Ulrich Hahnen "Es geht nicht ohne Steuererhöhung"

Krefeld · SPD-Fraktionschef Ulrich Hahnen spricht im Interview vor der Kommunalwahl über die Ziele der SPD und den politischen Gegner.

 SPD-Fraktionschef Ulrich Hahnen - "Natürlich machen die anderen auch Sachen richtig."

SPD-Fraktionschef Ulrich Hahnen - "Natürlich machen die anderen auch Sachen richtig."

Foto: Thomas Lammertz

Herr Hahnen, Sie haben die Sparliste gesehen, mit der Krefeld sein 50-Millionen-Euro-Loch stopfen will. Haben Sie für sich schon Punkte gefunden, bei denen Sie zustimmen?

Ulrich Hahnen Nein, das sicherlich nicht. Das ist auch keine Sparliste, sondern eine Kahlschlagliste. Man liest viel wirres Zeug. Die Einsparungen werden an anderer Stelle für Mehrkosten sorgen, nicht immer sofort, aber mit Verzögerung. Wir haben aber immer gesagt, dass wir ohne Einnahmeverbesserung beispielsweise über Gewerbesteuern keine Möglichkeit haben, 50 Millionen einzusparen. Dabei bleibe ich.

Sie tun so, als seien die Sparvorschläge schon fix: Dabei handelt es sich ja um eine Prüfliste.

Hahnen Wir haben genau wie die Grünen mehrfach Versuche unternommen, Auskünfte über die Sparideen zu erhalten und zu diskutieren. Ich habe mehrfach gesagt: Wir Sozialdemokraten sind bereit, auch in 2014 schon Einsparungen vorzunehmen, auch unangenehme Entscheidungen zu treffen. Das ist von der CDU abgelehnt worden. Mit der Folge, dass wir 2014 durch Nichthandeln sehenden Auges 50 Millionen Euro Defizit einfahren werden, um dann nach der Wahl einen Weg zu finden. Meine Devise lautet: Die Einsparungen müssen sozialverträglich sein, Zukunftsthemen wie Jugend und Familie müssen außen vor bleiben. Dann wird man noch genügend Einsparmöglichkeiten finden, zum Beispiel Doppelstrukturen abbauen.

Sie sprechen von wirren Sparvorschlägen - der Gedanke, Straßennamen zu verkaufen, wurde in Krefeld zuletzt kontrovers diskutiert. Wie man unlängst lesen konnte, liegt Krefeld damit aber sogar im Trend: In Rom wird darüber nachgedacht, die Namensrechte der U-Bahn-Stationen zu verkaufen.

Hahnen Es gibt einen Unterschied zwischen den Metro-Stationen und den Krefelder Vorschlägen. Ich bin zwar großer Freund des Mäzenatentums, das hat unserer Stadt oft geholfen. Wenn aber reiche Leute sich durch Straßennamen verewigen wollen, halte ich das für abwegig.

Seit 20 Jahren wird Krefeld CDU-regiert - woran hat es gelegen, dass die SPD nie an die Regierung kam: Betonen Sie im Wahlkampf das Soziale zu viel oder zu wenig?

Hahnen Wenn ich das beantworten könnte, hätte ich vielleicht früher andere Schwerpunkte gesetzt. Krefeld ist traditionell durch niedrige Wahlbeteiligungen bei Kommunalwahlen eher eine Stadt, in der die CDU größere Chancen hat. Bei Bundestagswahlen und Landtagswahlen ist das anders. Man darf nicht vergessen: Von 1999 an hat die CDU in Krefeld 20 Prozent verloren. Die sind leider nicht alle bei uns angekommen. Es sind viele nicht mehr wählen gegangen.

Wird das Thema Haushalt der SPD in die Karten spielen?

Hahnen Wir haben 20 Jahre lang eine Haushaltssanierungspolitik durch die CDU gehabt und sind im Nothaushalt gelandet.

