Krefeld Talk mit Jacques Tilly: "Karnevalisten sind angstfrei"

Krefeld · Der Wagenbauer des Düsseldorfer Rosenmontagszuges sprach mit Design-Professor Erik Schmid über die Macht und Möglichkeit von Satire.

 Jacques Tilly (l.) und Erik Schmid in der Fabrik Heeder. Der Wagenbauer verriet: auch ein Shitstorm macht ihm Spaß.

Jacques Tilly (l.) und Erik Schmid in der Fabrik Heeder. Der Wagenbauer verriet: auch ein Shitstorm macht ihm Spaß.

Foto: Mark Mocnik

An den politischen Botschaften seiner Wagen beim Düsseldorfer Rosenmontagszug scheiden sich die Geister zwischen jubelnder Begeisterung und Empörung. Der meinungsfreudige Großplastiker Jacques Tilly war jetzt zu Gast bei den 58. Design Discussions in der Fabrik Heeder. Er diskutierte mit Professor Erik Schmid über seine Arbeit und das Thema Satire.

Tilly hat bis 1994 Kommunikationsdesign in Essen studiert, währenddessen ist er zufällig durch einen Freund zum Wagenbau gekommen. Einer seiner ersten eigenen Wagen-Entwürfe 1994 zeigte den "nackten Kanzler Kohl". Diese Plastik erntete sofort viel Kritik und musste vor dem Rosenmontagszug noch umgebaut werden. Auch andere Wagen der 90er Jahre konnten beim Düsseldorfer Karneval gar nicht erst fahren, da sie vorher bereits heftige Diskussionen ausgelöst haben.

Seit 2000 werden deshalb alle Wagen geheim gehalten, was für Tilly Sinn macht: "Kabarettisten verteilen vor einem Auftritt auch keine Flugblätter mit ihren Scherzen, damit sich das Publikum drauf vorbereiten kann." Er nennt sich parteipolitisch und weltanschaulich neutral. Dadurch könne er alle Parteien und Religionen gleichermaßen aufs Korn nehmen und dabei trotzdem Haltung zeigen. Grundsätze hat er trotzdem: "Götter und Propheten lassen wir in Düsseldorf in Ruhe, alle "Bodenmitarbeiter" wie beispielsweise Kardinal Meisner damals, sind in Ordnung." Die Narrenfreiheit in Düsseldorf sei ein großes Geschenk. Er dürfe alles bauen: "Die Karnevalisten sind angstfrei."

Ein heikles Feld sei der Islam. Seit er ihn thematisiere, sei Tilly bei den Rechten beliebt geworden, erzählte er. Diesen "Imageschaden" habe er dieses Jahr mit seinen Wagen zum Thema Rechtspopulismus korrigiert und erhielt einen Shitstorm. Der Wagen "Blond ist das neue Braun", der neben Trump, Le Pen und Wilders einen erblondeten Hitler zeigte, habe zahlreiche Gemüter aufgeregt: "Viele Blonde haben sich beschwert, mein Wagen mache sie alle zu Nazis", erzählte Tilly. Mehr als 400 böse E-Mails, darunter Mordaufrufe, nahm er gelassen: "Ehrlich gesagt macht mir das Spaß. Diese Reaktionen zeigen, dass meine Arbeit ihre Wirkung nicht verfehlt."

Von sich selber sagt Tilly, der Wagenbauer, dass er keine Rampensau sei, sondern eher selbstkritisch und introvertiert - und beim Wagenbau "immer schon geschmacklos". Die Gesellschaft hingegen "ist freier geworden und die Deutschen humor-affiner", sagte er über die wachsenden Popularität. Mittlerweile steht Tilly am Rosenmontag auf der Ehrentribüne und muss Interviews geben. Dass er mal "lebenslänglich Karneval" bekäme, erklärte er, hätte er niemals gedacht.

(jus)
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