Krefeld Flachsmarkt lädt zum Mitmachen ein

Krefeld · Kinder stehen auf dem Flachsmarkt immer mehr im Mittelpunkt. Die Jungen und Mädchen gegen auf Entdeckungstour

 Die Ritter reiten auf den Turnierplatz und stellen sich dem Publikum vor.

Die Ritter reiten auf den Turnierplatz und stellen sich dem Publikum vor.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Durch die gepflasterten Straßen des für den Flachsmarkt festlich geschmückten Burgstädtchens Linn zwängte sich die von drei parallel geschirrten Kaltblütern gezogene Postkutsche aus der münsterländischen Stadt Quakenbrück. Der angestrengt in sein Smartphone sprechende Kutscher machte auf diese Weise sichtbar, dass die über 300 Aussteller umfassende Vorführung mittelalterlichen Handwerks gerade deshalb auf die vielen Besucher rund um die Linner Burg ihren Reiz ausübt, weil sich hier die handwerklichen Abläufe noch genau verfolgen lassen, ohne im Dickicht einer elektronischen Software verborgen zu bleiben.

Wer den Flachsmarkt über den Eingang am kleinen Lindenberg betrat, kam an Günter Gall nicht vorbei, einem der mittelalterlichen Musikanten, die die Arbeitsgemeinschaft Flachsmarkt immer wieder fest abonniert. Vorsichtshalber hatte er Frau, Schwester und Schwägerin als Claqueure verpflichtet, aber diese Maßnahme erwies sich als übertrieben. Der erfahrene Bänkelsänger brachte mit seiner in niederrheinischem Platt gesungenen "Siegfried Saga" einen echten Hit. Zumindest der Refrain von "Siechfried wor jo völl zu fuul ze liere, det mer drinke un poussiere..." fand viele Mitsänger, obwohl Gall pessimistisch in die Zukunft sieht, was die alten plattdeutschen Lieder angeht: "Heute wird wieder viel gesungen, es gibt jede Menge neuer Liedermacher, aber niemand spricht mehr Platt."

Der Flachsmarkt wird immer stärker zum Mitmachmarkt, besonders für Kinder. Bei dem Linner Keramiker Klaus-Peter Noever hatten bis zum Sonntagmittag an die 70 Kinder kleine Kunstwerke aus Ton geschaffen, die nun in der Sonne trockneten, bevor die kleinen Künstler sie abholen konnten. Ähnlich belagert war der Seifensieder-Stand, an dem Kinder kleine Seifenkugeln drehen konnten oder die erstmalig auftretende Malschule Gebert. Tischler Erich Spreng gab Kindern Schürze und Schutzbrille und ließ sie Kugelschreiber, Salzstreuer oder Kerzenständer drechseln, schleifen und wachsen. Diese und viele andere kreative Mitmach-Möglichkeiten bietet der Flachsmarkt und entwickelt sich immer mehr zu einem Dorado für Familien. Das weiträumige Gelände zwischen dem Andreasmarkt im Ortskern und um die Burg herum lässt auch bei starkem Besucherandrang nicht so schnell das Gefühl der Enge aufkommen.

Nicht nur von Kindern wurden die Stelzenmacher der Linner Burggarde umlagert. Auch mancher Erwachsene wollte einmal sein Gleichgewichtsgefühl austesten.

Mit Zinkwanne, Kernseife, Waschbrett, Wringmaschine und auf eine Wäscheleine aufgehängter alter wollener Unterwäsche demonstrierten die Damen des Heimatvereins Twist, was früher ein Waschtag bedeutete. Viele Kinder waren fasziniert und rubbelten Wäschestücke auf dem Waschbrett, was das Zeug hielt.

Auch für die Großen gibt es interessante Stände; so der der Böttcherei Messerschmidt. Inhaber Denis Merten restauriert Fässer, Holzeimer, Zuber und Gillen für Museen. Für die Weinherstellung liefert er Fässer, wobei die großen bis zu 4000 Liter fassenden Holzfässer allein der Lagerung dienen. Die kleineren Barrique-Fässer dienen der Veredelung des Weins. Nach vier Jahren hat das Holz sein Tannin an den Wein abgegeben und muss dann durch ein neues Fass aus amerikanischer Eiche ersetzt werden. Wer genau hinschaut, kann viele Handwerke neu entdecken, zum Beispiel das des Barbiers. Aart van Egteren aus dem niederländischen Wapenfeld führt sein scharfes Barbiermesser konzentriert am Halse eines Kunden entlang, der sich in seiner Ruhehaltung durch den kunstvoll gezwirbelten Bart des Meisters nicht ablenken lässt.

Torsten Haag vom Weimarer Atelier Pinkuin färbt seine Hutkreationen mit Naturfarben. Zum Beizen nimmt er Alaun, zum Umfärben Eisensulfat. Für die verschiedenen Farbtöne verwendet er Reseda, Birkenblätter, Zwiebel, Orleansaat, Sanelholz, Chonaille, Alkana und Faulbaumrinde.

Wer sich Zeit nahm, konnte bei den Handwerkern viele interessante Entdeckungen machen. Flachsmarkt-Vorstand Harald Köhnen kann entspannt über den Markt schauen: "Heute ist Flachsmarkt-Wetter. Gestern hatten wir 10 000 Besucher, heute sind es mehr als doppelt so viele. Wenn der morgige Tag regenfrei bleibt, dann hat sich der Markt für Aussteller, Gastronomen und Besucher einmal mehr gelohnt."

(oes)
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