Kolumne Kr Wie Krefeld "Fall Adnan" - Angriff auf den Rat und warum das nicht passieren darf

Krefeld · Der Abbruch der Ratssitzung war keine Sternstunde - daran dürfen wir uns nicht gewöhnen. Die Abschiebung Adnans bleibt eine menschliche Tragödie.

Bei allem Verständnis für die bedrückende Lage von Adnan, der nach 30 Jahren Leben in Deutschland in ein ihm fremdes Land abgeschoben wurde: Der Eklat im Rat mit dem Abbruch der Sitzung ist eine Niederlage für die Demokratie. Gewählte Vertreter dürfen nicht bei ihrer Arbeit behindert werden - das ist nie nur eine Formalie. Schändlich war die Art, wie einige Demonstranten Gregor Kathstede als Rassisten verunglimpft haben. Diese Art, ein Problem auf eine Person zu fokussieren, liegt leider im Trend: Personalisierung, Emotionalisierung, Skandalisierung - die Empörungsbereitschaft sucht sich griffige Angriffsziele. Das hätte auch schlimmer ausgehen können.

Der mehrheitliche verabschiedete Appell des Rates an Kathstede war ein seltsames Manöver. Die Grünen etwa räumen unumwunden ein, es sei absehbar gewesen, dass der Appell, Adnans Abschiebung zu verhindern, "keine Rechtswirkung entfalten würde"; dennoch sei es wichtig gewesen, ein deutliches politisches Signal zu setzen, in dem sich der große öffentliche Protest abbilde. Was da harmlos als basisdemokratische Geste daherkommt, ist ein Stich mit dem Giftstachel: Was ist das bitteschön für ein Signal, das Kathstede wissentlich zum Rechtsbruch auffordert? Die Appellierenden enttarnen ihren Appell als Finte. Faktisch hat sich die Politik damit einen schlanken Fuß gemacht - und der Mann, der gesetzestreu handeln muss, stand allein. Ob die Oberbürgermeisterkandidaten im Rat - Thorsten Hansen (Grüne) und Frank Meyer (SPD) - wissen, was sie gesehen haben? Wenn einer von beiden einmal auf Kathstedes Stuhl sitzen sollte - glauben sie, dass sie immer "everybody's darling" bleiben? Es kommt immer der Tag, an dem ein Oberbürgermeister 1000 Mann gegen sich hat, weil er ein hässlich anmutendes Gesetz durchsetzen muss. Dem Druck standzuhalten verlangt sein Amt - und wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass dann ein Rat niedergebrüllt und die Hatz auf Verwaltungsleute einsetzt.

Die Abschiebung von Adnan bleibt eine Tragödie. Er kam als halbes Kind zu uns und muss nun als Erwachsener dafür büßen. Vielleicht muss sich die Ausländerrechtliche Beratungskommission auch einmal fragen lassen, ob sie Mitschuld daran trägt, dass Adnan die letzte Goldene Brücke nicht angenommen hat und Türke wurde. In der entscheidenden Minute im türkischen Konsulat überwog bei ihm das Misstrauen in deutsche Behörden - die Frage ist, inwieweit die Kommission dieses Misstrauen geschürt und verhindert hat, dass Adnan pragmatisch handelte.

Die Behauptung vom Grünen-Ratsherrn Hansen, das Krefelder Ausländeramt sei besonders restriktiv, bleibt Behauptung: Gibt man bei Google "Kritik am Ausländeramt" ein, bekommt man 26 000 Einträge mit Geschichten aus der ganzen Republik. Landauf, landab wühlt dieses Recht die Menschen auf; daraus ein Krefelder Problem zu machen, ist einstweilen nicht mehr als ein übelwollendes Gerücht. Unser Ausländerrecht bietet offenbar keine leichten Wege, Menschen wie Adnan, die hier faktisch zu Hause sind, auch rechtlich eine Heimat zu geben. Dieses himmelschreiende Problem muss man aber in Berlin abladen, nicht im Krefelder Rathaus.

(RP)
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