Kunstmeile am Rhein Entdeckungen in der Rhine Side Gallery Uerdingen

Krefeld · Uerdingen ist Touristenziel geworden. Freunde der Street Art kommen ans Rheinufer, um eine spektakuläre Aktion zu sehen. Und auch viele Krefelder nutzen die Chance, "Rheinromantik" zu erleben bei der Rhein Side Gallery. Das neunwöchige Spektakel endet am 1. September.Eindrücke aus der Freiluft-Galerie.

 Auf dem Pferd durchs Wasser: Ein Besucher testet, wie er trockenen Fußes rüber kommt. Übrigens: Auch der Stein ist gemalt .

Auf dem Pferd durchs Wasser: Ein Besucher testet, wie er trockenen Fußes rüber kommt. Übrigens: Auch der Stein ist gemalt .

Foto: Carola Puvogel

An einer haushohen Fassade rund um das alte Gelände am Zollhof scheint das Meer zum Greifen nah: Gregor Wosik und Danila Shmelev lassen das tiefblaue Nass fast bis zu den Liegestühlen reichen, zwei kleine Segelboote treiben auf dem Meer, ein junger Mann in Badeshorts und mit einer Strandliege unter dem Arm blickt gedankenversunken aufs Wasser.

 Tagsüber ein sonniger Hingucker. Hier chillen zwei Kunstfiguren in der züchtigen Bademode von anno dazumal an der Kaimauer.

Tagsüber ein sonniger Hingucker. Hier chillen zwei Kunstfiguren in der züchtigen Bademode von anno dazumal an der Kaimauer.

Foto: Carola Puvogel

Das imposante Bild ist Sehnsuchtsort und Teil der Rhine Side Gallery in Uerdingen, die unter dem Motto "Rheinromantik - made in Krefeld" schon viele begeisternde Blicke auf sich gezogen hat. Liegestühle, jede Menge aufgeschütteter Sand, kleine Gastrostände und ungewöhnliche Stadtansichten verwandeln das mehr als 1400 Quadratmeter große Gelände am Zollhof in eine einzigartige Galerie unter freiem Himmel.

 Wer lugt denn da hinter der Säule hervor: Unspektakuläre Alltagsszenen werden als gemaltes Motiv zum Hingucker.

Wer lugt denn da hinter der Säule hervor: Unspektakuläre Alltagsszenen werden als gemaltes Motiv zum Hingucker.

Foto: Carola Puvogel

Frederike Wouters ist freischaffende Streetartkünstlerin und Kulturmanagerin. Sie hat im Auftrag des Stadtmarketings insgesamt 15 Künstler aus neun Ländern eingeladen, Teil dieses besonderen Kunstprojektes zu sein. Viele der teilnehmenden Künstler waren bereits bei der Wood Art Gallery 2015 in Krefeld dabei. Das Team um Wouters kennt sich gut, die internationale Streetart-Szene ist laut Wouters überschaubar - man kennt sich, man schätzt die Arbeit des anderen und lädt sich gegenseitig zu Festivals und Wettbewerben ein. Ein Gespräch mit der Organisatorin.

 Die Farben der Natur sind eingebunden: Die Lila- und Violetttöne der Blüten und das Grün tauchen auch im gemalten Gesicht wieder auf.

Die Farben der Natur sind eingebunden: Die Lila- und Violetttöne der Blüten und das Grün tauchen auch im gemalten Gesicht wieder auf.

Foto: Carola puvogel

Worauf kam es Ihnen bei der Auswahl der Künstler für die "Rhine Side Gallery" an?

 Feurige Carmen trifft auf Meeresheld: Mediterrane und maritime Motive gehören zur Rhine Side Gallery.

Feurige Carmen trifft auf Meeresheld: Mediterrane und maritime Motive gehören zur Rhine Side Gallery.

Foto: Carola Puvogel

Wouters Da ich gerne mit Künstlern zusammen arbeite, die ich bereits sehr gut kenne, habe ich die Ausschreibung für das Projekt "Rheine Side Gallery" nur an mein Netzwerk geschickt. Wichtig ist mir, dass die Künstler qualitativ gut zusammenpassen und dass sie auch vor Ort gut zusammenarbeiten. Das fängt schon bei der Auswahl der Projektionsflächen an. Ein paar Wände waren anfangs doppelt belegt, hier mussten Künstler Kompromisse eingehen und sich einen anderen Ort suchen. Das hat bisher auch immer gut geklappt. Egozentriker gibt es in unserer Gruppe nicht. Wir sind alle wie eine große Familie, die von Festival zu Festival reist und gemeinsam etwas erleben möchte. Da die Gage nur die Aufwandskosten der Reise deckt, sorge ich dafür, dass es den Künstlern an nichts fehlt. Und da ich selbst Künstlerin bin, kenne ich ihre Bedürfnisse sehr gut.

