Krefeld Flüchtlinge - Zielke übt harte Kritik am Land

Krefeld · Die Stadtdirektorin nimmt kein Blatt vor den Mund: Art und Abläufe, wie das Land Flüchtlinge auf die Kommunen verteilt, seien "sehr unorganisiert"; die Stadt muss auch medizinische Betreuung im Kampf gegen TBC übernehmen.

 Blick ins Innere der Glockenspitzhalle: Letzte Handgriffe, bevor insgesamt 150 Menschen dort für eine Übergangszeit Unterkunft finden.

Blick ins Innere der Glockenspitzhalle: Letzte Handgriffe, bevor insgesamt 150 Menschen dort für eine Übergangszeit Unterkunft finden.

Foto: Lothar Strücken

Krefelds Stadtdirektorin Beate Zielke hat dem Land NRW Mängel bei Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen vorgeworfen: Die Abläufe seien "sehr unorganisiert", sagte sie gestern im RP-Gespräch, "die Erstaufnahmeeinrichtungen müssten anders strukturiert und mehr eingesetzt werden". Zielke forderte, dass die Flüchtlinge bis zu sechs Wochen in den Landeseinrichtungen untergebracht und dann systematisch verteilt werden - mit Sensibilität für Nationen und Familienstand: "Dann könnten wir als Kommunen uns darauf einstellen, wer zu uns kommt, und wie wir die Unterbringung organisieren". Zudem dürften Flüchtlinge aus dem West-Balkan, die in Asylverfahren geringe Chancen hätten, gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden. "Das bindet unsere Aufnahmekapazitäten bis zu 50 Prozent", sagte sie. Hintergrund für Zielkes Kritik: Das Land kann in seinen zentralen Auffangstationen in Dortmund und Bielefeld (in Essen entsteht zurzeit eine dritte) nicht mehr alle Flüchtlinge unterbringen und verpflichtet nun Kommunen, die Erstaufnahme zu übernehmen. Krefeld muss daher kurzfristig bis zu 150 Flüchtlinge unterbringen und auch die teils aufwendige medizinische Erstversorgung übernehmen - bis hin zu Röntgenuntersuchungen zur TBC-Prophylaxe. Zielke räumt ein, dass auch das Land von den Flüchtlingszahlen überrascht wurde, wirft der Landesregierung aber vor, nicht rasch genug gehandelt zu haben, um die Kapazität der Erstaufnahmeeinrichtungen zu erweitern. Zielke fordert auch den Bund zum Handeln auf: "Auch als die Zahlen noch geringer waren, haben die Asylverfahren zu lange gedauert. Hier hätte der Bund mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge früher reagieren müssen."

Die Ansage des Landes an Krefeld zur Erstaufnahme der 150 Flüchtlinge kam am Dienstag früh. "Wenn wir nicht erfahrene und eingespielte Mitarbeiter hätten, hätten wir es nicht geschafft, innerhalb von acht Stunden die Glockenspitzhalle vorzubereiten." Welche Flüchtlinge kommen - Nationalitäten, Alter, Familienstand - wusste die Stadt bis zur Ankunft der Flüchtlinge nicht. "Wenn wir Glück haben, bekommen wir eine halbe Stunde vor der Ankunft der Busse die Liste."

Ein ungelöstes Ärgernis aus Sicht der Kommunen bleibt die Finanzierung der Flüchtlingsbetreuung. Die Kosten für die Erstaufnahme werde die Stadt dem Land in Rechnung stellen, kündigte Zielke an, sagte aber auch: "Wann die Kosten erstattet werden, wissen wir nicht." Sie bekräftigte zudem die Kritik, dass von Kosten für die Unterbringung der übrigen Flüchtlinge, die Krefeld aufnehmen müsse, nicht einmal 30 Prozent ersetzt würden. NRW habe die "rote Laterne" bei der Erstattung. Bayern etwa bezahlt seinen Kommunen 100 Prozent der Kosten. Dabei hat Krefeld in jüngster Zeit allein 40 neue Kräfte für die Betreuung der Flüchtlinge einstellen müssen - und sie sucht weiterhin Sozialarbeiter.

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Foto: dpa, ude htf bwe

Die Krefelder Bürgerschaft reagiert bisher mit großer Hilfsbereitschaft auf die Flüchtlinge. "Das Engagement ist groß, die Hilfsbereitschaft breit gestreut", betonte die Stadtdirektorin. Die Stadt pflegt gute Kontakte zu den Bürgervereinen und nutzt sie als Plattform für Aufklärung und bei Problemen - "die Zusammenarbeit ist sehr gut". Bislang gebe es nur vereinzelt Anwohnerbeschwerden, meist über Lärm. Zielke warnte aber auch: "Ich befürchte, dass diese positive Stimmung auch kippen könnte, wenn so eine Aktion wie bei der Glockenspitzhalle sich wiederholt."

(RP)
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