Krefeld Fall Adnan — die Verwaltung wehrt sich

Krefeld · Neue Fakten im Fall Adnan: Er hatte schon 2014 mündlich vor Gericht und schriftlich von der Verwaltung die Zusicherung bekommen, dauerhaft in Krefeld bleiben zu dürfen, wenn er den türkischen Pass annimmt. Dies teilte am Donnerstag die Verwaltung in einem Pressegespräch mit. Sie sieht sich zu Unrecht mit Vorwürfen überzogen, nicht genug für den Verbleib Adnans getan zu haben.

"Fall Adnan": Leserreaktionen nach der Abschiebung
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Foto: Familie von Adnan

Dezernent Ulrich Cyprian sprach von "Beleidigungen", von "Schmutz, der geworfen wurde", von "Vorhaltungen ungerechtfertigter Art" und "schlimmen Dingen, die über Mitarbeiter der Stadtverwaltung gesagt wurden": Gemeint war die Kritik, die auf die Ausländerbehörde wegen der Abschiebung Adnans niedergeprasselt ist. Nun hat die Verwaltung noch einmal die Historie des Falles erläutert. Demnach ergibt sich das Bild eines Mannes, der nicht über seinen Schatten springen konnte und die türkische Staatsangehörigkeit annahm, um sein Leben rechtlich zu regeln.

Krefeld: 200 Menschen demonstrieren gegen Abschiebung von Adnan C.
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Zudem gerät die Ausländerrechtliche Beratungskommission ins Zwielicht: Sie war nach Darstellung der Verwaltung über alles informiert, hatte volle Akteineinsicht und hat doch — so der Vorwurf — Dinge, die ihr nicht passten, ausgeblendet. Zu dem Vorwurf des katholischen Pfarrers Albert Koolen, er habe in 28-jährigem Engagement die Ausländerbehörde stets als überhart erlebt, erwiderte Amtsleiter Georg Lieser: "Mir behagt es nicht, dass Pfarrer Koolen eine solche Legende aufgreift und befeuert."

Neue Fakten werfen ein neues Licht auf den Fall. Die wichtigsten Punkte: Sogar Adnan C.'s Anwalt hat nach Darstellung der Verwaltung eingeräumt, dass das türkische Geburtsregister, das Adnan als Türke ausweist, wohl tatsächlich den in Krefeld lebenden Adnan meint. Die in Berlin lebenden Brüder Adnans sind alle unter dem Namen Cetin registriert (Adnan sagt bis heute, er heiße Harb) und haben wie Adnan keinen Aufenthaltstitel.

Die Namensdifferenz hat laut Ausländerbehörde eine einfache Erklärung: Die in der Türkei lebenden Kurden hätten vom türkischen Staat türkische Namen wie "Cetin" zugewiesen bekommen — die Kurden aber hätten ihre arabisch-libanesischen Namen im Alltag beibehalten. Das hat historische Gründe: Die Kurden waren in der Türkei eine verfolgte Minderheit; es gab bekanntlich einen jahrelangen blutigen Bürgerkrieg; der türkische Staat war verhasst bei den Kurden.

Das Dilemma der Kurden, sich als libanesisch-arabische Kurden zu fühlen und doch mit einer ungeliebten türkischen Staatsangehörigkeit leben zu müssen, ist laut Ausländerbehörde auch nie strittig gewesen. Für die Klärung der Aufenthaltsrechte aber sei nun einmal die Staatsangehörigkeit entscheidend — und die sei im Fall Adnans türkischen Ursprungs. Adnan sei sogar bedeutet worden, dass — so formulierte es ein Mitarbeiter — niemand von ihm verlange, die türkische Nationalhymne zu singen; er brauche den türkischen Pass lediglich, um seine Aufenthaltstitel zu bekommen; danach könne er ihn in die Schublade legen und privat weiter den Namen Harb nutzen.

Die Identität von ihm und seiner Familie ist nach Darstellung der Verwaltung in einem jahrelangen, aufwendigen Prozess geklärt worden. Er habe Ende der 90-er Jahre begonnen und sei 2006 geendet — mit der Überzeugung, dass Adnan staatsrechtlich ein Türke sei. Zu den Nachforschungen gehörten unter anderem Interviews mit Familienangehörigen wie Brüdern oder der Mutter, bis der Stammbaum der Familie rekonstruiert worden sei.

Adnan gehört demnach zu einer kurdischen Familie, deren Identitätsgefühl tatsächlich arabisch-libanesisch geprägt sei. "Das haben wir nie in Abrede gestellt", betonte ein Mitarbeiter der Behörde. Unstrittig sei auch, dass Adnans Familie nicht nur in der Türkei siedelte, sondern auch im Libanon. Dennoch: Adnan sei 1984 von seinem Vater in der Türkei als gebürtiger Türke nachregistriert worden.

Daraus erklärten sich auch Seltsamkeiten in der Liste wie gleiche Geburtstage für mehrere Geschwister — dies sei bei Nachregistrierungen so üblich gewesen. Auch der Umstand, dass ein Fingerabdruck in der Liste nicht untersucht worden sei, habe eine einfache Erklärung: Es sei der des Vaters von Adnan — als eine Art Beglaubigung der Registrierung. Zuletzt hatten die Grünen im RP-Interview kritisiert, dass dieser Fingerabdruck nicht mit denen Adnans abgeglichen worden sei, und damit den Verdacht nahegelegt, hier sei von der Verwaltung eine Chance vertan worden, Adnans wahre Identität zu klären.

Entscheidend ist: Im Zuge des Verwaltungsgerichtsverfahrens im vergangenen Jahr ist vor Gericht gegenüber Adnan ausführlich vom Richter und von Vertretern der Ausländerbehörde erläutert worden, dass Adnan mit einem türkischen Pass einen sicheren Aufenthaltstitel bekäme — ihm sei auch erklärt worden, dass er damit seinen Kindern eine sichere Zukunft mit Pässen verschaffen könne. Das Ganze sei ihm auch schriftlich zugegangen.

Das ist ein wichtiger Punkt: Die Unterstützer Adnans aus der Ausländerrechtlichen Beratungskommission hatten es immer so dargestellt, dass es zu einem dramatischen Gespräch im türkischen Konsulat gekommen sei, bei dem Adnan das Angebot erhalten habe, bei Annahme der türkischen Identität die ersehnte Aufenthaltserlaubnis zu bekommen; Adnan habe aber in letzter Sekunde abgelehnt, weil man ihm keine schriftliche Zusicherung geben wollte. Laut Verwaltung hat er diese Zusicherung zu diesem Zeitpunkt längst gehabt — als Frucht jenes Gerichtsverfahrens.

Die Verwaltungsmitarbeiter zeigten sich gestern empört, dass man ihnen unterstellt, sie hätten systematisch auf die Abschiebung Adnans zugearbeitet; das Gegenteil sei richtig. Am Ende hätten Adnans Aversionen gegen einen türkischen Pass überwogen. Das Ausländeramt habe dann keine andere Chance gehabt als abzuschieben; einen Ermessensspielraum habe es, anders als immer wieder behauptet, nicht mehr gegeben; die Rechtsfolge Abschiebung sei zwingend gewesen. Der Leiter des Ausländeramtes, Georg Lieser, warf den Unterstützern Adnans "Realitätsverleugnung" vor: "Man wollte bestimmte Dinge nicht hören, Aspekte, die nicht der eigenen Meinung entsprachen, werden ausgeblendet."

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