Krefeld Häusliche Gewalt wird brutaler

Krefeld · Häusliche Gewalt hat neue Ausmaße angenommen. Zwar gibt es nicht mehr Fälle, aber die Brutalität, mit der gegen den Lebenspartner vorgegangenen wird, hat zugenommen. Diese Feststellung machten die Experten vom Krefelder Netzwerk gegen häusliche Gewalt.

 Mitglieder des Netzwerks gegen häusliche Gewalt mit der entsprechenden Fahne.

Mitglieder des Netzwerks gegen häusliche Gewalt mit der entsprechenden Fahne.

Foto: T. Lammertz

Anlässlich des "Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen" hatten sie gestern zu einer Fachtagung in den Kulturpunkt der Friedenskirche eingeladen. Die Resonanz war überwältigend. Über 140 Besucher hörten sich die Ausführungen der Experten zum Thema "Auswirkungen von Partnergewalt auf Kinder und Jugendliche" an.

"Mit so vielen Gästen hatten wir gar nicht gerechnet. Es zeigt aber, dass wir das richtige Thema gewählt haben, das viele verschiedene Berufsgruppen interessiert", sagte Silvia Hellfeier, stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte und Koordinatorin des Netzwerks. Ziel der Fachtagung war es, Ansprechpartner des Netzwerkes und ihre Hilfsangebote vorzustellen, aber auch, über die verschiedenen Facetten von häuslicher Gewalt aufzuklären. Denn: "Bei dem Blauen Auge, das man oft bei diesem Thema im Kopf hat, bleibt es häufig nicht mehr. Gewalt kennt heute keine Grenzen. Die Hemmschwelle ist runtergegangen, den Partner ernsthaft zu verletzen", erklärte Dietmar Siegert, Geschäftsführer des Kinderschutzbunds, und sagte weiter: "Heute machen die Medien, speziell die Smartphones, auch vieles möglich, was es früher so nicht gab. Stalking gehört genauso dazu wie Mobbing in Netzwerken."

741 Anzeigen von häuslicher Gewalt gab es 2015 in Krefeld. Bei der Staatsanwaltschaft gingen 972 Strafverfahren ein, und die zuständige Fachberatungsstelle sprach mit 327 Betroffenen, darunter 20 Männern. "Früher war der Anteil der Männer, die sich bei uns gemeldet haben, verschwindend gering. In den letzten beiden Jahren ist es deutlich mehr geworden. Das freut uns natürlich, weil es zeigt, dass unsere Aufklärungsarbeit erste Erfolge aufweist", berichtete Juliane Saulle von der "Beratungsstelle Häusliche Gewalt" des Sozialdienstes katholischer Frauen.

Es sind in über der Hälfte der Fälle Mütter und Väter, die sich bei den Experten melden und Hilfe für sich und ihre Kinder suchen. Denn auch wenn Kinder selbst nicht geschlagen werden, sind sie doch meist Augen- oder Ohrenzeugen und leiden unter der aggressiven Stimmung. Durch auffälliges Verhalten machen Kinder und Jugendliche auf die für sie schwierige Situation aufmerksam. "Deswegen ist es so wichtig, nicht nur an den Auffälligkeiten zu arbeiten, sondern nach den Gründen dafür zu suchen", betonte Andrea Vogt, Leiterin der Evangelischen Beratungsstelle.

Die Auffälligkeiten der Kinder sind vielfältig. Sie reichen von aggressivem und störrischem Verhalten bis zu völliger Angepasstheit und ungewöhnlicher Hilfsbereitschaft. Mit problembeladenen Kindern haben viele Berufsgruppen zu tun, seien es Ärzte, Erzieher oder Betreuer im Ganztag. Viele fühlen sich mit der Situation überfordert, "Deswegen ist es so wichtig, dass bekannt ist, wo es Hilfe gibt und dass keiner solche Probleme allein lösen muss. Dafür gibt es uns, die Fachleute", sagte Ute Nöthen, Opferschutzbeauftragte der Polizei. Das Motto des Netzwerks: Besser ein Anruf zuviel als einer zu wenig. Heute hissen die Experten eine Fahne am Rathaus und zeigen damit Flagge gegen häusliche Gewalt.

(RP)
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