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Krefeld Ein Aufrechter geht in den Ruhestand

Krefeld · Heute wird Jochen Adrian, Leiter der Gesamt-schule Kaiserplatz, verabschiedet. Er fing dort zu einer Zeit an, als die Gegner dieser Schulform mit ihr noch den Untergang des Abendlandes ver-banden. Adrian nahm nie ein Blatt vor den Mund.

 Jochen Adrian, Vater von drei Kindern, Karl-May-Freund seit Jugendzeiten, ist in Lübeck geboren, aufgewachsen in Krefeld und bis heute "Krefelder aus Überzeugung". Er hat am Fichte Abitur gemacht; Lehrer ist er unter anderem deswegen geworden, weil ihn sein Lehrer Karl von Oy tief beeindruckt hat.

Jochen Adrian, Vater von drei Kindern, Karl-May-Freund seit Jugendzeiten, ist in Lübeck geboren, aufgewachsen in Krefeld und bis heute "Krefelder aus Überzeugung". Er hat am Fichte Abitur gemacht; Lehrer ist er unter anderem deswegen geworden, weil ihn sein Lehrer Karl von Oy tief beeindruckt hat.

Foto: Mocnik

Ironie ist wie die berühmte jut jebratene Jans eine jute Jabe Jottes. Jochen Adrian hat seine Portion davon zugewiesen bekommen. Als er über seinen Werdegang plaudert, sagt er irgendwann: "Ich habe eine dunkle Vergangenheit als Gymnasiallehrer." Klar, als Gesamtschulmann entstammt er einer Ära, in der die Schulform ihren Verächtern als Untergang des Abendlandes galt. Das Gymnasium wiederum war den Gesamtschulkriegern eine Achse des Bösen, auf der Schüler ohne Gnade auf Leistung getrimmt wurden. Adrian macht mit seiner Bemerkung deutlich, dass diese Ära vorbei ist und nur noch die Praxis zählt.

Heute wird dieser Mann, der im vergangenen Jahrzehnt zu den profiliertesten Schulleitern Krefelds gehörte, in den Ruhestand verabschiedet. Adrian hat in Krefeld 1982 als Lehrer am Gymnasium Horkesgath angefangen. Zuvor hatte er, der Sport und Physik studiert hatte, im Auftrag des Landes NRW "Jugend trainiert für Olympia" organisiert. 1992 wechselte er zur Gesamtschule Kaiserplatz, die damals erstmals in die Oberstufe hineinwuchs, 2005 wurde er ihr Direktor. Die Schulform, erinnert sich der 65-Jährige, sei damals "geduldet" gewesen.

Heute genießt die Gesamtschule Kaiserplatz einen ausgezeichneten Ruf. Wie macht man eine Schule zu einer guten Schule? Man müsse, sagt Adrian, methodisch-didaktisch wach sein, gesellschaftliche Entwicklungen beobachten und mit offenen Augen die Schüler im Blick haben.

Die Schulpolitik hat er im Laufe der Jahre nicht unbedingt als Verbündeten kennengelernt, gelinde gesagt. Gefragt, ob es mal einen Sprung nach vorn gab, erinnert er sich an den Schulversuch "Selbstständige Schule" unter der schwarz-gelben Regierung von Jürgen Rüttgers. "Da hat sich eine Welt aufgetan", sagt Adrian und schwärmt davon, wie gut es war, Lehrer einstellen zu können, die zu einer Schule passten. Von dem achtjährigen Experiment ist wenig übriggeblieben, resümiert er heute. Im Gegenteil, das Pendel schlug in die andere Richtung aus. "Heute wird zu viel in die Schule reinregiert", sagt Adrian. Ein Beispiel ist die Inklusion. Adrian hat Ende 2012 im Namen aller Krefelder Schulleiter einen Brandbrief an die Landesregierung geschrieben, erfüllt von der Sorge, dass die Mittel zur Umsetzung des Zieles, auch gehandicapte und behinderte Schüler in einer Regelschule unterzubringen, bei weitem nicht ausreichen. Am Ende würden alle Kinder leiden. Ausgeräumt sind die Sorgen bis heute nicht, resümiert Adrian und betont, dass er nicht gegen Inklusion ist, nur dagegen, dass die Schulen nicht ausreichend ausgestattet werden.

Er hat nie ein Blatt vor den Mund genommen, wenn es um die Belange der Schule ging. 2012 ging der damalige CDU-Fraktionschef Wilfrid Fabel Adrian an: "Ich empfehle Ihnen, sich zurückzuhalten!", mahnte er den Schulleiter, nachdem der öffentlich Vorschläge der SPD für millionenschwere Investitionen in die Schulsanierung gelobt hatte. Fabel warf Adrian "Unkenntnis oder Wahrnehmungsstörungen" vor. Adrian erwiderte in kluger Zurückhaltung, dass er zu Haushaltsproblemen nichts sagen könne - wohl aber zum Zustand der Schulen, und die erforderlichen Investitionen. Im Hintergrund ging es wieder um Schulpolitik des Landes: "Unsere Schulen", hatte Adrian damals erklärt, "sind unzureichend für den Ganztagsbetrieb beziehungsweise für die Herausforderungen, die sich aus dem Auftrag der Inklusion ergeben, ausgestattet. Da muss sehr viel Geld in die Hand genommen werden." Wurde aber nicht. Und so sah Adrian die Schulen, die stets als Superproblemlöser für Fehlentwicklungen der Gesellschaft in Haftung genommen werden, wieder alleingelassen mit den Sorgen des Tages.

Dass Adrian heute nicht bitter ist, mag zum einen an der Gabe der Ironie liegen. Zum anderen auch an dem, was alle guten Lehrer irgendwann positiv würdigen: an den Schülern. Der Umgang mit Menschen ist wohl das, was Lehrer, die ihren Beruf lieben, bis zuletzt schätzen. Und so formuliert Adrian eine sehr schöne Maxime für ein Lehrerleben: "In professioneller Distanz und freundlicher Zugewandtheit mit den Menschen umgehen - man kriegt das alles zurück."

(RP)
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