Wenn man sich aber die jüngere Entwicklung der Sparpolitik anschaut, kann man doch in Krefeld eigentlich bilanzieren, dass ohne den politischen Druck von CDU, FDP und UWG wieder nur Haushaltssanierung durch Steuererhöhung betrieben würde - erst der Druck der bürgerlichen Mehrheit, auch in der Verwaltung zu sparen, hat doch Kräfte freigesetzt.

Hahnen Ich glaube wirklich, dass man bei einem Loch von 50 Millionen Euro nur durch Sparen keine Null erreichen wird. Es geht nicht ohne Steuererhöhungen. Wir werden aber auch Einnahmeverbesserung nicht nur durch die Steuerschraube regeln können. Seit Jahren führen wir die Diskussion, dass Planungsgewinne nicht bei Privaten landen dürfen, sondern bei der Stadt. Die Stadt ist es, die aus Ackerland Bauland macht, also muss sie auch an den Planungsgewinnen partizipieren. Das ging in Krefeld aber an die Privaten. Das beste Beispiel ist Fischeln: Dort hat die Wohnstätte Flächen im Bereich Fischeln-Südwest. Stattdessen hat die CDU durchgesetzt, dass zuerst Fischeln Süd an der Kütterheide bebaut wird - das Ackerland gehörte bekanntlich zu dem Wirkungskreis des Schwagers des ehemaligen CDU-Fraktionschefs Wilfrid Fabel.

Es fällt auf, dass bei den großen, sagen wir es hochtrabend, staatstragenden Themen die SPD immer mitgestimmt hat - Beispiel: Flächennutzungsplan, Beispiel: Innenstadtentwicklung, Beispiel: König-Palast.

Hahnen Wir sind gewählt worden, um zum Wohle Krefelds, der Bürgerinnen und Bürger, zu entscheiden. Deshalb müssen große Themen von den großen Parteien möglichst gemeinsam verabschiedet werden. Die Innenstadtentwicklung habe ich mir schon im 2004er-Wahlkampf auf die Fahnen geschrieben und voran gebracht. Auch ein langfristiges Thema wie die Flächenentwicklung kann man nicht schnell entscheiden, sondern in langer Linie.

Sie sind jetzt Landtagsabgeordneter und Fraktionschef. Lassen sich beide Ämter unter einen Hut bringen?

Hahnen Sogar sehr gut. Ich habe jede Woche in Düsseldorf eine Fraktionssitzung, bei der die Ministerpräsidentin und die Minister anwesend sind. Da kann man auf kurzem Dienstweg vieles für Krefeld erreichen. Das hätte ich vorher so nie geglaubt. Alle wissen in Düsseldorf, der Hahnen redet über Dinge, die er kennt. Und der Typ ist der Kümmerer für Krefeld. Man darf nicht vergessen: Altersbedingt habe ich eine Freiheit: Weil ich in Düsseldorf nichts mehr werden will, kann ich nicht zu Dingen gedrückt werden, zu denen ich nicht stehe.

Zur nächsten Oberbürgermeisterwahl tritt für die Krefelder SPD nicht Ulrich Hahnen an, sondern Frank Meyer. Das muss Sie schmerzen.

Hahnen Überhaupt nicht. Diese Entscheidung habe ich schon nach der vergangenen Kommunalwahl getroffen. Bei der Oberbürgermeisterwahl 2015 bin ich 63 Jahre alt. Das ist kein Alter, in dem man nach meinem Verständnis erstmals Oberbürgermeister werden sollte. Der ehemalige Parteivorsitzende, Bernd Scheelen und ich als Fraktionschef glauben, dass wir mit Frank Meyer einen Kandidaten gefunden haben, der nicht nur eine Verwaltung führen kann - er hat Verwaltungsmanagement studiert -, wir glauben auch, dass er das Herz der Menschen erreicht.

Werden Sie nach der Kommunalwahl Fraktionschef bleiben? Den Oberbürgermeister-Kandidaten Meyer könnten Sie besser in Stellung bringen, wenn er nach der Kommunalwahl als Fraktionschef noch mehr politisches Gewicht bekäme.

