Krefeld Einschulung 1941 - Schultüte war nicht drin

Krefeld · Vor 75 Jahren waren 21 Krefelder allesamt noch i-Dötzchen. Jetzt sind sie über 80 Jahre alt und feierten ein Wiedersehen.

 75 jahre nach der Einschulung trafen sich die Linner Volksschüler im Mühlenhofcafé.

75 jahre nach der Einschulung trafen sich die Linner Volksschüler im Mühlenhofcafé.

Foto: marc Mocnik

Herzliche Begrüßungen fliegen durch das Mühlenhofcafé in Linn. Immerhin ist es teilweise schon wieder einige Jährchen her, dass man sich gesehen hat. Das traditionelle dreijährliche Klassentreffen des Jahrganges 1934/35 ist angesagt, doch diesmal ist es ein ganz spezielles. In diesem Jahr sind es genau 75 Jahre, dass alle in der Volksschule 46 am Danziger Platz 1 eingeschult wurden. "Wir waren ein ganz besonderer Jahrgang", erinnert sich Katharina Molls.

Die 60 Erstklässler wurden nämlich erstmals zum Herbst eingeschult und nicht, wie es all die Jahre zuvor üblich war, zu Ostern. Es gab zwei Klassen und die wurden ordnungsgemäß nach Mädchen und Jungen getrennt. Gemeinsamen Unterricht gab es nicht. "Das kam erst nach dem Krieg. Aber dafür wurden wir dann nach evangelisch und katholisch getrennt", erinnert sich Renate Weyers.

Wenn die gebürtigen Linner an ihre Einschulung zurückdenken, dann müssen sie schmunzeln. Wer Glück hatte, der verfügte über einen richtigen Tornister. Molls erbte ihren vom drei Jahre älteren Bruder. "Ich hatte meinen von Onkel Toni bekommen. Es war ein alter Ledertornister", erinnert sich Jakob Pothen. Eine Federmappe gab es nicht, dafür eine Schiefertafel mit Griffel und Läppchen daran. Papier war Mangelware. "Wir haben sogar auf den Rand von Zeitungen geschrieben", berichtet Josef Fehmer. Von einer Einschulungstüte konnten alle nur träumen. So etwas gab es damals nicht. Nichtsdestotrotz sprechen alle von einer schönen Kindheit, wenn sie auch sehr bewegt war und es mancherlei Entbehrungen gab.

Bedingt durch die Fliegerangriffe auf Krefeld fand der Unterricht nicht immer im Klassenzimmer statt. "Wir mussten oft in den Bunker und sind dort weiter unterrichtet worden", erzählt Martin Ruetten. Wenn sie heute im Museumscafé Kaffee trinken gehe, müsse sie immer an genau diese Situationen denken, sagt Molls. Denn dort, wo sich das heutige Museumscafé befindet, war der Bunker. Weil eine Flag 1942/43 in der Volksschule 46 stationiert wurde hieß es für alle Umziehen an den Margaretenplatz. Aber nicht nur Lernen war angesagt. "Ich weiß noch genau, wie wir eine Fußwanderung nach Uedesheim gemacht haben. Wir hatten einen Waschkessel mit Würstchen dabei. Der musste abwechselnd von zwei Schülern getragen werden. Da sind uns die Arme lang geworden", erzählt Fehmer lachend.

Das Kamille und Scharfgabe sammeln ist ebenso in Erinnerung geblieben. Die Pflanzen wurden gesammelt, auf dem Schulspeicher getrocknet und anschließend verkauft. Damit finanzierten die Schüler ihre Wanderungen wie die nach Uedesheim. Es existierte sogar eine Fahne, auf der die Mädchen eine Kamille eingestickt hatten und die bei den Wanderungen mit dabei war. Allerdings ist sie verschütt gegangen. Es gab aber auch andere Arbeit. "Unser Rektor war mit dem damaligen Museumsdirektor befreundet. Wenn der auf der Burg Linn irgendetwas zu tun hatte, dann wurden wir Jungen vom Unterricht freigestellt und mussten dort arbeiten", plauscht Heinz Heinrichs aus dem Nähkästchen.

Der Geschmack der Schulspeisung, die nach dem Krieg einsetzte, liegt allen noch auf der Zunge. "Quäkerspeisung" ist eine Bemerkung zu hören, was ein vielstimmiges Lachen auslöst. In großen Kessel wurde einst in der Schule gekocht und es gab Milch- und Erbsenmehlsuppe. "Letztere war entsetzlich. Aber es gab nichts und wir hatten Hunger", erinnert sich Molls. So hing das Kochgeschirr für die Kelle Suppe immer am Tornister. Die Erinnerungen sind vielschichtig. Zu erzählen gibt es reichlich und so freuen sich alle schon auf das nächste Treffen in drei Jahren im Mühlenhofcafé.

(RP)
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