Krefeld Houllebecqs Skandalroman im Theater

Krefeld · In seinem umstrittenen Roman "Unterwerfung" skizziert der französische Bestsellerautor Michel Houellebecq eine französische Gesellschaft im Jahr 2022, in der die Bruderschaft der Muslime an die Regierung kommt und die Gesellschaft drastisch wandelt. Dramaturg Thomas Blockhaus hat eine Bühnenfassung geschrieben. Samstag ist Premiere.

Die Veröffentlichung des Romans in Frankreich fiel zusammen mit den Anschlägen auf Charlie Hebdo. Das bestimmte die Wahrnehmung von Michel Houellebecqs Buch, das im Deutschen "Unterwerfung" heißt. Der Autor, der zu den wichtigsten zeitgenössischen Schriftstellern Frankreichs zählt, entwirft darin eine französische Gesellschaft, die sich gegen den Rechtsradikalismus von Le Pen wehrt und auf einen charismatischen muslimischen Politiker setzt, der Patriarchat und Theokratie einführt. "Der Roman geriet in den soghaften Ruf, islamfeindlich zu sein, was nicht zuletzt durch Houllebecqs provokante Art befeuert wurde. Uns ist es ganz wichtig, dass es eine farcenhafte Zuspitzung ist. Houllebecq macht mit unseren Ängsten seine Späße", sagt Matthias Gehrt. Er inszeniert die Dramatisierung des Romans, die Thomas Blockhaus fürs Krefelder Theater verfasst hat. Am Samstag ist die Uraufführung.

Matthias Gehrt betont, dass "Unterwerfung" keine Dystopie ist, die zeigt, wie die Wirklichkeit in fünf, sechs Jahren sein könnte: Im Roman fällt die Arbeitslosigkeit binnen weniger Monate rapide, weil alle Frauen aus dem Arbeitsmarkt verschwinden. "Das kann so gar nicht passieren. Hier geht es um die Unterwerfung unter jedwedes System, das unsere säkulare und kulturelle Gesellschaft in Frage stellt, und darum, wie sich die Mitte der Gesellschaft dann verhält", sagt Gehrt. Francois, die Hauptfigur, sei dabei die Karikatur der Mitte der Gesellschaft. "Houellebecq ist ein guter Denker und Zuspitzer", findet Gehrt, "ein Kind der Aufklärung" nennt ihn Blockhaus. Und Houellebecq ist einer, der sich intensiv mit dem Islam auseinandergesetzt hat. "Es gibt viele Passagen mit Hochachtung vor der Islam-Kultur." Die "Keine Haltung zu Nichts"-Kultur der 68er, die auch den Midlife-krisengebeutelten Francois lähmt, kommt dabei weniger gut weg.

Die Frage, wie sich jeder selbst verhalten würde, soll zu Diskussionen anregen. Nach jeder Vorstellung wird es deshalb Publikumsgespräche geben. Schon die Figur des opportunistischen Francois liefert genügend Stoff.

Gehrt, Blockhaus und Bühnenbildnerin Gabriele Trinczek hoffen darauf, die Zuschauer zum Houellebecq'schen Gedankenspiel zu verführen: Wie fühlt es sich an, wenn ein Land muslimisch wird? Wäre es wirklich so schlimm, wenn Entscheidungen einem abgenommen würden, wenn die Unterordnung Sicherheit garantierte, wenn...? "Wenn das Licht wieder angeht, soll man sich schon wieder fragen: Hallo, wollen wir das wirklich", sagt Gehrt.

Ein Mittel der Verführung ist die Musik. Es gibt Chansons von Brel und Bécaud. Und mit diesem Mittel knüpft "Unterwerfung" an "Kein schöner Land" an - jenes Auftragsstück, das im vergangenen Jahr die Situation von Flüchtlingen, die in Deutschland ankommen, beleuchtete. Damals stieß ein Schwarzafrikaner auf einen Chor in der Provinz und bat, die Volkslieder mitsingen zu dürfen.

"Unterwerfung" ist die thematische Fortschreibung mit weitestgehend denselben Darstellern. Im Winter 2015/16 war die Ankunft von vielen Flüchtlingen das Thema. Jetzt geht es um eine Gesellschaft, die durch Migration verändert ist. Nicht nur der Gesang ist eine Parallele in der Dramatisierung. "Das Stück beginnt im Bühnenbild von ,Kein schöner Land'", erzählt Gabriele Trinczek. Ein westlich-christlich definierter Raum wird im Laufe des Abends zu einem muslimisch anmutenden Raum verändert. Andeutung und Übertreibung - wie bei Houellebecq - sollen auch hier als Stilmittel eingesetzt werden. Die Hauptfigur des Francois wird auf acht Darsteller aufgeteilt. Und das habe durchaus auch amüsante Momente.

Es spielen: Esther Keil, Anna Pircher, Helen Wendt, Joachim Hen-schke, Adrian Linke, Michael Ophelders, Ronny Tomiska, Christopher Wintgens und Bruno Winzen.

Premiere: Samstag, 10. Juni, um 19.30 Uhr, auf der Großen Bühne; Kartenreservierung: Telefon 02151 80515.

(RP)
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