Krefeld Gab ein Erdbeben dem Turm der Alten Kirche den Rest?

Krefeld · Ein RP-Leser erinnert sich, dass es kurz vor dem überraschenden Einsturz des Turms der Alten Kirche im Jahr 1951 ein Erdbeben gab - offenbar ist dieser Zusammenhang noch nie öffentlich diskutiert worden. Der Mann hat Recht: Im Vorfeld gab es sogar ein recht starkes Beben, das in den Geschichtsbüchern steht.

Erdbeben: Diese Schäden verursachten sie am Niederrhein
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Schäden nach Erdbeben am Niederrhein

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Foto: Stadtarchiv

Möglicherweise hat ein Erdbeben den Einsturz des Turms der Alten Kirche ausgelöst - nicht in dem Sinne, dass das Beben den Turm zum Einsturz gebracht hat, wohl aber in dem Sinne, dass aus der Jahrhunderte alten Geschichte des Turms Schwachstellen in der Statik durch das Beben fatal verstärkt wurden. Sicher ist: Es hat am 14. März 1951 ein "recht großes Beben" gegeben, das als das Zweite Euskirchener Erdbeben in die Geschichte eingegangen ist. Dies erläuterte Klaus Lehmann, Leiter des Landeserdbebendienstes beim - in Krefeld residierenden - Geologischen Dienst NRW, auf Anfrage unserer Redaktion. Verzeichnet sind weiterhin Nachbeben am 16. und am 18. März 1951 sowie am 16. April 1951 - da war der Turm aber schon zerstört.

Auslöser für die Anfrage war die Reaktion unseres Lesers Manfred Jülicher auf den Artikel über das "Turm-Drama" der Alten Kirche vom 28. Oktober. Am 12. April 1951 brach für die Zeitgenossen völlig überraschend Mauerwerk aus dem Turm heraus; am 14. April 1951 stürzte der Turm dann endgültig zusammen.

Ihm sei aufgefallen, "dass seit Jahren bei der Suche nach den Gründen für den Einsturz eine Tatsache übersehen wird", schreibt Jülicher; "wenige Tage zuvor gab es nämlich in unserem Gebiet ein relativ leichtes Erdbeben. Ich weiß das deshalb, weil wir an diesem Tag zufällig mit unserer Klasse im Landtag zu Düsseldorf an einer Sitzung teilnahmen. Während dieser Sitzung schwankte plötzlich die Besuchergalerie des Ständehauses: ein leichtes Erdbeben. Wenig später brach die Nordostecke des Turmes der Alten Kirche heraus." Leider erscheine das Beben in den Listen der Erdbeben in Deutschland nicht, weil diese Listen nur Beben ab einer Stärke von 4,5 auflisteten, berichtet Jülicher weiter. 1951 werde lediglich ein Beben im Raum Euskirchen im März erwähnt. Er jedenfalls habe nie vergessen, "wie unheimlich es war, als das Ständehaus für Sekunden wankte".

Sicher ist, dass es am 14. März 1951 um 10.47 Uhr im Rheinland ein Erdbeben der Stärke 5,7 auf der Richterskala gab - das war auf den Tag einen Monat vor dem endgültigen Einsturz des Turms der Alten Kirche. "Diese Stärke entspricht auf der Intensitätsskala den Werten VII bis VIII", erläutert Erdbebenfachmann Klaus Lehmann.

Mit der Intensitätsskala werden die Auswirkungen eines Erdbebens eingeordnet; die Intensität VII bis VIII "entspricht Auswirkungen in Form von Schäden bis Zerstörungen an Gebäuden", sagt Lehmann. Die Intensitätsskala reicht von I bis XII - VII bis VIII ist schon ein recht starkes Ereignis.

Das Zweite Euskirchener Beben hat laut Lehmann fast die gleichen Schäden angerichtet wie das sogenannte Roermond-Beben von 1992, das bei einer Stärke von 5,9 auf der Richterskala im Rheinland deutliche Spuren hinterließ - viele werden sich daran erinnern.

Euskirchen liegt rund 80 Kilometer von Krefeld entfernt; das Beben damals hatte in Krefeld eine Intensität von V, schätzt Lehmann. Fachleute sprechen davon, dass die Wirkung des Bebens "aufweckend" ist. "Da wackelt es schon ganz ordentlich", sagt Lehmann dazu. Normalerweise gibt es in dieser Stärke keine Gebäudeschäden, "aber wenn ein Gebäude bereits desolat ist, dann kann es sein, dass das Beben der letzte Auslöser für massive Schäden ist", sagt Lehmann weiter.

Eben das kann beim Turm der Alten Kirche der Fall gewesen sein; möglicherweise hat das Feuer, das nach dem Bombenangriff auf Krefeld (in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni 1943) das Kirchengebäude weitgehen zerstörte, eben doch das Turmgemäuer angegriffen, ohne dass es äußerlich zu sehen war.

(RP)
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