Krefeld Japaner schreibt Katastrophenstück für Krefeld

Krefeld · Kuro Tanino ist in seiner Heimat ein Star. Er wird mit dem hiesigen Ensemble ein Schauspiel über Fukushima erarbeiten.

 Kuro Tanino thematisiert die Katastrophe von Fukushima in seinem Stück "Käfig aus Wasser". Ab Februar wird er in Krefeld proben.

Kuro Tanino thematisiert die Katastrophe von Fukushima in seinem Stück "Käfig aus Wasser". Ab Februar wird er in Krefeld proben.

Foto: KT

Es ist ein Novum: Erstmals schreibt ein japanischer Autor ein Stück für das Gemeinschaftstheater und wird es hier auf die Bühne bringen. Auch für Kuro Tanino ist es eine Premiere, mit einem deutschen Ensemble in Deutschland seinen Text zu inszenieren, ein deutscher Bühnenbildner wird seine Ideen von einem japanischen Raum dazu entwerfen. In der Reihe "Außereuropäisches Theater" wird "Käfig aus Wasser" am 26. März uraufgeführt.

Tanino ist 1976 in Toyama, auf der japanischen Hauptinsel Honshu, geboren. Als Sohn eines renommierten Psychiater-Ehepaares, studierte er Medizin in Tokio und arbeitete als Psychiater. Parallel gründete er 2000 die Gruppe Niwa-gekidan Penino (Übersetzt: Garten-Theater Penino), die 2002 den wichtigsten japanischen Wettbewerb für junge Theater gewann und schlagartig berühmt wurde. Nicht nur in seiner Heimat räumte Tanino, der inzwischen ganz als Regisseur und Dramatiker arbeitet, renommierte Preise ab. In Europa ist er bei Festivals in der Schweiz, in Belgien, Finnland und den Wiener Festwochen aufgefallen und gastierte 2014 bei "Theater der Welt" in Mannheim.

"Die Arbeit in Krefeld wird ein Abenteuer", sagt Tanino. Mit einem deutschen Ensemble sein durch und durch japanisches Stück zu inszenieren, betrachtet er als Herausforderung. "Ein neues Werk ist immer ein Abenteuer, ich bin sehr gespannt, wie das Stück vom Publikum aufgenommen wird. Denn zwischen Deutschland und Japan gibt es viele Parallelen und Ähnlichkeiten, aber auch viele Unterschiede", sagt er.

Beide Länder sind Industrienationen, die Alterspyramide ist ähnlich, die Bevölkerung wird immer älter, es werden immer weniger Kinder geboren. "Aber Japaner zeigen ihre Emotionen ganz anders", sagt Dramaturgin Barbara Kastner, die das Japan-Projekt betreut. Und Taninos Stück dreht sich um die Bewältigung eines Ur-Gefühls: Angst. In "Käfig aus Wasser" nähert sich Tanino der Katastrophe von Fukushima mit dem Blick des Psychiaters. Das verheerende Erdbeben am 11. März 2011 und der Tsunami, die die Nuklearkatastrohe in den Reaktorblöcken ausgelöst hatten, haben die Welt erschüttert.

Weltweit gab es Proteste gegen die Atomkraft, Verschwörungstheoretiker traten auf den Plan. Tanino lässt in seinem Schauspiel einen Akademiker "die Wahrheit über Fukushima" suchen, die er weltweit übers Internet verbreiten will. Welche Wahrheit entspricht der Wirklichkeit? Die Frage erörtert Tanino: Seine Figur ist ein paranoider Mensch, der aus der Wirklichkeit in die Wissenschaft geflüchtet ist.

"Das Reaktorunglück hat alle Menschen betroffen gemacht, und doch reagieren alle anders", sagt Tanino. In seinen Aktionen ist er oft extrem freizügig, in seinen Urteilen ist er höchst besonnen: "Ich erlaube mir kein Urteil über die Mentalität der Deutschen, ich kenne bisher nur ganz wenige", erzählt er.

Seine Recherche ist die Beobachtung. Beim ersten Besuch im Rheinland hat er Eindrücke nur gesammelt. Wenn er in den nächsten Wochen zu den Proben herkommt, wird er vor allem "viel, viel reden" - und Vorstellung und Wirklichkeit von japanischer und deutscher Kultur immer neu justieren, wie im Stück.

(RP)
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