Zuchtvieh-Auktion in Krefeld Unterm Hammer

Krefeld · Einmal pro Monat werden in der Niederrheinhalle Kälber, Milchkühe und Bullen versteigert. Es geht um die richtigen Gene und um viel Geld. Ein Besuch bei einer Rinderauktion.

Alle Augen auf Jandy. "13! 13!" Der Bulle trampelt durch die Manege, fixiert am Hals, ein Mitarbeiter hat Mühe den kiloschweren Koloss zu kontrollieren. "14? 14!" Jandy wird jetzt teuer und das schnell. "15!" Der Auktionsleiter greift zum Hammer. "15!" Ein letztes Mal. Dann ein Handzeichen in der ersten Reihe. "16!" Karl-Jürgen Krings macht ernst, er will jetzt noch einen Bullen. Unbedingt. 1600 Euro, so viel ist dem Händler Jandy, die Nummer 18 wert. Stramme Muskeln, gesundes Erbgut, die Milch der Mutter war immer tadellos. Ein gutes Exemplar. "16! 16 zum Ersten!" Jandy rennt im Kreis. Auf der anderen Seite der Tribüne hebt plötzlich jemand ein Notizbuch. "17! 17!" Krings stöhnt. "Das ist zu viel. Ich bin raus" sagt er zu einem Kollegen. "17! 17 zum Ersten, 17 zum Zweiten! Verkauft!"

 Wichtig ist weniger das Aussehen, als die Zuchtwerte. Kühe sollen viel Milch geben, Bullen ihre guten Gene weitergeben können.

Wichtig ist weniger das Aussehen, als die Zuchtwerte. Kühe sollen viel Milch geben, Bullen ihre guten Gene weitergeben können.

Foto: Lammertz Thomas

Eine Stunde zuvor: 10:15 Uhr, Niederrheinhalle, direkt neben dem Königpalast. Es riecht nach einer Mischung aus Holz, Tier und Fäkalien. Heute kommen die Rinder unter den Hammer. Eine Zuchtviehauktion. Veranstalter: die Rinder-Union West, die hier seit mehr als 25 Jahren Versteigerungen ausrichtet. An diesem Morgen zum 1127. Mal. Noch sind die Portemonnaies der Händler voll. In den nächsten drei Stunden wird hier eine fünfstellige Summe über den Tisch gehen.

Keine Tiere zum Schlachten

In der Mitte der Halle, auf dem von feinen Holzspänen bedecktem Boden, werden die Mitarbeiter der Rinder-Union hunderte Kühe, Kälber und Bullen vorführen. Jedes Tier für sich, nur ein paar Sekunden, dann ist es verkauft - vorausgesetzt es weckt auf den Rängen Interesse. Dort sitzen knapp 70 Landwirte, Großhändler, Makler und Verkäufer. Manche brauchen eine Kuh, die viel Milch gibt, andere wollen einen Bullen, der die Herde mit den richtigen Spermien befruchtet.

Zum Schlachten kauft hier keiner ein, dafür sind die Tiere mit bis zu 3000 Euro pro Rind zu wertvoll. Nur Jandy muss noch warten. Die Bullen werden erst um elf reingelassen. In einem Tunnel zwischen Halle und Ställen warten gerade die jüngsten, die Kälber. Auktionsleiter Paul Nosbisch schaltet das Mikro ein, die Kälber Narina und Dehlina sind die ersten.

Auch der Gang der Tiere ist wichtig

"Früher hatten wir hier viel größere Versteigerungen", sagt Werner Ziegler, der neben Nosbisch die Auktion beobachtet. Er ist Regionalleiter der Rinder-Union West, zuständig für den Bereich Nordrhein mit Sitz in Krefeld an der Westparkstraße. In den 70er Jahren öffnete hier der größte Ferkelmarkt Europas. Heute organisiert die Genossenschaft, die in NRW, Rheinland-Pfalz und im Saarland Rinder züchtet, besamt und vermarktet, einmal pro Monat eine Zuchtvieh-Auktion in dem Gebäude. Ziegler ist seit mehr als 30 Jahren dabei, schon in der Zeit vor der 1993 gegründeten Union war er als Referent für Zucht aktiv. "Damals hatten wir bei den Auktionen viel mehr Tiere", sagt der 61-Jährige. "Heute sind die Betriebe aber viel größer, die Landwirte haben weniger Zeit, also kommen auch nicht mehr so viele her."

Ziegler weiß, wann ein Tier viel Geld bringt, worauf die Käufer schauen. "Wichtig ist natürlich das Alter und ob das Tier gesund ist", sagt er. Deshalb beobachten die Käufer besonders den Gang der Rinder und wie prall die Euter mit Milch gefüllt sind. "Wenn zum Beispiel eine Kuh nicht gut läuft, liegt sie oft rum und frisst kaum was. Und dann gibt sie auch keine gute Milch, logisch was?"

Zum Schluss gibt es Bier

Doch das ist nicht alles. Die Branche ist stark professionalisiert, im Auktionskatalog hat jedes Rind bis zu 30 verschiedene Kennziffern, die Laien auf den ersten Blick wohl kaum verstehen dürften: Dort stehen Abkürzungen wie RZS, RZM, RZG, CDF und BLF, dahinter bis zu fünfstellige Ziffern. "Das sind alles genetische Zucht- und Milchleistungswerte, auch von den Eltern und sogar den Großeltern der Tiere", sagt Ziegler.

Auf der Tribüne kringelt Karl-Jürgen Krings einige Zahlen in seinem Katalog ein. Er ist Kreistierzuchtberater für das Bergische Land und einer der Händler, die im Auftrag anderer Landwirte mitbieten. "Ich will heute zwei Tiere bekommen", sagt er. Gerade hat er schon Brewga, einen Bullen ersteigert. 2000 Euro hat das gekostet. "Ein guter Preis", sagt Krings. Der Bulle habe dafür hervorragende Werte. Dann kommt Jandy. Ein mächtiges Tier mit fast schon majestätisch rotem Fellmuster stolziert in die Halle. "Der passt in jeden Stall", ruft der Auktionsleiter, klebt sich das Mikro beinahe an die Lippen und spuckt in einer Minute so viele Zahlen in Hochfrequenz aus, bis der Bulle für 1700 Euro den Besitzer wechselt. Krings geht leer aus und hört für heute auf zu bieten. Jandy war ihm zu teuer. "Naja", sagt er "Irgendwo werde ich schon noch einen Bullen auftreiben."

Jandy ist übrigens ein hübscher Bulle, sicher auf jeder Weide ein Hingucker, doch das schert die Käufer kaum. Das tiefrote Fell, die flauschigen Ohren, das rosa Näschen - all das spielt keine Rolle. Denn es geht um Zahlen, um gute und schlechte Gene. Am Ende zählt Leistung. "Das ist ja keine Modenschau hier", sagt Ziegler. "Für uns sind Zuchtwerte wichtig, unter anderem die etwas zu Euter, Becken und Beinen sagen." Und da schneidet Jandy nur mittelprächtig ab.

Nach mehr als 150 Hammerschlägen endet die Auktion. Nebenan in Mo's Treff kommen die Käufer mittags zusammen, es gibt Bier und gebratenes Fleisch. Denn, so sagt Ziegler, auch wenn es heute um die Zucht ging, irgendwann werden sie alle geschlachtet.

(atrie)
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