Krefeld Holocaust-Gedenken im Berufskolleg
Krefeld · Die Schüler des Berufskollegs Glockenspitz erinnerten gestern an die Opfer von Krieg, Diktatur und Gewalt.
Es ist in Krefeld Tradition, dass nicht bei einer offiziellen Feierstunde im Rathaus der Opfer von Krieg, Diktatur und Gewalt gedacht wird, sondern dass eine solche Veranstaltung von Schülern gestaltet wird, der jungen Generation also, die das Unfassbare, die Schreckensherrschaft des Nazi-Regimes und ihre unmenschlichen Folgen nur noch aus den Medien kennt. In diesem Jahr hatten sich Schüler des Berufskollegs Glockenspitz mit dem sperrigen Thema beschäftigt und die Gedenkstunde unter den Titel "Ausbruch und Aufbruch" gestellt. "Bei uns lernen Schüler aus 46 Nationen unter einem Dach. Respekt und Toleranz sind uns deshalb besonders wichtig. Dem fühlen wir uns auch als ,Schule ohne Rassismus' verpflichtet. Diesen Titel haben wir vergangenes Jahr erhalten", erklärte Schülervertreter Niko Bader.
Oberbürgermeister Frank Meyer erinnerte in seiner Ansprache daran, dass nicht alle Mitmenschen eine solche Gedenkstunde als notwendig erachten. Öffentlich würden solche Veranstaltungen auch schon mal als "dämlich" bezeichnet. "Damit werden die Grundlagen unseres zivilisatorischen Zusammenlebens in Frage gestellt. Darum muss man gerade an solchen Tagen sagen: ,Das geht nicht. Es gibt Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen'. Würdevoll an die Opfer des Holocaust zu erinnern, ist das Mindeste, was wir heute machen können."
Mit den von den Nationalsozialisten als "entartete Kunst" diffamierten Werken weltberühmter Künstler hatten sich Schüler des Ausbildungszweigs "Gestaltungstechnische Assistenten" auseinandergesetzt. Sie verfremdeten die Werke, indem sie moderne Akzente setzten. So sagt Jil Wefers (16), die sich in ihrer Gruppe mit dem Selbstbild von Max Pechstein auseinandergesetzt hat: "Wir haben die Betonung auf die grüne Punkerfrisur und die Piercings gelegt. Was heute ganz normal ist, wäre unserer Meinung nach damals undenkbar und verboten gewesen ."
"Guns and Roses" heißt das Werk, mit dem Carolina Hüskens, Jill Becker, Felix Pagel und Lars Hofmann ein Zeichen gegen Krieg und Gewalt setzen wollen. Sie haben in ihrem Bild den Soldaten, die im Original von Otto Dix Waffen schwingen, statt Gewehren Rosen in die Hand gelegt. Damit wollen sie zeigen, dass es ohne Waffen keine Gewalt mehr geben würde.
Besonders große Flügel hat eine andere Gruppe ihrem Erzengel mit auf den Weg gegeben. "Wir haben ein Bild von Paul Klee bearbeitet und in unserem die Flügel stark betont. Damit kann der Erzengel jederzeit wegfliegen und der Gewalt entkommen", sagt Lara Konrad (18). Die angehenden Gestaltungstechnischen Assistenten machen in ihren meist farbenfrohen Bildern nicht nur deutlich, was unter dem Druck der Nationalsozialisten lebenswichtig war - Flügel, um der Gewalt zu entkommen, oder Masken, um sich zu verstecken - sondern zeigen auch, dass dem, was damals als entartet galt, eine besondere Schönheit innewohnt, und dass vieles, was einst verboten war, heute normal ist. Was würde einer Gesellschaft entgehen, die all dies wegsperren und abschaffen würde? Trist, grau und freudlos wäre sie.
Der Ansicht sind auch die Schüler, die während der Gedenkstunde eine Pantomime gegen Rassismus zeigten, und darstellten, dass eine starke Gemeinschaft sich nicht instrumentalisieren lassen muss und Andersdenkende integrieren kann.
Auch wenn nach Ende des Kriegs vielen angesichts des menschlichen Elends in den Vernichtungslagern der Glaube an die heilsame Wirkung von Kunst verloren ging, zeigten an diesem Vormittag die Schüler des Berufkollegs Glockenspitz, dass Kunst sehr wohl eine geeignete Form ist, sich dem Thema zu nähern. Sie taten es in Gedichten, Schauspiel, Film und eben bildender Kunst und boten den Gästen der Gedenkstunde damit ein reichhaltiges Angebot, das zum Diskutieren, Nachdenken und Innehalten einlud. Was blieb, war die Hoffnung, dass auch junge Menschen noch aus der Geschichte lernen werden.