Heiligabend Friedensstifter Gegen Cyber-Streit am Gymnasium

Krefeld · Die Streitschlichter am Ricarda Huch kümmern sich um Zwist, der aus Facebook, WhatsApp und Co. in die Realität schwappt. Solche Vorfälle haben in den vergangenen Jahren immer mehr zugenommen.

 Sie stiften Frieden zwischen den rund 750 Schülern am Ricarda-Huch-Gymnasium: die Streitschlichter und Medien-Scouts. Von ihren Erfahrungen berichten Müberra Özdemir (r.), Nil Yazicioglu und Gentiana Fejza (hinten, 3. u. 4.v.r.) sowie Amelie Sich (hinten, 3.v.l.).

Sie stiften Frieden zwischen den rund 750 Schülern am Ricarda-Huch-Gymnasium: die Streitschlichter und Medien-Scouts. Von ihren Erfahrungen berichten Müberra Özdemir (r.), Nil Yazicioglu und Gentiana Fejza (hinten, 3. u. 4.v.r.) sowie Amelie Sich (hinten, 3.v.l.).

Foto: Lammertz

Streitigkeiten in der Schule gehen heute weit über den altbekannten Schulhof-Stress hinaus. In den fünften Klassen besitzen viele der Schüler schon ein Smartphone, das immer häufiger zum Problem wird. "Die meisten können damit gar nicht umgehen. Und nicht selten kommt es vor, dass der Streit aus einer WhatsApp-Gruppe auch in der Realität und damit in der Schule fortgesetzt wird", erklärt Monika Daubenspeck, Schulsozialarbeiterin am Ricarda-Huch-Gymnasium. Deshalb nennen sich die von ihr ausgebildeten Streitschlichter auch "Medien-Scouts" und kümmern sich verstärkt um die Probleme von Schülern in sozialen Netzwerken und Chat-Diensten. "Wir sind aber keine Facebook-Polizei. Wir können unseren Mitschülern nur helfen, wenn sie das auch wollen", stellt die 15-jährige Gentiana Fejza klar.

 Schulsozialarbeiterin Monika Daubenspeck (l.) und AG-Leiterin Ilke Schwerdorf-Erdal sind stolz auf die Arbeit der Streitschlichter. Sie sind froh über die jugendliche Unterstützung bei Streitigkeiten, die immer öfter in sozialen Netzwerken entstehen.

Schulsozialarbeiterin Monika Daubenspeck (l.) und AG-Leiterin Ilke Schwerdorf-Erdal sind stolz auf die Arbeit der Streitschlichter. Sie sind froh über die jugendliche Unterstützung bei Streitigkeiten, die immer öfter in sozialen Netzwerken entstehen.

Foto: Lammertz Thomas

Das Problem mit dem Internet ist für die jugendlichen Streitschlichter am Ricarda Huch klar: Es ist viel leichter, jemanden zu beleidigen, dem man gerade nicht persönlich gegenüber steht. So kommt es, dass sich die - seit fünf Jahren existierende - Streitschlichter-AG immer öfter um Zwist kümmern muss, der via Smartphone in die Klassenräume schwappt. Ein Beispiel: "Wir hatten schon den Fall, dass sich darum gestritten wurde, wer in einer WhatsApp-Gruppe der Administrator und damit der Anführer ist", berichtet die ebenfalls 15-jährige Nil Yazicioglu. Am Ende konnten die Medien-Scouts den Frieden in einem Gespräch wiederherstellen.

Nicht ganz so banal sind digitale Streitigkeiten, bei denen es um persönliche Fotos und Cyber-Mobbing geht. "Da gibt es viele peinliche, manchmal lustige, aber vor allem auch traurige Geschichten", sagt Daubenspeck. Ein typsches Phänomen sei das Weiterleiten von unangenehmen Bildern, die Schüler eigentlich an eine Vertrauensperson geschickt hatten. "Das sorgt dann für Häme und kann auch zu Mobbing führen", weiß die Schulsozialarbeiterin. Dazu kämen Kettenbriefe, nicht jugendfreie Videos und Nachrichten, die spät in der Nacht noch die Runde machen. "Viele Schüler nutzen die sozialen Medien und Messenger eher unüberlegt. Das führt dann schnell zu Unfrieden", sagt Daubenspeck.

Deshalb gehen die Medien-Scouts regelmäßig in die fünften und sechsten Klassen, um dort Aufklärungsarbeit zu leisten. "Wir informieren über die verschiedenen Plattformen und geben den Schülern Regeln zum richtigen Umgang an die Hand", erklärt die 13-jährige Amelie Sich. Wenn es trotzdem Probleme gibt, können sich die Schüler entweder freiwillig an die Streitschlichter wenden oder werden dort von einer Lehrkraft hingeschickt.

"Auch wenn die Schüler das anfangs nicht so toll finden, sind sie dann doch irgendwann gesprächsbereit", erzählt Gentiana. Sie und die anderen Streitschlichter können oft besser helfen als Lehrer oder Eltern, weil sie in einem ähnlichen Alter sind. "Wir versuchen, möglichst neutral zu sein und herauszufinden, wo die Ursache für den Streit liegt", erklärt Müberra Özdemir, die mit 17 Jahren die Erfahrenste im Team ist. "Manchmal löst sich das Problem schon von selbst, wenn die Beteiligten endlich mal offen miteinander geredet haben und wissen, wo das Problem eigentlich liegt", sagt Müberra. Das gelte für Cyber-Streitigkeiten genauso wie für die klassischen Auseinandersetzungen, die nichts mit der digitalen Welt zu tun haben.

Ihre Rolle als Friedensstifter bringt den vornehmlich weiblichen Streitschlichtern auch persönlich etwas. "Durch unsere Ausbildung hinterfragt man sich bei einem eigenen Konflikt viel mehr selbst und kann das Problem meistens schneller aus der Welt schaffen", berichtet Gentiana. Und darüber freut sich Monika Daubenspeck, die noch einen weiteren positiven Effekt im Engagement ihrer Streitschlichter sieht: "Sie tragen ihre Arbeit gleich in die eigenen Klassen hinein. Bei Streitigkeiten können sie direkt intervenieren und lassen Situationen gar nicht erst eskalieren. Ich finde es toll, dass sie auf diese Art freiwillig zu einem friedlichen Miteinander beitragen."

(kron)
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