Krefeld James Bond - physikalisch betrachtet

Krefeld · Was kann James Bond wirklich? Der Physik-Professor Metin Tolan antwortete vor Schülern des Berufskollegs Vera Beckers.

 Der Dortmunder Physik-Professor Metin Tolan gestern im Vera-Beckers-Berufskolleg. Er hat jeden Bond-Film mindestens fünfmal gesehen.

Der Dortmunder Physik-Professor Metin Tolan gestern im Vera-Beckers-Berufskolleg. Er hat jeden Bond-Film mindestens fünfmal gesehen.

Foto: Thomas Lammertz

Gebannt lauschten über 200 Schüler des Berufskollegs "Vera Beckers", als der Dortmunder Physik-Professor Metin Tolan gestern in der Sporthalle der Schule über die technischen Tricks in den James-Bond-Klassikern referierte. Am Ende des 70-minütigen Mix aus Filmausschnitten und deren temperamentvoll und eingängig vorgetragener Analyse dankten sie mit anhaltendem Applaus.

Es war ein Geschenk mit Folgen für Metin Tolan: In den Siebzigern schenkte ihm jemand drei Videokassetten mit den ersten drei James-Bond-Filmen. Seitdem lässt den Dortmunder Physik-Professor die Figur nicht mehr los - bekanntlich erfunden von Ian Fleming, der übrigens begeisterter Vogelkundler war und seinen Agenten nach einem damals bekannten Ornithologen benannte. Aus den mittlerweile 24 Bond-Filmen hat Tolan eine genaue Beschreibung des wagemutigen Agenten gewonnen: 183 Zentimeter groß, 76 Kilogramm schwer, blaue Augen, schwarze Haare, Fremdsprachen Französisch und Deutsch, guter Sportler und Pistolenschütze, Boxer und Karatekämpfer mit einer Schwäche für Alkohol und Frauen. Vom ersten Bond-Darsteller Sean Connery bis zu Daniel Craig, dem derzeitigen Bond-Mimen, hatte Bond 84 mal Sex mit 60 brünetten, blonden und rothaarigen "Bond-Girls" in wechselnder Kulisse, vom einfachen Hotelzimmer über einen motorisierten Eisberg bis zum Spaceshuttle. Der Geheimagent wurde 33 mal mit dem Tode bedroht und bereiste insgesamt 34 Länder. Es ist aber nicht Bonds abenteuerliches Liebesleben, das den Dortmunder Hochschullehrer fasziniert. Seit Jahren untersucht er vielmehr die atemberaubenden Stunts von 007 und die technischen Spielereien des Geheimdienst-Waffentüftlers "Q" auf ihre physikalische Plausibilität. Der Versuch, die fantastischen Handlungselemente wissenschaftlich zu ergründen, war der Beginn einer Leidenschaft, die den 49-jährigen Professor jeden einzelnen Bond-Film mindestens fünfmal sehen ließ. An der Dortmunder Technischen Universität (TU) baut er Bond-Analysen gern in seine Vorlesungen ein. Dann sind seine Studenten besonders aufmerksam. Auch die ungewöhnliche, ungewöhnlich vergnügliche Hochschulreihe "Zwischen Brötchen und Borussia" beschert ihm jedes Mal bis zu 600 Zuhörer.

"Unter welchen Bedingungen ist solch ein Sprung möglich?", befragte Tolan etwa eine haarsträubende Action-Szene aus "Golden Eye" mit Pierce Brosnan und nahm sie physikalisch auseinander. In dieser Szene verfolgt Bond auf einem Motorrad ein von einer 2651 Meter hohen Klippe startendes Kleinflugzeug, dessen Piloten er zuvor erschossen hatte. Im freien Fall fliegend, holt er das im steilen Sinkflug fallende Flugzeug ein, zieht sich in das Innere auf den Pilotensitz und bewahrt es so vor dem Absturz. Tolan führt vor, dass Bond die Geschwindigkeit des Flugzeugs auf drei Kilometer/Stunde genau hätte schätzen müssen. Außerdem hätte er in kürzester Zeit ein nicht-lineares DGL-System Erster Ordnung berechnen müssen, was auch Hochbegabte nur mit Computerhilfe schaffen. "Außerdem hätte der Geheimagent 14 mal so windschlüpfig sein müssen wie das Flugzeug - das ist eigentlich nicht möglich", fasste Tolan die Dramaturgie des Drehbuches zusammen. Selbst wenn Superheld Bond dies alles fehlerfrei erledigt und die einmotorige Pilatus Piper punktgenau erreicht hätte, würde er beim Versuch, in die Maschine einzudringen, bei einer Fluggeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern schwersten Schaden nehmen.

Was den filmbegeisterten Naturwissenschaftler fasziniert, sind Q-Erfindungen wie die Rolex-Uhr mit starkem Elektromagneten aus dem Film "Leben und Sterben lassen", mit deren Hilfe Bond die Flugrichtung einer Kugel verändern kann. Irreal ist die dabei entstehende Hitze, die den Träger der Uhr verdampfen ließe. "Verblüffend war, dass bei uns wie im Film das Magnetfeld drei Minuten brauchte, um sich aufzubauen", erklärte der Wissenschaftler.

Genau 28 mal verlangt Bond in seinen Filmen nach seinem Lieblingsdrink, hat Tolan zusammengerechnet. Auf die Frage, warum Bond diesen Wodka-Martini geschüttelt und nicht gerührt trinkt, antwortete der Professor mit einem Augenzwinkern. In dem Getränk gebe es große und kleine Moleküle. Ein "Paranuss-Effekt" genanntes Phänomen sorge dafür, dass die großen Moleküle, die für den Geschmack verantwortlich sind, nach oben sortiert werden. "Bond trinkt immer nur einen Schluck. Dieser ist aber sehr geschmacksintensiv", folgert Tolan. "007 ist letztlich ein Genießer."

(oes)
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