Krefeld Flüchtlinge begleiten Proben für ein Stück über Flüchtlinge

Krefeld · Das Theater Krefeld und Mönchengladbach bereitet sich auf die Premiere von "Kein schöner Land" am 28. Mai vor.

 Am langen Tisch herrscht buntes Treiben. Bis zu 40 Personen kommen manchmal zusammen, Sätze in Arabisch, Deutsch, Englisch, Farsi und mehreren afrikanischen Sprachen schwirren durch die Luft.

Am langen Tisch herrscht buntes Treiben. Bis zu 40 Personen kommen manchmal zusammen, Sätze in Arabisch, Deutsch, Englisch, Farsi und mehreren afrikanischen Sprachen schwirren durch die Luft.

Foto: Thomas Lammertz

Vor einem Jahr beschloss man am Theater Krefeld und Mönchengladbach, sich mit einem eigenen, neuen Stück in das Stimmengewirr der so genannten Flüchtlingsdebatte einzumischen, und seit Anfang April wird nun an diesem Stück geprobt.

Von der ursprünglichen Idee, möglichst viele Migranten als Darsteller auf die Bühne zu bringen, hatte man zwar schnell wieder Abstand genommen und deren Szenen alle dem Schauspieler Jubril Sulaimon übertragen, dessen Flucht aus dem Sudan bereits 25 Jahre zurückliegt. Doch wollte man keineswegs als Schauspielensemble unter sich bleiben und funktionierte kurzerhand das sonst nur einmal für jede Produktion stattfindende Frühstück in eine Dauereinrichtung um. Seit Anfang April treffen sich die Theaterprofis morgens um zehn in der Fabrik Heeder mit Flüchtlingen, die in Krefeld leben. Zusammen mit dem Willkommenscafé "Sarah" der Bürgerinitiative "Rund um St. Josef" und mit Unterstützung der Bäckerei Ullrich und der "Gesellschaft der Freunde des Krefelder Theaters e.V." wird ein Frühstück ausgerichtet, und wer will, kann anschließend bei den Proben mit dabeibleiben. "Das hilft uns ungeheuer, jede Sekunde ein ganz klares Bewusstsein davon zu haben, was wir hier eigentlich tun", erzählt Schauspieldirektor Matthias Gehrt, der die Inszenierung besorgt.

Am langen Tisch herrscht buntes Treiben. Bis zu 40 Personen kommen manchmal zusammen, Sätze in Arabisch, Deutsch, Englisch, Farsi und mehreren afrikanischen Sprachen schwirren durch die Luft, und wo das nicht reicht, helfen Mimik und Gestik und notfalls einer, der übersetzen kann. Das macht besonders gut ein Palästinenser. Aufs deutsche Brötchen kommen zwar auch süße Marmelade und Holländer Käse - davor hat auch ein Afghane keine Angst - aber auch exotische Aufstriche wie pikantes Hummus, begleitet von Fachsimpeleien, welches in Krefeld erhältliche Hummus man den Einheimischen am Tisch besonders empfehlen könnte. Dahinein mischen sich die neuesten Nachrichten aus Aleppo. Am Tisch sitzt auch ein Vater mit seiner Familie, der vor einem Jahr in dieser Stadt noch als Kameramann tätig war. Aber viel spricht man nicht über die Ereignisse zuhause, über die Erlebnisse im Krieg und auf der Flucht, berichtet höchstens, dass man seine Lieben gestern noch über Handy hat sprechen können. Man genießt vielmehr mit verhaltener Freude, dass man hier so scheinbar selbstverständlich friedlich miteinander bei Tisch sitzen und über Banalitäten schwatzen kann. Wer woher kommt und welchen Namen er trägt, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Man setzt sich dazu und steht wieder auf, als sei man schon ewig eine Gemeinde. "Wenn die Probe beginnt", so erzählt Gehrt, "weicht die Zwanglosigkeit allerdings höchster Konzentration, und das nicht nur bei den Profis. Die Flüchtlinge verfolgen ganz genau, wie ihre Sache bei uns dargestellt wird. Als Jubril Sulaimon einmal die Probe verlassen musste, sprang einer der Syrer ein und spielte den mimischen Teil haargenau nach, nur der Text fehlte."

Sulaimon, der mit seiner Familie in Dortmund lebt, wollte eigentlich keine Asylanten-Figuren mehr spielen. "Aber bei dieser Sache hier musste ich einfach mitmachen, noch einmal Botschafter sein für die Menschen, die neu nach Deutschland kommen", sagt der gut beschäftigte Mime. "Das Gefühl des Fremdseins verlässt einen im Exil nämlich niemals, auch dann nicht, wenn es einem gut geht. Die Menschen in Deutschland sind in so vielen Dingen so fortschrittlich. Sie sollten auch lernen, dass man Leute, die von Problemen betroffen sind, nicht außen vor halten darf. Das klappt sowieso nicht. Man muss gemeinsam mit ihnen die Probleme bei der Wurzel packen und lösen."

Premiere: 28. Mai, 19.30 Uhr, weitere Termine: 3.,10.,12., und 21. Juni jeweils um 19.30 Uhr sowie am 9. Juli ab 18 Uhr. Kartentelefon 0 21 51 805125

(RP)
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