 Uferansicht: Nicht nur die Kunst, auch das Rheinufer eröffnet hier ganz neue Perspektiven.

Uferansicht: Nicht nur die Kunst, auch das Rheinufer eröffnet hier ganz neue Perspektiven.

Foto: Carola Puvogel

Welche Herausforderungen stellte das Malen an ungewöhnlichen Orten, wie zum Beispiel auf Pflastersteine, Mauern oder Containern?

Wouters Dadurch, dass die Wände bei diesem Areal teilweise sehr hoch gelegen sind, mussten wir Hubwagen verwenden, die erst im zweiten Anlauf richtig funktionierten. Für die Seemannsfamilie von Gregor Wosik beispielsweise musste der Künstler das schmale Mauerstück von sehr viel Gestrüpp befreien - solche Aktionen sind immer Teil unserer Arbeit. Als Ketty Grossi den Erker hier in Uerdingen sah, hatte sie eine Vision, die sich zum Glück mithilfe der Hubwagen umsetzen ließ. So konnte sie ihre Vorstellungen umsetzen.

Sie sind bereits seit mehr als 17 Jahren als Straßenmalerin unterwegs und haben zahlreiche internationale Festivals besucht und viele Preise gewonnen. Hat sich die Straßenmalerei in den vergangenen Jahren verändert?

Wouters Die Straßenkunst und mit ihr das Malen mit Kreide auf Stein wurde in Italien bei den Madonnari-Festivals geboren. Mit Kreide malt heute jedoch fast niemand mehr. Die flüchtige Straßenmalerei hat sich über die Zeit zu einer langlebigen Outdoormalerei mit Acrylfarbe entwickelt. Den stärksten Aufschwung erhält die Street Art derzeit durch die 3D Malerei. Die Darstellungen werden außerdem politischer als früher. Mich beschäftigen aktuell der andauernde Krieg in Syrien und der Klimawandel, und das bringe ich auch in meinen Bildern zum Ausdruck, sie sollen Botschaften transportieren und nicht bloß den Stadtraum attraktiver machen.

Apropos Bezahlung: Können Sie als Künstlerin von der Straßenmalerei leben?

Wouters Mein Hauptverdienst liegt nicht in den Street-Art-Festivals, da fällt die Gage meist sehr niedrig aus. Besser bezahlt sind Auftragsarbeiten, zum Beispiel für Einkaufszentren und Werbekampagnen. Auf Festivals habe ich allerdings sehr mehr künstlerische Freiheiten als bei Auftragsarbeiten. Die 3D-Malerei boomt derzeit und wird auch gut bezahlt. Allerdings sollten Künstler schon darauf achten, dass ihre Kunst nicht für eine reine Plakatwerbung benutzt wird. Das Potenzial der digitalen Illusionsmalerei ist groß. Durch die räumliche Tiefe in der Darstellung wird Kunst hier noch intensiver erlebbar. Hinzukommt, dass sich die Leute gerne in 3D-Kunstwerken fotografieren lassen und sie diesen Moment mitvielen Anderen in den sozialen Netzwerken teilen, was unsere Kunstform noch populärer macht.

Sommer ist Festivalzeit. Welche Street-Art-Festivals sind Ihrer Meinung nach in diesem Jahr besonders attraktiv - abgesehen vom Uerdinger Rheinufer ?

Wouters In meiner Heimatstadt Kevelaer lief am Wochenende das erste von mir initiierte und geleitete Internationale Madonnari-Festival. Im Jubiläumsjahr "375 Jahre Wallfahrt Kevelaer" kamen Straßenmaler aus der ganzen Welt und malten christliche Motive, hauptsächlich Madonnenbilder. Das war absolut einmalig in Deutschland und ein Herzensprojekt von mir, da ich selbst als Madonnari-Künstlerin mit der Straßenmalerei begonnen habe und schon mehrfach im norditalienischen Grazie di Curtatone beim berühmten Madonnari Festival teilgenommen habe. Weniger traditionell geht es am kommenden Wochenende, 26. und 27. August, beim Straßenmal- und Straßenmusikwettbewerb in Geldern zu. Hier bekommt man einen guten Überblick über die Street-Art-Szene. Hier können die Besucher auch wieder viele Künstler treffen, die auch hier bei der Rhine Side Gallery dabei sind.

(RP)
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