Krefeld Heinz Strunk in der Kufa: viel Hype - wenig Substanz

Krefeld · Manchmal scheint es, als müsse man sich nur im Unrat menschlicher Abgründe suhlen, das Kaputt-sein zum Erzähl-Prinzip erheben und mit vulgärer Sprache garnieren, und schon dürfe man sich als Schriftsteller feiern lassen. Bei einer Lesung im kleinen Saal der Kufa war Gelegenheit, sich staunend ein Bild davon zu machen, wie wenig Substanz hinter dem Hype um Heinz Strunks Roman "Der Goldene Handschuh" steckt.

 Mit seinem zum Kultbuch erklärten Roman war Heinz Strunk in der Kufa.

Mit seinem zum Kultbuch erklärten Roman war Heinz Strunk in der Kufa.

Foto: Thomas Lammertz

Die authentische Geschichte des vierfachen Frauenmörders Fritz Honka, parallel dazu die Geschichte einer zwielichtigen Reederfamilie und als Fokus des Grauens die ebenfalls authentische Kneipe "Der Goldene Handschuh", seit Jahrzehnten sieben Tage die Woche 24 Stunden geöffnet und Zufluchtsstätte der verlorensten und der verkommensten Seelen von St. Pauli, wo Honka seine Opfer aufgabelte - das sind die wichtigsten Zutaten des Romans, der in den 1970er Jahren spielt. Daraus hätte man viel machen können.

Zumindest in der komprimierten Fassung jedoch, die Strunk las, blieben nur Oberflächlichkeiten. Dass es da einen Gast gab, der "Leiche" genannt wurde und tatsächlich treffend als seine eigenen sterblichen (obschon noch lebenden) Überreste beschrieben werden konnte, gehörte noch zu den gelungensten Formulierungen.

Ansonsten beschränkte sich die Tresen-Folklore auf ein paar Vokabeln wie "Verblendschnaps", "Fako" (Fanta-Korn 1 : 1) und einen Kellner namens Arno, der Anus genannt wurde und selbst darüber lachte, weil er die Bedeutung des Wortes nicht kannte. Von St. Pauli-Lokalkolorit keine Spur, und die Schilderung der völlig verdreckten Behausung des Honka, der im Buch wenigstens ordentlich norddeutsch Fiete heißt, erging sich in jenem Ekel-Voyeurismus, der an keiner Stelle des Vorgelesenen über sich selbst hinauswies und irgendetwas erklärte.

Hinzu kam schlechter Vortragsstil. Strunk verhaspelte sich oft, und wenn er - obschon dicht bei Hamburg aufgewachsen - versuchte, wörtliche Rede im Alltagstonfall des einfachen Hamburgers zu sprechen, klang das so falsch, als sei seine Muttersprache Bajuwarisch. Es muss ja nicht immer anspruchsvolle und soziologisch korrekte Literatur sein. Dass aber ein Hamburger Kneipenroman mit ganz viel Suff trotzdem nicht nur elendig klingen muss, sondern durchaus auch unterhaltsam daher kommen kann, bewies übrigens 1991 Frank Schulz mit "Kolks blonde Bräute".

(RP)
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