Krefeld Eklat: Ratssitzung nach Streit um Abschiebung von Adnan abgebrochen

Krefeld · Schon Freitag soll der seit 30 Jahren in Krefeld lebende Adnan abgeschoben werden. Auch auf einen letzten Appell des Rates reagierte Oberbürgermeister Gregor Kathstede (CDU) am Donnerstag nicht. 350 Demonstranten brachten die Sitzung zum Abbruch.

 Demonstranten gingen während einer Sitzungsunterbrechung bis ans Rednerpult. Dieses Foto wurde von einem Krefelder Ratsherrn mit dem Handy geschossen, deshalb die etwas schlechtere Bildqualität.

Demonstranten gingen während einer Sitzungsunterbrechung bis ans Rednerpult. Dieses Foto wurde von einem Krefelder Ratsherrn mit dem Handy geschossen, deshalb die etwas schlechtere Bildqualität.

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Nach eineinhalbstündiger Debatte hat der Rat am Donnerstag mit überwältigender Mehrheit der Stimmen von SPD, FDP, Grünen, Linke, UWG, Partei und Piraten Oberbürgermeister Gregor Kathstede aufgefordert, dem von der Abschiebung bedrohten Mann mit dem Vornamen Adnan einen dauerhaften Aufenthaltstitel zu erteilen. Nur die CDU stimmte dagegen, ein Einzelratsherr enthielt sich. 350 Demonstranten im Seidenweberhaus warteten danach mit Spannung auf erklärende Worte des Oberbürgermeisters -stattdessen ging er zunächst zum nächsten Punkt der Tagesordnung über.

Immer wieder gab es dann Unterbrechungen, manche Demonstranten gingen sogar bis ans Rednerpult. Laute wiederholte Störrufe veranlassten Kathstede schließlich, die Sitzung abzubrechen, nach Rücksprache mit den Fraktionsvorsitzenden. Kathstede rechtfertigte sein Handeln aber vor dem Abbruch der Sitzung in einer sechsminütigen Rede.

Jetzt droht Wirklichkeit zu werden, was viele befürchteten: Schon Freitag soll Adnan von seinem Abschiebegefängnis in die Türkei geflogen werden, wie die Stadtverwaltung Donnerstag überraschend erklärte.

Der Fall Adnan bewegt Krefeld seit Wochen - und wer am Donnerstag der Ratssitzung als neutraler Beobachter beiwohnte, der muss sich schwer tun, ein endgültiges Urteil zu fällen.

 Ehefrau Nawal bei der Rede.

Ehefrau Nawal bei der Rede.

Foto: T. L.

Vor 30 Jahren kam der Mann, der sagt, er hieße Adnan Harm, nach Krefeld - er behauptete, er sei libanesischer Kurde. Die Krefelder Verwaltung glaubt ihm dies nicht, wie Ordnungsdezernent Ulrich Cyprian am Donnerstag erneut darlegte. Adnan stamme eigentlich aus der Türkei und heiße Cetin mit Nachnamen (unsere Zeitung nennt ihn fortan wegen der Namensunklarheit nur noch bei seinem Vornamen "Adnan"). Cyprians Begründung für die Abschiebung: "Wer seinen fortwährenden Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich dem eigenen gesetzeswidrigen Verhalten zu verdanken hat, kann nicht von den Regelungen des humanitären Aufenthaltsrechts profitieren." Würde die Verwaltung ihn weiter dulden, würde sie ihre Amtspflicht verletzen, so der Dezernent.

Schon Cyprians Vortrag wurde ständig von Störrufen aus dem Publikum unterbrochen. "Ihr seid ja schlimmer wie die Stasi", rief jemand. Und einige Teilnehmer der Demonstration, die sich auf Schildern als "Linksjugend" zu erkennen gaben, hielten gar zwei Plakate hoch. Auf einem war in schwarz-weißer Farbe Oberbürgermeister Kathstedes gemaltes Konterfei zu erkennen, daneben ein Schild mit der Aufschrift "Rassismus hat viele Gesichter". Die Verwaltung ging nicht gegen das Plakat vor.

Zwar richtete sich die Wut gegen Kathstede - die Redner der Parteien betonten allerdings, dass sie wüssten, dass dem OB die Entscheidung nahe gehe, er helfen wollte, allerdings aus seiner Sicht dann gegen geltendes Recht verstieße. Frank Meyer (SPD) äußerte unter lautem Applaus der Gäste "Zweifel an der Verhältnismäßigkeit" und verwies darauf, dass Adnan bei seiner Flucht aus seiner Heimat als 15-Jähriger schließlich nicht in oberster Priorität an die Mitnahme seiner Papiere habe denken können. Die Kurden seien jahrzehntelang Verfolgung und Unterdrückung ausgesetzt gewesen. Meyer war es, der am härtesten die Verwaltung angriff - und damit jenen Ordnungsdezernenten, dessen Chef er selbst werden will. Thorsten Hansen (Grüne) verwendete in seiner Rede das rhetorische Mittel der Wiederholung: "Adnan Harm ist Krefelder und Libanese", sagte er immer wieder - und stellte sich damit gegen die Rechtsauffassung der Verwaltung. Joachim C. Heitmann, FDP-Fraktionschef und Jurist, äußerte ebenso rechtliche Zweifel an der Entscheidung der Verwaltung: Es könne nicht rechtssicher garantiert werden, dass Adnan wirklich eine türkische Staatsangehörigkeit bekäme, wie ihm die Verwaltung zuvor versprach. Wie könne die Verwaltung garantieren, dass die Türken dies akzeptieren, wenn Adnan doch immer zuvor behauptete, er sei Libanese?, fragte Heitmann. "Die Zusage aus der Türkei liegt nicht rechtssicher vor." Adnan sitze "schlussendlich zwischen allen Stühlen", deshalb solle Krefeld ihn aufnehmen.

Vor der Ratssitzung die Demonstration auf dem Theaterplatz: Die Ehefrau von Adnan sprach - ihr Vortrag bewegte viele Zuhörer. Am Ende sagte sie an die Krefelder: "Ihr seid toll, ihr gebt uns Kraft." Und Pfarrer Paul Jansen aus Hüls, für St. Anna zuständig und gleichzeitig Krefelds erster Pfarrer als Mitglied im Pastoralrat, sagte: "Ich bin seit Jahrzehnten nicht mehr auf einer Demonstration gewesen, aber diesmal musste ich. Es ist beschämend, dass so etwas in Krefeld passiert."

Es ist nicht nur ein Konflikt der Verwaltung und eines Bürgers unserer Stadt um eine ungeklärte nationale Identität. Die Debatte im Rat, die überwiegende Mehrheit der Stimmen für den Verbleib von Adnan C., machte deutlich: Der Politik sieht den Ruf Krefelds als weltoffene Stadt, als tolerante Stadt, schwer beschädigt.

(RP)
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