Krefeld Die Rückkehr des Museumsengels

Krefeld · Ein Jahr lang war die Bronzegruppe vom Dach des Kaiser-Wilhelm-Museums verschwunden. Sie ist aufwändig restauriert worden. Gestern wurde die 1,7 Tonnen schwere Skulptur mit einem Kran wieder auf die Balustrade gehievt.

 Die Skulptur steht: Die Bronzegruppe "Genius der Künste" ist an ihrem alten Platz gelandet. Die Rückansicht zeigt die neue Konstruktion, mit der sie im Beton verankert wird.

Die Skulptur steht: Die Bronzegruppe "Genius der Künste" ist an ihrem alten Platz gelandet. Die Rückansicht zeigt die neue Konstruktion, mit der sie im Beton verankert wird.

Foto: Thomas Lammertz

Es ist ein spektakulärer Moment, als der Engel gestern um 14.37 Uhr abhebt. Eine Szene, die an die Eingangskamerafahrt in Federico Fellinis Film "La Dolce Vita" erinnert. Vier Minuten lang schwebt er durch die Luft, bis er wieder auf seinem alten Standort in 20 Meter Höhe landet: Mit menschlicher Präzisionsarbeit und Maschinenkraft wird die 1,7 Tonnen schwere Bronzeskulptur wieder auf die Balustrade des Kaiser-Wilhelm-Museums gehievt. Über Funkkontakt werden vom Joseph-Beuys-Platz aus und vom Dach die Koordinaten ausgetauscht, der Kranführer korrigiert kaum merklich. Dann wird die kostbare Fracht abgesenkt und steht. Jetzt kann sie arretiert werden.

 Präzisionsarbeit: Die 1,7 Tonnen schwere Bronzeskulptur wird per Kran aufs Museumsdach abgesenkt.

Präzisionsarbeit: Die 1,7 Tonnen schwere Bronzeskulptur wird per Kran aufs Museumsdach abgesenkt.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Das Kunstwerk von Hugo Lederer (1871-1940) über dem Mittelrisalit des Gebäudes ist das Wahrzeichen des Museums. In Krefeld wird es liebevoll "der Engel" genannt, den richtigen Namen "Genius der Künste" kennen nur wenige. Lederer bildete einen geflügelten männlichen Genius mit zarten, fast weiblichen Gesichtszügen, der in der Hand einen zerbrechlich wirkenden Palmzweig hält und sich schützend über zwei sitzende Figuren beugt, die das Kunsthandwerk symbolisieren.

Der Palmzweig war der Grund, warum die vier Meter hohe, 3,80 Meter breite und 1,80 Meter tiefe Genius-Gruppe im vergangenen Jahr erstmals ihren markanten Platz verlassen hat. Bei den Bauarbeiten war ein Stück des Zweigs abgebrochen und aufs Dach gefallen. Deshalb musste die komplette Skulptur in die Restaurierung. "Sie ist zum ersten Mal restauriert worden", sagt Museumschef Martin Hentschel. "Wir haben sofort gehandelt, damit die Sicherheit gewährleistet bleibt."

 Das Gesicht des geflügelten Genius hat zarte, fast weibliche Züge. Um die Brust sind noch die Sicherungsgurte zu sehen.

Das Gesicht des geflügelten Genius hat zarte, fast weibliche Züge. Um die Brust sind noch die Sicherungsgurte zu sehen.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Die Duisburger Restaurierungsfachfirma "Die Schmiede", die auch schon die Oldenburg-"Zahnbürste" vor dem Museum Haus Esters aufgearbeitet hat, hat die Gruppe gereinigt, die korridierten Nieten durch 100 rostfreie Edelstahlschrauben ersetzt und eine Unterkonstruktion gebaut, mit der der Engel nun noch fester im Beton verankert werden kann. Über die Kosten gibt es keine Angaben.

Der Genius war 1898 der erste öffentliche Auftrag des im südmährischen Znaim geborenen Künstlers. Lederer hat dort von 1884 bis 1888 an der k.u.k. Fachschule für Tonindustrie studiert, bevor er nach Dresden ging und sich 1895 als Bildhauer selbstständig machte. Zu seinen größten Erfolgen gehörte 1902 der erste Platz in der Ausschreibung für ein Bismarck-Denkmal in Hamburg. Das ist auch für die Elbhöhe realisiert worden. Auf dem Aachener Marktplatz steht ein Reiterstandbild Kaiser Friedrichs von Lederer, in Weimar ein bekanntes Liszt-Denkmal.

 Der Mann mit der Amphore hockt rechts zu Füßen des Genius. Er steht für das Kunsthandwerk der Keramiker.

Der Mann mit der Amphore hockt rechts zu Füßen des Genius. Er steht für das Kunsthandwerk der Keramiker.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)
 Die Antike war in Mode, als Lederer seinen "Genius" schuf. Der Sphinxkopf links ist eine Reminiszenz daran.

Die Antike war in Mode, als Lederer seinen "Genius" schuf. Der Sphinxkopf links ist eine Reminiszenz daran.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Als der Auftrag aus Krefeld kam, hatte Lederer sich als Bildhauer bereits einen Namen gemacht: 1893 war er bei der Großen Berliner Kunstausstellung mit der Goldmedaille ausgezeichnet worden. Seine letzten Arbeiten schuf er im Auftrag der Essener Industriellenfamilie Krupp.

(RP)
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