Krefeld Eine Kripo-Chefin blickt zurück

Krefeld · Anette Cruel war 20 Jahre lang die Leiterin der Krefelder Kriminalpolizei. Seit wenigen Wochen ist sie im Ruhestand. Mord, Totschlag und Brandanschlag gehörten zum Berufsalltag der 62-Jährigen..

 Rückkehr an den Tatort: Anette Cruel war 20 Jahre lang Chefin der Kriminalpolizei. Jetzt ist sie im Ruhestand. Noch einmal kehrte sie an ihre alte Wirkungsstätte im Präsidium zurück, um sich an ihre Arbeit zu erinnern, die ihr immer Spaß gemacht hat.

Rückkehr an den Tatort: Anette Cruel war 20 Jahre lang Chefin der Kriminalpolizei. Jetzt ist sie im Ruhestand. Noch einmal kehrte sie an ihre alte Wirkungsstätte im Präsidium zurück, um sich an ihre Arbeit zu erinnern, die ihr immer Spaß gemacht hat.

Foto: Thomas Lammertz

Ein leerer Schreibtisch, leere Ablagen, leere Schränke - Anette Cruel, die 20 Jahre lang die Krefelder Kriminalpolizei geleitet hat, hat in ihrem Büro nichts als ein paar Grünpflanzen zurückgelassen. Jetzt ist sie aus dem Dienst ausgeschieden, für ein Treffen mit unserer Zeitung betritt sie zum ersten Mal wieder das Büro im dritten Stock im Krefelder Polizeipräsidium: "Es ist ein komisches Gefühl, wieder hier zu sein", sagt die 62-Jährige, als sie den Raum betritt.

Angeregt durch ein Praktikum bei der Polizei in Bielefeld während ihres Jurastudiums, entschied sich Cruel Anfang der 80er Jahre, eine Ausbildung zur Polizistin zu machen. Frauen gab es bei der Polizei zu dieser Zeit kaum, vor allem in Führungspositionen waren sie rar gesät. "Es war zwar eine Umstellung für die Männer, Probleme habe ich aber überhaupt keine gehabt", erzählt Cruel. "Es kommt einfach darauf an, wie man auftritt. Man muss immer offen, kommunikativ und ehrlich sein." Auch die Eltern hätten sich keine Sorgen wegen des außergewöhnlichen Berufswunsches der Tochter gemacht: "Sie waren eher überrascht", so Cruel.

Bevor die 62-Jährige zur Krefelder Polizei kam, hat sie einige Mal die Dienststelle gewechselt. Zunächst kümmerte sie sich um kleinere Delikte in Dortmund, anschließend ging sie nach Unna und Hagen. Danach ging Cruel ins Landeskriminalamt, wo sie von 1984 bis 1989 für die Spionageabwehr verantwortlich war. "Eine hochspannende Tätigkeit", sagt die 62-Jährige. Zugleich übernahm Cruel hier erstmals eine Führungsposition. "Ich hatte 16 männliche Mitarbeiter, die alle meine Väter hätten sein können", erzählt sie. Die Position sei zwar eine Herausforderung, aber nicht unlösbar gewesen. Im Anschluss daran war sie für drei Jahre im Polizeipräsidium in Essen tätig und wurde 1992 für weitere drei Jahre nach Düsseldorf versetzt. Dort leitete sie die Kriminalgruppe 1, die sich mit schwerwiegenden Taten befasst: Mord, Totschlag, Brandanschlag, Waffengewalt.

1995 verschlug es Cruel schließlich nach Krefeld und sie übernahm die Leitung der Kriminaldirektion. Ein Pluspunkt für die Stadt: "Da das Polizeipräsidium relativ klein ist, kennt jeder jeden", so Cruel. Es sei ein verlässliches Arbeiten möglich, man wisse, wie die Kollegen ticken. "Man spricht viel miteinander, das bereichert die Zusammenarbeit ungemein." Zwei Jahre nach ihrem Start in Krefeld kam es zu einem Fall, den Cruel als den prägendsten ihrer Laufbahn beschreibt: Drei Mitglieder einer türkischen Familie starben bei einem Brandanschlag an der Gladbacher Straße. Schnell wurde ein fremdenfeindlicher Hintergrund vermutet, die Politik mischte sich ein. "Es lastete ein unglaublicher Druck auf den Kollegen und mir", so Cruel. Die Motivation, den Fall zu lösen, sei auf dem Flur zu spüren gewesen. "Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke", sagt sie. Schließlich stellte sich heraus, dass der Vater der Familie den Brand selbst gelegt hatte. Bei aller Tragik hat Anette Cruel auch empfunden: "Uns wurde damit eine enorme Last genommen."

Anette Cruel hat ihr Job immer Spaß gemacht. "Ich habe es nicht einen Tag bereut, zur Polizei gegangen zu sein", sagt sie. Auch kleine, unspektakuläre Fälle - wie etwa die Fahndung nach einem Graffiti-Sprayer - stillten die kriminelle Neugier und den Wunsch, Straftaten aufzuklären.

Fiel es ihr schwer, aufzuhören? "Ja und nein", antwortet sie. "Ich konnte gut loslassen, weil ich weiß, dass die Direktion gut aufgestellt ist", sagt sie. Was der 62-Jährigen allerdings fehlen werde, seien die Gespräche mit den Kollegen. "Sie haben mich 20 Jahre lang begleitet, hinter jedem Namen steht ein Schicksal - wir hatten immer ein gutes Verhältnis." Es sei ihr stets wichtig gewesen, eine positive Arbeitsatmosphäre zu schaffen, in der sich ihre Mitarbeiter wohlfühlen. "Nur wer gerne kommt, kann auch ein Maximum an Leistung bringen", so Cruel.

Trotz der Pensionierung hat die 62-Jährige genug zu tun. "Ich langweile mich absolut nicht", sagt sie. Um runterzukommen, wird Cruel in den kommenden Monaten zunächst auf Reisen gehen. Und für die Zukunft kann sie sich vorstellen, ehrenamtlich für den "Weißen Ring" tätig zu sein. "Ich liebe meinen selbst gestrickten Terminkalender", erklärt sie.

(RP)
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