Chemparkleiter Ernst Grigat Energie doppelt so teuer wie in den USA

Krefeld · Sorgen wegen der Energiepreise, Arbeitsplatzabbau im Chempark, Warnung vor De-Industrialisierung: Wir sprachen mit Chempark-Chef über die Zukunft des Standorts in Uerdingen. Die Kernfrage lautet: Wie sicher ist der Standort?

 "Generell ist eine schlechte Nachricht für Krefeld natürlich auch eine schlechte Nachricht für uns": Chemparkchef Ernst Grigat im RP-Gespräch.

"Generell ist eine schlechte Nachricht für Krefeld natürlich auch eine schlechte Nachricht für uns": Chemparkchef Ernst Grigat im RP-Gespräch.

Foto: T.L.

Bayer trennt sich von Bayer Material Science, Lanxess baut Stellen ab, Huntsman-Sachtleben auch. Bröckelt die Basis des Chemparks?

Grigat Wir sehen es nicht so, dass der Standort bröckelt; wir sehen es so, dass der Standort vor ein paar offenen Fragen steht. Was Huntsman entscheiden wird, wissen wir nicht. Wir haben die Nachricht erst einmal so aufgefasst, dass es um Kostensenkung und nicht um eine Schließung geht. Die Kollegen dort haben viel erlebt in den letzten Jahren; wir wünschen ihnen viel Erfolg dabei, diese Krise zu meistern.

Bei solchen Nachrichten gibt es sofort Befürchtungen, dass der Standort Uerdingen als Ganzes in Gefahr ist. Muss man dieser Gefahr ins Auge sehen?

Grigat Nein, man muss sehen, was in Uerdingen steht. Hier gibt es eine Eisenoxid-Produktion, die hervorragend läuft, es gibt generell hochwertige Produktionen, Lanxess hat in Uerdingen einen großen, weltweit bedeutenden Standort, und auch Bayer Material Science hat ebenfalls große Anlagen.

Sie sprachen von offenen Fragen - das klang sorgenvoll.

Grigat Nein, es geht eher um Abläufe oder um die Frage, wie die Abtrennung von Material Science von Bayer konkret läuft. Dabei geht es aber nicht um die Zukunft des Standortes an sich, dazu ist der Standort insgesamt viel zu stark aufgestellt.

Sie haben vor einer schleichenden De-Industrialisierung Deutschlands gewarnt. Haben Sie das Gefühl, dass die Politik Ihre Sorgen verstanden hat?

Grigat Manchmal ja. Wir haben schon das Gefühl, dass die Probleme mit der Verkehrsinfrastruktur dort angekommen sind. Das galt früher als "langweiliges" Thema, wird aber jetzt angepackt. Ob das reicht, was im Moment angestoßen wird, muss man sehen, aber es werden doch eine Reihe von überfälligen Projekten angestoßen. Bei der Energiepolitik sind wir nicht sicher, ob unsere Sorgen angekommen sind.

Inwiefern? Die Nachlässe bei der EEG-Umlage bleiben doch für die Industrie erhalten.

Grigat Trotz dieser Nachlässe halten uns aber unsere Kunden vor, dass Industriestrom in den USA nur die Hälfte kostet oder in Frankreich immer noch um 20 Prozent billiger ist als an unseren Standorten. 20 Prozent ist für uns schon schwierig, aber die Hälfte billiger ist ein ernsthaftes Problem. Müssten unsere Betriebe die volle EEG-Umlage zahlen, wäre der Industriestrom hier dreimal so teuer wie in den USA. Wir haben nicht das Gefühl, dass die Politik dieses Problem mit derselben Dringlichkeit sieht wie die Verkehrsinfrastruktur.

Machen Sie sich Sorgen, dass bei der politischen Großwetterlage die Industrie keine Lobby mehr hat? Der CDU wird nachgesagt, dass sie nicht mehr für ausgeprägte Wirtschaftspolitik steht, die SPD sucht Machtperspektiven mit der Linken, die FDP als bekennende Partei der Marktwirtschaft ist fast tot.

Grigat Pauschal kann man darauf nicht antworten. Ich führe mit vielen Politikern sehr konstruktive Gespräche, auch mit den Grünen.

Die schlechte Nachricht für Krefeld der letzten Tage war, dass Krefeld keinen Zuschuss zum Bau eines Transterminals bekommt. Wie sehen Sie das?

Grigat Generell ist eine schlechte Nachricht für Krefeld natürlich auch eine schlechte Nachricht für uns. Der Hafen ist generell wichtig für den Chempark. Insofern bedauern wir diese Entscheidung. Der Chempark wird aber nicht darunter leiden, dass es den Terminal nicht gibt. Dennoch bleibt es dabei: Eine schlechte Nachricht für Krefeld ist eine schlechte Nachricht für uns, und wir wünschen der Krefelder Politik eine glückliche Hand dabei, den Transterminal vielleicht doch zu holen.

Was entscheidet heute im globalen Wettbewerb: technologischer Vorsprung oder die Höhe der Arbeitskosten?

Grigat Die Arbeitskosten sind heute in den Gesamtkosten nicht mehr so entscheidend wie in den 60er und 70er Jahren. Heute ist der Umstand, dass wir hochqualifizierte Arbeitskräfte haben, wichtiger als der Wettbewerb um möglichst niedrige Lohnkosten - es sei denn eine Firma kommt in Schwierigkeiten. Die größte Einzelposition heute sind eben die Energiekosten.

Was macht Ihnen an Ihrem Beruf richtig Spaß?

Grigat (lacht) So ein Chemiewerk ist was Feines. Es ist vielleicht nicht jedermanns Geschmack, das gebe ich ja zu. Aber dieses Gebilde in seiner Gänze zu verstehen, die Zusammenhänge zu sehen, wie die Anlagen zusammenarbeiten, die Einbindung des Chemiewerks in die Umgebung - es ist für mich schon eine tolle Sache, an so etwas arbeiten zu dürfen. Das macht richtig Spaß.

Was würden Sie Schülern mit auf den Weg geben?

Grigat Dasselbe, was ich meinen Kindern immer sage: Freut euch, wenn ihr einen lebenslangen Arbeitsplatz habt, aber setzt nicht darauf. Seid lebenslang in der Lage, einen Arbeitsplatz zu bekommen.

JENS VOSS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort