringschätzung für Kommunalpolitik, sondern ein Gespür für Macht: Kommunale Selbstverwaltung ist eben nicht so sexy, nicht so dramatisch, nicht so weltanschaulich aufgeladen wie Landes- und Bundespolitik. Der Rat entscheidet nicht über die Grundfesten des Sozialstaates, über Europa oder Krieg und Frieden, sondern über Baugebiete, Straßenführung und Kanalbenutzungsgebühren.

Stella Rütten, Marie Lücker, Tobias Stümges, Carsten Repges
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Krefelds politische Jugend

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Foto: Jens Voss

Das alles ist wichtig, aber vieles davon eher in einem technischen Sinne. Niedrige Wahlbeteiligungen auf kommunaler Ebene sind insofern nicht gleich Krisen der Demokratie; es geht eher um Augenmaß beim Wähler über die Reichweite seiner Wahl. Was wiederum kein Plädoyer sein soll, nicht zur Wahl zu gehen. Es bleibt dabei: Wahlrecht ist Gesetz, Wahlpflicht eine Tugend. Nichtwähler adeln sich ja oft selbst, indem sie behaupten, keine Partei sei gut genug für sie. Nun ja; Nicht-Wähler bekommen die Parteien, die sie verdienen. Insofern bleibt die aktive Wahlentscheidung das wirksamste Mittel der Einflussnahme.

Krefeld zeigt zudem eingängig, dass Protest noch keine Partei macht. Die kleinen Gruppierungen wie UWG und AfD sind auf kommunaler Ebene in Krefeld bedeutungslos. Alle Bündnisse - persönliche wie politische - sind zerbrochen; übrig geblieben sind Einzelkämpfer. Sie haben ihre liebe Not, sich bei der sachlichen Arbeit einzubringen. Ausschüsse, Aktenberge, Vorlagen: Wer Kommunalpolitik betreibt, muss Vielleser sein. Die großen Parteien schaffen es noch, genügend Spezialisten bereitzustellen, schon die kleineren haben Mühe damit.

Die Krefelder Linke zum Beispiel hat zwar Fraktionsstatus, aber eine überaus schmale personelle Basis (in Krefeld rund 70 Mitglieder; drei davon sitzen im Rat) - und das, mit Verlaub, merkt man manchen Redebeiträgen auch an. Oft genug werden Dinge gefordert (beliebt: die Reichensteuer), die kommunal gar nicht zu entscheiden sind. Dahinter steht auch strukturelle Inkompetenz: Sich auf breiter Front in die Probleme einzuarbeiten, ist für ein Dreier-Team schwer zu leisten. Es geht am Ende in der Politik eben auch um Mühe und Plage. Man spürt, wo sie nicht geleistet werden (können). Reden werden luftig, Forderungen weitläufig, Positionen bluffig: Mehr Gerechtigkeit bitte! Tja, und was war noch mal mit Baugebiet 97/6?

So tut man gut daran, Kommunalpolitik, Politik überhaupt nicht wohlfeil zu kritisieren. Im Detail ja, und das geschieht ja auch reichlich. Aber wenn man den Politikbetrieb überschaut, gerade auf kommunaler Ebene, lernt man auch Respekt: vor den Menschen, die eben nicht zu Hause hinterm Ofen sitzen bleiben und mit den Unzulänglichkeiten von Welt und Mensch abrechnen, sondern sich mit den eigenen Unzulänglichkeiten in die unzulängliche Stadt hinauswagen.

Parteien, so heißt es in Paragraf 21 unseres Grundgesetzes, wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Das tun sie bis heute, und dafür werden sie dringend gebraucht.

(RP)
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