Krefeld Gruyters: Kekstradition steht nach 150 Jahren vor dem Aus

Krefeld · Das Unternehmen Gruyters hat beim Amtsgericht in Krefeld Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Claus-Peter Kruth versucht den Gebäckhersteller zu retten.

Krefeld: Gruyters: Kekstradition steht nach 150 Jahren vor dem Aus
Foto: Gruyters

Es gibt wohl kaum einen Haushalt in Krefeld, in dem zum Mittagskaffee nicht schon einmal Gebäck der Wilhelm Gruyters GmbH gereicht worden wäre. Auch in Cafés, Kantinen, Krankenhäuser und Seniorenheime lieferte das Familienunternehmen in vierter Generation seine einzelverpackten Backspezialitäten. Nach mehr als 150 Jahren steht der Betrieb nun auf der Kippe: Die Geschäftsführung hat jetzt einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht Krefeld gestellt. Die 65 Mitarbeiter wurden am Mittwoch durch den vorläufigen Insolvenzverwalter Claus-Peter Kruth in einer Betriebsversammlung über das weitere Vorgehen informiert. Alle werden zunächst weiter beschäftigt und erhalten für die Monate Februar bis April dieses Jahres statt ihres Lohns ein Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit. Eine entsprechende Vorfinanzierung wurde bereits in die Wege geleitet.

Der Düsseldorfer Jurist konnte gestern auf Anfrage unserer Redaktion noch keine Angaben über die Ursachen der finanziellen Schieflage der Wilhelm Gruyters GmbH machen. Erst vor einem Jahr waren mit Karl-Heinz Manek und Peter Rinsch neue Gesellschafter in den Betrieb gekommen und hatten jeweils 45 Prozent der Firma übernommen (wir berichteten). Beide kannten sich in der Branche aus und hatten sich optimistisch zu den Perspektiven geäußert.

Mit seiner Bestellung hat der vorläufige Insolvenzverwalter jetzt begonnen, die wirtschaftliche Ausgangslage des Unternehmens zu analysieren. Dazu wird er kurzfristig Gespräche mit allen wesentlichen Beteiligten aufnehmen. "Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Optionen prüfen", sagt Kruth im Hinblick auf eine angestrebte Sanierung.

Die Belieferung der Kunden werde bis auf weiteres aufrechthalten. Das gelte auch für den Online-Shop. "Wer von Gruyters Waren beziehen möchte, kann dies weiterhin uneingeschränkt und in gewohnter Qualität tun", erklärte Kruth. Die Belegschaft sorge für einen reibungslosen Ablauf, versprach der Jurist.

Die Wilhelm Gruyters GmbH war führender Spezialist für einzeln verpackte Kekse für Großversorger und Cash & Carry. Der Back- und Schokoladenwarenhersteller bietet rund 150 Gebäck-Spezialitäten, darunter Vollkost- und Diätgebäck, Butter-Cookies, Käsegebäck, Kaffeebeilagen und abwechslungsreiche Sortimente an. Die Ursprünge des Unternehmens gehen auf das Jahr 1863 zurück, als Wilhelm Gruyters auf der Petersstraße in Krefeld das Stammhaus gründete.

Gruyters musste auch in der Vergangenheit so manche Klippe umschiffen. Die Tochter Freudenberg Dauerbackwarenherstellung- und Vertriebs GmbH, Großröhrsdorf, hatte Insolvenz anmelden, die Beschäftigten auch in Krefeld einige Jahre aufs Weihnachtsgeld verzichten müssen.

Ein besonderes Juwel im Firmenverband war die Marke Kemm mit ihrer hanseatischen Spezialität "Echte Kemm'sche Kuchen", die seit dem Jahr 1782 produziert werden. Der Kemm Vertrieb von Dauerbackwaren und Süßwaren GmbH war seit 1994 eine 100-prozentige Tochter von Gruyters. Kemm gehört zu den ältesten Lebensmittelprodukten am Markt. ",Echte Kemm'sche Kuchen' sind vor allem in Norddeutschland sehr bekannt", berichtet Maneke vor einem Jahr. "Die würzigen Kuchen haben eine über 230-jährige Geschichte, die wir fortführen werden", sagt Rinsch. Stattdessen verkauften die beiden den Traditionsbetrieb in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres. Am 1. Oktober 2015 übernahm die Georg Parlasca Keksfabrik das Geschäft von Kemm. Der exklusive Vertriebspartner ist die foodeko GmbH. "Kemm kommt nach über 20 Jahren endlich wieder nach Hamburg zurück", betonten die neuen Eigentümer in der Hansestadt. Diese und andere Transaktionen werden wie auch der Verbleib des Verkaufserlöses sicherlich ins Visier des vorläufigen Insolvenzverwalters geraten. Ziel ist der Fortbestand der Keksfabrik, damit auch in Zukunft der Duft frisch gebackener Plätzchen durch die Tannenstraße zieht.

(RP)
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