Krefeld Großes Amphibientheater mit der Echse

Krefeld · Michael Hatzius begeisterte mit den Lebensweisheiten seiner Echse die Gäste in der ausverkauften Kulturfabrik. Hatzius imponierte bei seinem Auftritt nicht nur mit Geist und Witz im Text, sondern auch mit toller Körpersprache.

 Michael Hatzius und seine lebenskluge Echse sind geradezu miteinander verschmolzen, um ihr Publikum zu unterhalten.

Michael Hatzius und seine lebenskluge Echse sind geradezu miteinander verschmolzen, um ihr Publikum zu unterhalten.

Foto: Kufa

Zum Auftritt von Michael Hatzius und seiner Echse mit dem großen Klappmaul und nur einer - meist eine dicke Zigarre haltenden - Hand, war die Kufa am Freitagabend ausverkauft. Schon das gemeinsame Hinsetzen von Puppe und Spieler geriet zu einem Akt ausgefeilter Schauspielkunst. Denn der Echse mit ihren vielen tausend Lebensjahren fallen manche Bewegungen doch ganz schön schwer, und auch Hatzius muss diese Last tragen, denn die Puppe ist fest mit seinem Körper verbunden, und deren Rumpf und Kopf sind ähnlich groß wie der seinige.

Beim Urknall habe sie direkt davor gesessen, begann die Echse, seitdem alle Stadien der Evolution durchlebt und dabei selbstverständlich auch aktiv mitgestaltet. Die Idee der Zellteilung z.B. kam ihr beim Fußballspielen, weil man als Einzeller eben nie wusste, welche Einzeller Freunde, welche Gegner waren und welcher der Ball. Im Zeitraffer kam sie vom Plankton auf diverse Tierarten zu sprechen. Ganz schlecht kamen dabei die Zebras weg. Zum Pferd habe es nicht gereicht, aber sich mit Streifen dicketun und immer übel auffallen: Zebrastreifen, Gazastreifen, Schwangerschaftsstreifen.

Prima Kerle, cool und zuverlässig, seien dagegen Pinguine, was die Krefelder mit Vergnügen hörten, bis die Einschränkung kam: Pinguine klauen. Aber das wisse man ja, könne sich also drauf einstellen. Herrlich unterdessen seine Rückgriffe in die Geschichte, seine subtilen Anspielungen auf Heutiges und seine mitunter schon surrealistischen Verquickungen von beidem. Mit Billig-Membranen aus dem Ostblock sei die Zellteilung als Evolutionsprinzip so richtig in Schwung gekommen, und überhaupt war unter Wasser nicht alles schlecht.

Später an Land hätte er dann vor 2300 Jahren mit Aristoteles das erste Theater gegründet und anfangs hauptsächlich Amphibientheater gespielt. Sex mit Kleopatra im Milchbad und Babysitten für Maria und Josef seien weitere Stationen gewesen. Übrigens sei "heilige Jungfrau" lediglich Marias Tarnname bei facebook gewesen. Und überhaupt: die Frauen. Zu den Feinheiten der Spielanlage gehört es nämlich, dass die Echse männlich ist und ein selbstgefälliger Macho dazu, der dennoch bereitwillige Mitspielerinnen im Publikum findet.

Und auch das Huhn - eine Nebenfigur - ist ein Mann, allerdings ein kleiner, schüchterner Softie. So wurden Geschlechter(kampf)klischees gleich mit verballhornt. Und nicht zuletzt sich selbst nahm Hatzius auf die Schippe, wenn sich die Echse mal auf Augenhöhe ihrem Spieler zuwandte oder sogar selbst zum Puppenspieler wurde.

All dies bewerkstelligte Hatzius nicht nur mit Geist und Witz im Text, sondern auch mit toller Körpersprache. Mit der Puppe auf dem Schoß beugte er sich vor oder lehnte sich weit nach hinten, fläzte sich mit hochgelegten Beinen bis fast in die Waagerechte, dosierte filigran jede Bewegung des Kopfes und des einzigen Arms zu einem absolut schlüssigen Gestus, wurde völlig eins mit seinem Geschöpf und verlieh ihm auch noch eine Stimme ganz ähnlich der von Willy Brandt. Köstlich auch die Nummer mit der Glaskugel.

Das Publikum durfte Fragen stellen: "Bleibt Griechenland in der EG?" Gegenfrage der Echse wegen des "EG": "Wann hast Du zum letzten Mal Nachrichten geguckt?" Andere Frage: "Wann wird der Berliner Flughafen fertig?" Antwort: "Die Glaskugel kann in die Zukunft schauen, aber nicht darüber hinaus." Riesenapplaus für einen Puppenspieler, der bereits mit Anfang 30 eine Klasse für sich geworden ist.

(RP)
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