Krefeld Die Tööt hät an die Tuut en Blötsch

Krefeld · In Heinz Webers' Büchlein mit 600 Sprüchen in Krefelder Mundart lernt der Leser zum Beispiel, was "ene Melmpüüper" oder "en Fimmelfott" ist. Dazu gibt es viele bemerkenswerte Lebensweisheiten und eine Menge Heimatkunde.

 Mundartautor Heinz Webers in seinem Bockumer Wohnzimmer mit seinem Büchlein "Morje es vandaag al jister" (Morgen ist heute schon gestern).

Mundartautor Heinz Webers in seinem Bockumer Wohnzimmer mit seinem Büchlein "Morje es vandaag al jister" (Morgen ist heute schon gestern).

Foto: Thomas Lammertz

Tolle Tipps, freundliche Beschimpfungen, tiefe Lebensweisheiten, befremdliche Grammatik und eine Menge Heimatkunde - und alles op Kreieewelsch Platt mit hochdeutscher Übersetzung - entweder original oder im übertragenen Sinn. Das bieten die 600 Sprüche, die der Bockumer Heinz Webers in seinem Büchlein "Morje es vandaag al jister" zusammengetragen und in sechs Kapiteln thematisch unterteilt hat. Und als Zugabe gibt's noch ein gutes halbes Dutzend urkrefelder Liederverse.

Wer sich schon einmal philosophischen Überlegungen hingegeben hat, wie denn wohl das Phänomen der Faulheit kurz zu beschreiben sei, findet in Webers' Büchlein die denkbar treffendste Antwort: "Fulke es Reäste ooehne müsch tu sieen!" Auf Hochdeutsch: "Nichtstun ist Ausruhen, ohne müde zu sein!" Faulenzer sind nach Krefelder Einsicht aber nicht völlig nutzlos, denn: "Möt enne Fulk kannse wirke, ävver net möt enne Dumme." - Voller Lebensweisheit steckt auch die Feststellung, dass sich gute Behandlung auszahlt. Op Krieewelsch heißt das: "En joot jefuorde Mimm fengt ömmer dä Weäg noe Huus." Auf Hochdeutsch: "Eine gut gefütterte Katze findet immer den Weg nach Hause".

 "Ene Muulbas stalpt dur Krieewel": Alle sechs Kapitel sind eingangs witzig illustriert.

"Ene Muulbas stalpt dur Krieewel": Alle sechs Kapitel sind eingangs witzig illustriert.

Foto: Irene Bersenjow

Ein schönes Beispiel für den rheinischen Imperativ, der das "Sei" durch die zweite Person Singular ersetzt, ist die Aufforderung "Böss mar net suo astrant!" - auf Hochdeutsch: "Sei mal nicht so überheblich!" - Durch seine Lautmalerei besticht die Feststellung, die dem interessierten Leser auch gleich den Unterschied zwischen Tööt und Tuut erklärt: "Die Tööt hät an die Tuut en Blötsch". Hochdeutsch: "Die Kanne hat am Ausguss eine Beule".

Einer der längsten ist auch einer der bekanntesten Krefelder Sprüche op Platt, setzt ein wenig Kenntnis in Heimatkunde voraus und drückt doch nichts weiter aus als "vergebliche Mühe": "Es dat en Uosel, sät Frau Nöttsches. De Stuov jekehrt on Sank jestreut, on alles löpt noe Herstatts." Das kann sofort nachvollziehen, wer noch von der Gaststätte von Frau Nöttsches an der oberen Marktstraße weiß. Die hatte sie, wie sie klagt, für ihre Gäste parat gemacht, das heißt, den Boden gekehrt und mit Sand bestreut, - so wie es heute noch manche Kneipen und gelegentlich auch Dorffleischereien in England tun. Aber die Gäste lohnten der Gastronomin die Mühe nicht und gingen einfach vorbei bis zum Weeserweg, wo der Herstattshof (heute ein griechisches Lokal) als attraktive Ausflugsgaststätte lockte.

Die alten Krefelder haben sich gern auch als Wetterfrösche betätigt, und so hat Webers in seinem Büchlein zahlreiche Sprüche für jeden Monat des Jahres zusammengestellt. Aktuell passt die Vorhersage zum Martinstag am 11. November: "Stond op Zemäerte die Jaas op et Ies, lupen se Chresmess duor Matsch en die Wies." Auf Hochdeutsch: "Stehen zu St. Martin die Gänse auf dem Eis, gibt es zu Weihnachten Schmuddelwetter."

Lohnenswert im Sinne des Erwerbs Krieewelscher Ausdrücke für verschiedene Typen von Menschen sind jedenfalls die kurzen Sprüche im Kapitel "Ene Muulbaas stalpt dur Krieewel": Da lernt man außerdem den niederrheinischen Geschlechterwechsel kennen, der grundsätzlich "ein" und "eine" vertauscht, und erfährt, wat ene Duurjedööhde, en Fimmelfott, ene Hüskestapezierer, ene Melmpüüper, en Quisel oder ene Halvjehang es.

(RP)
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