Serie Menschen Im Advent Ein Zuhause auf Zeit für Jungen

Krefeld · Es ist ein wenig beachtetes Haus in Krefeld - dort bekommen Jungen und junge Männer ein Zuhause auf Zeit für einen Neustart. Die Jugendlichen wissen es zu schätzen: Bei einer Weihnachtsfeier flossen Tränen der Dankbarkeit.

Ein Jugendlicher trägt bei der Weihnachtsfeier im Kolpinghaus vor Mitarbeitern und Mitbewohnern einen Text vor.

Ein Jugendlicher trägt bei der Weihnachtsfeier im Kolpinghaus vor Mitarbeitern und Mitbewohnern einen Text vor.

Foto: T.L.

An dem großen Weihnachtsbaum, der mit bunten Kugeln hübsch geschmückt ist, hängen sternenförmige Karten, handbeschrieben - es sind Wünsche. Diese Wünsche haben Jugendliche geschrieben, die im Kolpinghaus vorübergehend ein neues Zuhause gefunden haben. So liest sich auf einem Stern: "Friede und Güte - Unterkunft für Menschen, die fliehen mussten". Es ist der Wunsch eines sogenannten UMAS, ein "unbegleiteter minderjähriger Ausländer", dessen Wunsch hier in Krefeld in Erfüllung gegangen ist.

"Wir arbeiten bei uns im Kolping Jugendwohnheim Krefeld schon seit zwei Jahren mit UMAS im Rahmen der Inobhutnahme", sagt Uwe Zurhorst, Diplom-Sozialarbeiter und Leiter der Einrichtung. Sieben UMAS sind derzeit untergebracht, und deutsche und ausländische Jugendliche - das funktioniert hier gut. "Es ist in dem Alter nicht immer friedlich, aber ein insgesamt friedvolles Miteinander", beschreibt es Zurhorst.

Sein Haus bietet als stationäre Jugendhilfeeinrichtung Unterstützung für minderjährige männliche Jugendliche ab 14 Jahren, zudem können sich junge Frauen und Männer im Kolpinghaus verselbstständigen und ab hier den ersten Schritt auf dem Weg in eine eigene Wohnung machen. Das Motto: "Ankommen. Neustart beginnen. Verselbstständigung wagen." Diese Möglichkeit besteht mit der Finanzierung durch das Jugendamt oder den Landschaftsverband Rheinland. So haben bis zu 30 Bewohner in kleinen und großen Einzelzimmern, die teilweise möbliert sind, aber auch nach eigenen Wünschen eingerichtet werden können, ihre Privatsphäre, können aber auch nach Belieben an Gemeinschafts-aktivitäten teilnehmen.

So wie am gemeinsamen Weihnachtsfest. Der Raum liegt in gedämpftem Licht, in den Fenstern stehen Kerzen, und der große Tisch in Hufeisenform ist festlich eingedeckt mit grünen Tannenzweigen und kleinen Lichtern. Überall dazwischen liegen Schokoladenweihnachtsmänner in bunten Papierchen. Rund 50 Personen sind zusammengekommen - viele Jugendliche und deren Betreuer, die Leitung des Hauses, einige Nachbarn. Als alle sitzen, begrüßt der Vorstand, der heute als Spiel einmal aus Jugendlichen bestehen darf, in höflicher Form die Runde. Betreuerin Anna liest eine lustige Weihnachtsgeschichte auf Deutsch vor, danach wird sie von einem UMA auf Farsi (persisch) und ein paar Sätzen Englisch vorgetragen. Alle klatschen begeistert.

Ein besonders emotionaler Moment ist, als ein Jugendlicher plötzlich bei Tisch aufsteht und sich bei seinem Betreuer mit Tränen in den Augen dafür bedankt, dass er so viele Chancen im Haus bekommt, immer wieder. Dann versagt ihm die Stimme, und für einen kurzen Moment wird es ganz still im Raum, das Gesprochene hallt nach.

Viele der anwesenden Jugendlichen im Alter zwischen 14 und Mitte Zwanzig holen hier ein Stück ihrer Kindheit nach. "Deshalb ist es auch bei uns so wichtig, dass wir nicht unterteilen nach Deutschen und Ausländern, das ist bei uns einfach so und unterscheidet uns damit von anderen Häusern", sagt Annette Wiedeking, die stellvertretende Leitung.

Die Jugendlichen haben im Haus fest deklarierte Aufgaben, die verteilt werden. Kochen oder einkaufen fällt darunter; den Weihnachtsbaum für den Abend besorgen war zwar ein Extra, aber ein ganz besonderes Erlebnis für einige Jugendliche. Die Verständigung klappt mittlerweile auch besser. Zwei Mitarbeiterinnen leiten einen Sprachkursus (Deutsch), der an fünf Tagen die Woche jeweils drei Stunden dauert. Und super ankommt. Hier funktioniert Integration - schnell und zumindest nach außen hin auch unbürokratisch.

Das neue Jahr beginnt für Zurhorst und sein Team mit einem neuen Projekt in und für Krefeld: Es wird ein neues Wohnheim für UMAS in Kooperation mit dem SKF, dem Sozialdienst katholischer Frauen in Uerdingen entstehen. In einem ehemaligen Pfarrheim gibt es bald 14 neue Plätze für Jungen und Mädchen. Dieser Wunsch hing wahrscheinlich auch auf einem Stern am Baum.

(RP)
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