Krefeld Ende einer Mundart-Ära

Krefeld · Nach 20 Jahren ist Schluss: Die stets ausverkauften Fischelner Mundartabende "Och wir kalle platt!" mit "Womü" Wolfgang Müller und seinem Ensemble finden am kommenden Wochenende zum letzten Mal im Burghof statt.

 Wolfgang Müller als "Fräulein Grotemeyer" bei der "Partnersuche auf dem Friedhof". Müller hat für diesen legendären Sketch den Gießkannen-Code erfunden: Die Richtung, in die Tülle oder Griff zeigen, sagt, für welche Flirt-Intensität die Trägerin zu haben ist.

Wolfgang Müller als "Fräulein Grotemeyer" bei der "Partnersuche auf dem Friedhof". Müller hat für diesen legendären Sketch den Gießkannen-Code erfunden: Die Richtung, in die Tülle oder Griff zeigen, sagt, für welche Flirt-Intensität die Trägerin zu haben ist.

Foto: BVF

Die Fischelner Mundartabende sind Kult, Figuren wie "Der Nichtschwimmer auf Kreuzfahrt" oder "Fräulein Grotemeyer" legendär: Seit 20 Jahren spielen Wolfgang Müller und sein Team ihre Mundart-Comedy vor stets ausverkauftem Haus.

Am kommenden Wochenende stehen Müller, genannt "Womü", Christel Holzapfel, Rosi Zober, Heinz Webers und Günther Paas nun zum letzten Mal gemeinsam auf der Bühne des Fischelner Burghofs. Denn, sagt Müller: "Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist." Ein bisschen Wehmut klingt natürlich mit. "Schade einerseits. Denn Mundart ist mein Lebensinhalt. Doch die 20 Jahre sind ein guter Aufhänger, um Schluss zu machen", meint der 81-Jährige. "Besser rechtzeitig aufhören, bevor es uns geht wie Johannes Heesters und wir auf die Bühne getragen werden müssen", sagt Womü, stets den Schalk im Nacken.

 Heinz Webers, Rosi Zober, Günther Paas, Christel Holzapfel und Wolfgang Müller (v.l.) treten am Wochenende zum letzten Mal gemeinsam im Burghof auf.

Heinz Webers, Rosi Zober, Günther Paas, Christel Holzapfel und Wolfgang Müller (v.l.) treten am Wochenende zum letzten Mal gemeinsam im Burghof auf.

Foto: Bürgerverein Fischeln

Die Karten für alle drei Vorstellungen im Fischelner Burghof am kommenden Wochenende sind seit Monaten vergriffen. Der Run auf die Mundartabende hat lange Tradition: "Es ist ein Phänomen: Die Leute rufen schon Monate vorher an, kaufen zehn, zwölf Eintrittskarten auf einmal und kommen in Gruppen, teilweise sogar von weither", erzählt Müller.

Alles begann im Jahr 1998. "Unter dem Dach des Bürgervereins Fischeln und mit Unterstützung von Manfred Gietz, dem damaligen Burghof-Wirt, beschlossen wir, einen Mundart-Abend zu machen", erinnert sich Müller. "Ein Mikro, ein Sessel für die Vortragenden - das war die gesamte Bühnenausstattung." Das Konzept kam an bei den Fischelnern. Schon wenige Jahre darauf gab es zwei, später drei Vorstellungen.

 Stets ausverkauft sind die Vorstellungen "Och wir kalle platt" in Fischeln. Schönes Ritual: Als Zugabe zum Schluss darf das Publikum bei drei Liedern mitsingen.

Stets ausverkauft sind die Vorstellungen "Och wir kalle platt" in Fischeln. Schönes Ritual: Als Zugabe zum Schluss darf das Publikum bei drei Liedern mitsingen.

Foto: Bürgerverein Fischeln

Dass Wolfgang Müller überhaupt Krieewelsch Platt gelernt hat, ist Zufall und einem Kindheits-Nachbarn zu verdanken. "Meine Mutter stammt aus Berlin, mein Vater aus Oldenburg, zu Hause wurde nur Hochdeutsch gesprochen", erzählt Womü, der an der Roßstraße gewohnt hat, bevor er vor 50 Jahren nach Fischeln zog. "Im Flügelanbau unseres Hauses lebte damals Lothar Tinnefeld, und er meinte, ,der Junge muss Platt können'". Beim Spielen auf der Straße und später im Betrieb kamen Wolfgang Müller seine Krieewelsch-Kenntnisse zugute. "Damals war das die Arbeitersprache, heute ist Platt Kult", meint Müller, der im Maschinenbau als CNC-Fräser gearbeitet hat.

Die Texte und Sketche des dreistündigen Programms sind etwa zur Hälfte selbst geschrieben, oft mit lokalem Bezug. Unvergessen die Geschichte vom neuen Auto mit Navigationssystem ("Dat nöi Navi"), bei der Womü in einem Auto aus Sperrholz auf der Bühne "fährt" und Rosi Zober dem Navi bei der Irrfahrt rund um Krefeld ihre Stimme leiht. Oder der digitale Beichtstuhl (Dä dijitale Bichtstohl), mit dessen Hilfe von zuhause aus online gebeichtet werden kann. Kultverdächtig ist auch Womüs "Nichtschwimmer", der von seiner Frau zu einer Kreuzfahrt überredet wird, und, stets mit einer Schwimmweste angetan, das Geschehen auf dem Schiff kommentiert. "Da gehen die Leute aus der Jacke. Es ist toll, wenn sich das Publikum amüsiert", sagt Womü. "Platt macht einfach gute Laune." Für Stimmung im Saal sorgt seit 2001 die Band "Schäng, Blasius, Flönz Rakete" - und natürlich das Publikum selber, das - ein liebgewonnenes Ritual - am Ende des Programms zum Mitsingen eingeladen ist. Mitwirkende der ersten Stunde waren die inzwischen verstorbenen Anneliese Hürlimann, Gerhard Höh und Heinz Josef Hütténes. Außerdem wirkten Anneliese Weiß, Annelie Wellmann, Rosemarie Schornsheim sowie Bernd Weiergräber mit. Bis heute hat die Gruppe 47 Mundartabende veranstaltet.

(RP)
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