Krefeld Erfahrungen an der Schwelle des Todes

Krefeld · Urplötzlich erleidet Ute Horn einen epileptischen Anfall, hat Atemnot und Sprachstörungen. Auslöser dafür ist eine Gefäßanomalie. Über ihre "Erfahrungen an der Schwelle des Todes" schreibt die 60-Jährige in ihrem neuen Buch.

 Ute Horn mit ihrem frisch erschienenen Werk "Als das Leben stehen blieb". Im Hintergrund rechts, auf dem Klavier, sieht man das Bild ihres Gehirns mit dem Kavernom, der gutartigen Gefäßanomalie.

Ute Horn mit ihrem frisch erschienenen Werk "Als das Leben stehen blieb". Im Hintergrund rechts, auf dem Klavier, sieht man das Bild ihres Gehirns mit dem Kavernom, der gutartigen Gefäßanomalie.

Foto: Thomas Lammertz

Auch Ärzte können von Krankheiten überrascht werden - zumal, wenn es ihre eigenen sind. Ute Horn weiß das aus eigener Erfahrung. Die Fachärztin für Dermatologie musste sich vor zwei Jahren einer lebensbedrohlichen Kopfoperation unterziehen, deren Vorboten sie vier Jahre lang erfolgreich verdrängt hatte. Über ihre Erfahrungen an der Schwelle des Todes schreibt sie in dem Buch "Als das Leben stehen blieb", das jetzt im SCM-Verlag erschienen ist.

"Dass ich krank sein könnte, war für mich nicht denkbar. Ich weiß noch, dass ich einmal, als ich kurzzeitige Lähmungserscheinungen in meinem linken Arm und meinem linken Bein hatte, dachte: ,Du bist zu jung für einen Schlaganfall'. Dann waren die Lähmungen aber auch schon wieder weg und ich habe weiter Kartoffeln geschält", erinnert sich die 60-Jährige.

Am 10. Juni 2012 jedoch lassen sich die Beschwerden nicht mehr klein reden. Es ist ein Sonntag, und Ute Horn hatte ein turbulentes Wochenende mit den niederländischen Fußball-Freunden ihres Sohnes erlebt. Als sie einen dieser Freunde nachmittags verabschieden will, kann sie die Worte nicht aussprechen. Dann schnappt sie nach Luft, ihre linke Gesichtshälfte zuckt unkontrolliert. Ihr Mann, Leitender Oberarzt für Dermatologie am Helios Klinikum, versucht, ihren Blutdruck zu messen. Ohne Erfolg. Er ruft den Notarzt. Mit Blaulicht wird Ute Horn ins Klinikum gebracht und kommt auf die Intensivstation. Ihr Blutdruck liegt bei über 300. Die Untersuchungen ergeben: Die siebenfache Mutter hat ein Kavernom, eine gutartige Gefäßanomalie, in die es seit vier Jahren immer wieder einblutet. Eine Operation ist notwendig. Sechs Stunden soll sie dauern - mit ungewissem Ausgang. "Es hätte alles passieren können. Ich hätte sterben können, gelähmt bleiben oder meine Persönlichkeit verändern können. Die Situation machte uns allen große Angst", erinnert sich die Autorin von zwölf Büchern.

Sie beschließt, vor der Operation Einzel-Gespräche mit ihren Kindern zu führen, die zu dem Zeitpunkt zwischen 17 und 29 Jahre alt sind. "Ich habe in meiner aktiven Zeit als Fachärztin oft erlebt, wie schwierig es für Sterbende und ihre Angehörigen ist, mit diesem Thema umzugehen. Oft bleibt vieles unausgesprochen. Das wollte ich vermeiden. Deshalb bat ich die Kinder, sich Fragen zu überlegen, die sie mir vor der OP noch stellen möchten. Ich wollte auch wissen, wie sie die gemeinsame Zeit mit mir als Mutter erlebt hatten. Ob es noch offene Rechnungen gab, über die wir sprechen mussten."

In ihrem Buch widmet Ute Horn jedem Mutter-Kind-Gespräch ein Kapitel. Es sind besondere Erinnerungen, die die Familie noch enger zusammen geschweißt haben. Die Fragen der Kinder sind so verschieden wie ihre Persönlichkeiten. "Mama, wovor hast Du Angst?", fragt ein Sohn. Ein anderer will wissen, was die Mutter gerne ändern würde, falls sie nach der OP gesund aufwacht. Die einzige Tochter hat so viel Angst, die Mutter zu verlieren, dass sie sich über andere Sachen keine Gedanken machen kann.

Ute Horn: "Mit dem Buch, das eigentlich ein Gemeinschaftsprodukt ist, wollen wir anderen Menschen Mut machen, auch Krisen eine positive Seite abzugewinnen, und das Gespräch mit den Angehörigen zu suchen. Selbst wenn ich gestorben wäre, bliebe diese intensive gemeinsame Zeit meiner Familie für immer im Gedächtnis. Somit war die Krankheit auch ein Geschenk."

(RP)
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