Serie: Faszinierende Welt der Straßenbahn Gipfeltreffen der Straßenbahnen

Krefeld · Straßenbahnen stehen wie kaum ein anderes Gefährt für beides: faszinierende Technik und nostalgiebeseelte Erinnerung an frühere Zeiten. Wir tauchen in einer Serie in die Welt der Straßenbahnen ein: berichten von technischen Revolutionen, den Herausforderungen der Fahrer und die neuesten Trends im Nahverkehr.

Die faszinierende Welt der Straßenbahnen
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Mechanik lässt sich nicht überlisten: Von den Anfängen bis heute gehört schlichter Sand zur Grundausrüstung von Straßenbahnen. Wenn die Reibung zwischen Rad und Schiene zu gering wird, sorgt er für den nötigen Widerstand. Die ersten Straßenbahnfahrer mussten noch mit Gefühl und per Hand Sand durch einen Trichter und ein Rohr auf die Schienen rieseln lassen - heute passiert alles vollelektronisch. Aber ohne Sand läuft nichts, im wahrsten Sinne des Wortes.

Wenn Burkhard Kuphal erzählt, wird schnell deutlich, wie faszinierend und geschichtenreich die mehr als ein Jahrhundert währende Geschichte der elektrischen Straßenbahn in Krefeld ist. Kuphal ist der Leiter des technischen Bereiches bei den SWK und Betriebsleiter. Straßenbahntechnik ist ein kleines Mysterium: Sobald sie alt ist, wird sie geliebt. Das gilt nicht nur für den Blauen Enzian, die erste elektrische Straßenbahn Krefelds aus dem Jahr 1900.

Das gilt auch für die 8GTW, die gelbe Bahn, die 2010 nach 45 Jahren aus dem aktiven Dienst ausschied und heute als Party-Tram für Spaß sorgt: "Die Fahrer lieben es, mit dieser Bahn zu fahren - da kann man noch mit allen Sinnen Straßenbahn fahren", erzählt Kuphal schmunzelnd. Grund: Die 8GTW war die letzte Bahn, bei der der Fahrer noch mit einer Kurbel und viel Gefühl bremsen und beschleunigen musste - danach übernahm die Elektronik weitgehend diesen Job.

Mit den Straßenbahnen durchs Wirtschaftswunder
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Mit den Straßenbahnen durchs Wirtschaftswunder

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Der Techniker in Kuphal schätzt aber auch all die technischen Fortschritte, die seinem Team das Leben leichter machten: So war das Modell M8C, das ab 1980 in Krefeld fuhr, erstmals ein Zweirichtungsfahrzeug. Heißt: Bis dahin konnten die Bahnen schlicht nur in eine Richtung fahren. Dort, wo keine Wendeschleife lag, musste rangiert werden - wie in Hüls, wo die Bahnen auf dem Betriebshof zum Wenden quasi rückwärts eingeparkt werden mussten.

Der Schritt zur Zweirichtungsbahn hatte rund ein Jahrhundert gedauert. Die elektrische Straßenbahn ist eine deutsche Erfindung aus dem Jahr 1879. Damals stellte die Firma Siemens & Halske in Berlin die erste elektrisch angetriebene Schienenbahn vor - die Leitungen lagen noch unterirdisch. Zwei Jahre später kam der Durchbruch zur Oberleitung: Siemens & Halkse präsentierte in Paris bei der ersten Internationalen Elektrizitätsausstellung ein System, das von über den Gleisen gespannten Leitungen mit Strom versorgt wurde - was Bau und Betrieb solcher Linien entscheidend vereinfachte.

Es dauert noch zwei Jahrzehnte, bis auch in Krefeld die Elektrifizierung des öffentlichen Nahverkehrs begann. 1898 fährt erstmals eine elektrische Bahn über den Ostwall: die von Düsseldorf kommende Schnelllinie der Rheinbahn. Krefeld zieht 1900 mit der Elektrifizierung der "Crefelder Straßenbahn Aktiengesellschaft" nach - den Anfang machten 46 Triebwagen eben jenes Typs, der heute als "Blauer Enzian" beliebtes Fotomotiv ist, wo immer er auftaucht. Von da ging es Schlag auf Schlag; es gab vor allem beim Komfort für die Fahrgäste Fortschritte - wobei wir anfangs davon reden, dass die Wagen endlich Fenster bekamen.

Die moderne Niederflurbahn, auf die Krefelds Bahnflotte zurzeit umgerüstet wird, ist der Höhepunkt dieser Entwicklung: Die Tieferlegung ist eine technische Meisterleistung, weil viel Technik, die bis dahin an der Unterseite der Bahn angebracht war, in das Dach integriert wurde.

Und sie ist ein Quantensprung, das Einsteigen ist so leicht wie nie: fast ebenerdig, leicht auch für Senioren, Rollstuhlfahrer und Eltern mit Kinderwagen.

(RP)
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