Krefeld Hirnverletzt - wie man ein schweres Schicksal meistert

Krefeld · Eine neue Selbsthilfegruppe "Hirnverletzt" will Betroffenen und Angehörigen helfen. Betroffen sind in starkem Maße Kinder und Jugendliche oder Erwachsene im aktiven Teil ihres Lebens.

 Ein Treppensturz hat das Leben von Ulf Peters verändert. Zusammen mit Anne Behnen von der Selbsthilfe-Kontaktstelle im Begegnungszentrum Wiedenhof stellte er die Pläne für eine Selbsthilfegruppe "Hirnverletzt" vor.

Ein Treppensturz hat das Leben von Ulf Peters verändert. Zusammen mit Anne Behnen von der Selbsthilfe-Kontaktstelle im Begegnungszentrum Wiedenhof stellte er die Pläne für eine Selbsthilfegruppe "Hirnverletzt" vor.

Foto: Lammertz

Von einem Moment zum nächsten kann sich das Leben ändern und nichts ist mehr, wie es vorher war. Diese Erfahrung musste auch Ulf Peters (49), Familienvater und Lehrer aus Krefeld machen: "Wir waren zu einem Besuch in Norddeutschland und haben im Dachgeschoss des Freundes geschlafen. Ich musste nachts raus und bin - um meine Frau nicht zu wecken - im Dunklen aufgestanden. Dann muss ich die Raumspartreppe nicht richtig erwischt haben, jedenfalls bin ich vom Dachgeschoss in die erste Etage gestürzt und bin dort auf einem Schreibtisch gelandet."

Ulf Peters hat sich bei diesem Sturz schwere Kopfverletzungen zugezogen und lag zwei Wochen im künstlichen Koma. Monatelange Rehabilitationsmaßnahmen schlossen sich an. Ganz mühsam fand er seinen Weg zurück ins Leben, kämpfte mit Ergotherapie und Logopädie gegen Lähmungen und Ausfallserscheinungen. Depressionen machen ihm bis heute zu schaffen. Über Wiedereingliederungsmaßnahmen versuchte er in seinem Beruf als Lehrer wieder Fuß zu fassen: "Ich wollte unbedingt wieder zurück in mein normales Leben, aber in der ganzen Zeit war ich nicht wirklich ich selbst. Ich habe regelrechte Ängste entwickelt, habe alles - und auch mich - in Frage gestellt." Seit April 2013 ist Ulf Peters in Frührente.

In seiner eigenen Leidenszeit ist ihm aufgefallen: "Wie viele alleingelassene Menschen es gibt und wie wenige Informationen weitergegeben werden. Das spornt mich an. Ich habe in allem Unglück ein unheimliches Glück gehabt und möchte anderen Mitbetroffenen in ihrer Not helfen. Mein Wunsch ist es, dass sich irgendwann für diese Menschen am Ende des Tunnels wieder ein Licht zeigt." In verschiedenen Selbsthilfegruppe konnte Ulf Peters selbst kennenlernen, wie hilfreich der Kontakt zu anderen Mitbetroffenen ist und möchte ein vergleichbares Angebot in Krefeld schaffen. "Die psychischen Folgen einer Hirnverletzung sind nicht zu unterschätzen. Es braucht viel Geduld, um im alltäglichen Leben wieder einigermaßen zurecht zu kommen, soziale Kontakte wieder aufzunehmen und gegebenenfalls wieder in den Beruf zurückzukehren", weiß Anne Behnen von der Selbsthilfe-Kontaktstelle in dem Begegnungszentrum Wiedenhof. Sie unterstützt deshalb das Anliegen von Ulf Peters.

Peters' Schicksal ist so selten nicht und kann jeden treffen. Laut der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) geht man von bis zu 400 Schädel-Hirnverletzungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr aus. Einer stationären Behandlung müssen sich demnach rund 300 Verletzte pro 100.000 Einwohner pro Jahr unterziehen. Etwa 180 von 100.000 Schädel-Hirntraumen sind so schwer, dass langfristige Schäden zu erwarten sind und dass mehr als 4000 Patienten jedes Jahr als dauerhaft Geschädigte mit schweren Verletzungen zu Langzeitpflegefällen werden.

Auffällig: Das Schädel-Hirntrauma ist bei Kindern bis 15 Jahren mit Abstand die häufigste Todesursache, die schwere Schädel-Hirnverletzung die häufigste Todessache der unter 45-Jährigen. "Damit trifft diese Verletzung insbesondere junge, aktive Menschen, deren Lebensperspektive durch die Verletzung abrupt verändert wird", erklärt dazu die DGNC. Dieser Unfall verändere nicht nur das Leben des Patienten, sondern auch das Leben von Angehörigen und Bekannten. "Nicht zu unterschätzen ist auch, dass diese jugendlichen Patienten nach dem Unfall nicht mehr in das soziale System einzahlen, sondern ein großer Kostenfaktor werden", heißt es weiter auf der Internetseite der DGNC (Adresse www.dgnc.de).

Die Krefelder Selbsthilfegruppe "Hirnverletzt" will sich einmal im Monat freitags im Begegnungszentrum Wiedenhof treffen. Das erste Treffen ist am 13. Januar 2017. An diesem ersten Treffen können auch Angehörige teilnehmen, die nachfolgenden Treffen richten sich dann ausschließlich an Betroffene.

(RP)
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