Krefeld Die Pracht der Miao

Es ist ein wahrer Farbenrausch, eine Explosion von Mustern: Das Haus der Seidenkultur zeigt als erstes Museum Gewänder der Miao-Kultur aus Südchina. Jedes Kleid, jedes Ornament erzählt eine Geschichte. Es ist eine Ausstellung, die zum Schwelgen verführt - und ein riesiger Erfolg.

Die Pracht der Miao im Haus der Seidenkultur
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Das Lusheng-Festival ist ein riesiges Ereignis. Aus vielen Dörfern kommen Menschen zum Feiern zusammen. Was hierzulande Single-Party hieße, ist beim Volk der Miao ein Hochzeitsmarkt. Sie leben in Bergdörfern, völlig abgeschieden in 2000 Meter Höhe. Mit rund neun Millionen gehört die Bevölkerungsgruppe zu einer der 55 chinesischen Minderheiten. Im Laufe der Jahrhunderte sind die Miaos in den Südwesten Chinas verdrängt worden, hauptsächlich in die Provinzen Guizhou und Hunan.

Die Frage, was sie zum Fest anziehen sollen, müssen sich die jungen Mädchen nicht stellen. Das Kleiderproblem haben sie schon vor Jahren gelöst: Die Prachtgewänder entstehen in Handarbeit. Wer die aufwändigen Stücke im Haus der Seidenkultur sieht, dem gehen die Augen über. Aus edler Seide und speziell bearbeiteter Baumwolle sind Kostbarkeiten entstanden, die ihre Trägerin als Künstlerin ausweisen.

Eine kimonoartige Jacke und ein üppig mit Federn geschmückter Tellerrock sind ein Festtagsaufzug, den Frauen beim Lusheng-Fest tragen. Der Plisseerock mit der in vielen Sticktechniken verzierten Jacke verrät an seiner Farbigkeit, dass die Trägerin verheiratet ist und zu den "Rot"-Miao gehört, die rote Farbtöne bevorzugen. Viele Monate, oft Jahre widmen die Miao-Frauen sich einer Tracht: Vom Anbau der Baumwolle und der Zucht der Seidenraupen bis zum letzten Nadelstich. Auch die Männertrachten sind üppig. Denn jedes Gewand sagt etwas über die Herkunft und den Stand des Trägers aus, jedes Detail hat seine Bewandtnis.

Die Miao, deren Wurzeln in die vorchristliche Zeit zurückreichen, waren bis ins 19. Jahrhundert ein Migrantenvolk, ständig vertrieben und verdrängt. Da sie keine eigene Schriftsprache haben, waren gestickte Symbole ihre Art, Geschichten weiterzugeben. Jede Region, jedes Dorf pflegt noch heute seine eigenen Muster, Farben oder Motive.

Der Drache ist ein historisches Bild, das Gutes verheißen soll: Regen, eine reiche Ernte und gesunde Tiere. Hat er "100 Füße" verweist er auf die Ahnen. Pflanzen symbolisieren Reichtum, Fruchtbarkeit und langes Leben. Der Wasserbüffel steht für Stärke. Noch mehr Schutz soll Buddha gewähren, der oft die Mützen und Jacken der Kinder ziert, wenn sie zur Schule gehen. Zu Festen putzen sich junge und alte Miaos mit üppigem Silberschmuck heraus, der bis zu 22 Kilo wiegt.

Auch im 21. Jahrhundert lebt die Tradition fort. In den einfachen Holzhütten läuft inzwischen der Satellitenfernseher. Während die Frauen an ihrem schmalen Webstuhl arbeiten und jährlich eine Stoffbahn von etwa 100 Metern schaffen, liefert das Smartphone Musik aus den Charts.

Haus der Seidenkultur, Luisenstr. 15, Telefon 02151 510812

(RP)
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