Hahnen Ich würde gerne nach der Wahl wieder Fraktionschef werden - doch das das entscheidet die Fraktion in geheimer Wahl. Frank Meyer soll wieder Bürgermeister werden. Man ist als Bürgermeister deutlich mehr in der Öffentlichkeit als der Fraktionschef. Man hat so viel mehr die Aufgabe des Vertreters des Oberbürgermeisters. Der Fraktionschef hat mehr die Arbeit der internen Repräsentation und der sehr pointierten Diskussion in Sitzungen.

Mögen Sie diese Rolle?

Hahnen Sagen wir es mal so: Ich empfinde mich nicht als Kind von Traurigkeit. Spaß macht mir nicht das Draufhauen, aber das pointierte Diskutieren bis an die Grenze. Aber niemals beleidigend, hoffe ich.

Gibt es Themen, bei denen Sie die anderen loben - Kathstede, die CDU? Jetzt sagen Sie aber nicht: "Flächennutzungsplan" - den haben sie gemeinsam entschieden.

Hahnen Natürlich machen die anderen auch Sachen richtig. Im Stadtrat ist es ohnehin so, dass 90 Prozent der Entscheidungen gemeinsam getroffen werden, Bebauungspläne zum Beispiel, immer zum Wohle der Stadt. Aber die 10 Prozent, die diskutiert werden, sind besonders spannend, weil kontrovers. Zwischenmenschlich gibt es aber auch bei der CDU gute Verbindungen.

Zum Beispiel zu wem?

Hahnen Zum CDU-Parteichef Blondin habe ich einen guten Draht. Mit dem duze ich mich seit 15 Jahren, ebenso wie mit Peter Kaiser, der bei Wahlen mein Gegenkandidat war. Auch Karin Meincke treffe ich oft.

Zum ehemaligen CDU-Chef Wilfrid Fabel haben Sie eine seltsame Beziehung - Sie duzen sich, und doch wirkt es in Sitzungen, als seien Sie sich spinnefeind.

Hahnen Ich schätze Herrn Fabel als einen verlässlichen Pol in der CDU-Fraktion.

Applaudiert haben Sie dennoch nicht in der jüngsten Ratssitzung, als er verabschiedet wurde.

Hahnen Ich habe bei keinem applaudiert, auch nicht bei Kollegen der eigenen Fraktion - es war für mich nicht der Zeitpunkt, wo man applaudieren musste. Wir sind in einer laufenden Ratsperiode. Ich werde meine Wertschätzung für ausscheidende Ratsmitglieder persönlich und in Form von Briefen äußern, wenn die Periode zu Ende ist.

Wie kommt es eigentlich, dass Sie sich mit Fabel duzen?

Hahnen Das kommt noch aus Zeiten, als die Krefelder Stadtwerke die damalige RWE Umwelt West, heute EGN, gekauft haben. Da waren Herr Fabel und ich für die großen Fraktionen die maßgeblichen politischen Begleiter. Herr Cirener und Herr Steinkamp waren die Vertreter der SWK. Ich habe mich mit Cirener und Steinkamp geduzt, Fabel sich ebenfalls mit beiden. Irgendwann nach einem Bier, bei dem wir den Kauf beschlossen hatten, hat Cirener gesagt: Alle duzen sich hier, nur Wilfrid und Uli, ihr nicht. Er hat dann ein Glas Sekt auf seine Kosten bestellt und gesagt, dass wir uns duzen sollen. Da haben wir beide nicht Nein gesagt. Ich kenne Fabel ja auch schon ewig lange, als jungen Mann, sein Vater war ja SPD-Stadtdirektor. Ein guter übrigens. Er hat nur einen Fehler gemacht: Seinen Sohn politisch falsch erzogen.

Zu Ihnen persönlich: Sie haben eine Krebserkrankung hinter sich. Wie geht es Ihnen? Was hat die Krankheit aus Ihnen gemacht?

Hahnen Es geht mir Gott sei Dank sehr gut, man lebt gedanklich jetzt viel bewusster. Aber die Erkrankung hat mir die Endlichkeit des Lebens aufgezeigt. Man denkt jetzt noch bewusster über Familie und Freundschaft nach.

SEBASTIAN PETERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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