Krefelder OB tritt nicht mehr an Kathstedes Entscheidung - Hintergrund und Konsequenzen

Krefeld · Gregor Kathstede tritt 2015 nicht mehr zur Wahl des Oberbürgermeisters an - Hintergrund und Konsequenzen.

 Entscheidung für die Familie: Gregor Kathstede will mehr Zeit für seine Frau und seine beiden Kinder haben. Das Foto von ihm mit Ehefrau Claudia und Töchterchen Paula entstand 2009 bei der Straßenmodenschau.

Entscheidung für die Familie: Gregor Kathstede will mehr Zeit für seine Frau und seine beiden Kinder haben. Das Foto von ihm mit Ehefrau Claudia und Töchterchen Paula entstand 2009 bei der Straßenmodenschau.

Foto: Thomas Lammertz

Es ist schon Ironie der Geschichte: Gregor Kathstede wird im Oktober 2015 zu einem Zeitpunkt aus dem Amt scheiden, an dem Krefeld sichtbar boomt und er aus elfjährigem Dienst genug Erfahrungen gesammelt hat, um gut durch die dritte Amtszeit zu kommen. Nun geht er aus persönlichen Gründen - ohne Groll, wie er sagt, voller Dankbarkeit für die Erfahrungen im Amt, aber eben auch amtsmüde. Kräftezehrend - niemand darf zweifeln, dass dieses Amt wirklich Kräfte aufzehrt und eben auch eine Last ist. Insofern ist Kathstedes Entscheidung plausibel und achtbar.

Sie ist aber auch aus politischen Gründen plausibel. Der Verdacht, dass er, wie von der FDP vermutet, an Rückhalt in den eigenen Reihen verloren hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Er war am Zug - wenn er gewollt hätte, hätte er den ersten Zugriff auf die Kandidatur gehabt. Es wäre verheerend für die CDU gewesen, ihn quasi zu stürzen. Er hat es vorgezogen, nicht auszutesten, ob seine Partei aus vollem Herzen für ihn gekämpft hätte.

Vorbehalte gegen ihn hat es in den eigenen Reihen weniger wegen der Pannen in seiner Amtszeit gegeben: Pannen wie die Fehlbuchung über 800 000 Euro oder die Ab- und Anschaltung der Laternen, die die Stadt mehr als 200 000 Euro gekostet hat. Wenn es zu einer Entfremdung zwischen ihm und seiner Fraktion gekommen ist, dann aus anderen Gründen: Kathstede, der gebildete, feinsinnige, hoch ironiefähige Frankreich-Freund, ist kein Menschenfischer, er ist nicht leutselig im klassischen Sinne, kein Kumpeltyp, mit dem man eine Nacht durchzecht und dann vor der Kneipe eine Schlägerei gewinnt. Mit ihm trinkt man ein Glas Wein und parliert über die jüngste Premiere im Theater. Kathstede ist nett auf den ersten Blick, aber nicht leicht zu durchschauen, nicht leicht zugänglich, nicht leicht zu vereinnahmen.

Das merkwürdig verkorkste Verhältnis zu Wilfrid Fabel spricht Bände. Machtpolitisch hätte Kathstede sich Fabel entweder bedingungslos anvertrauen oder ihm bedingungslos den Krieg erklären müssen. Ja, er hätte Fabel abservieren müssen; erst dann wäre er unumstritten die Nummer eins in der CDU gewesen - und unmöglich war das keinesfalls. Nur: Kathstede hat beides nicht getan, hat sich beiden Alternativen entzogen. Er ließ sich weder zur Marionette von Fabel degradieren, auch wenn das seine Gegner gern kolportieren: Fabel ist fast verzweifelt an Kathstedes Alleingängen. Kathstede hat aber auch nicht den Krieg gesucht. Man darf vermuten: Nicht aus Feigheit, denn er hat sich bei der Privatisierung des Klinikums mit Fabel angelegt und gewonnen. Nein, eher ist es so, dass er diese Machtprobe aus tief sitzendem Stilempfinden gescheut hat: Das wäre eine Auseinandersetzung vom Typ Kneipenschlägerei geworden; weder der Kampf noch der Sieg hätten Kathstede Freude bereitet. Er ist eben kein robuster Strippenzieher wie Fabel, kein verbissener Kämpfer und zu wenig Machtmensch. Die stillen Vorwürfe aus dem bürgerlichen Lager gehen eher in die Richtung: Er ist nicht hart, nicht rücksichtslos genug, nicht genug willens zur Machtprobe, nicht genug strahlender Visionär, um eine von Selbstzweifeln geplagte Stadt wie Krefeld eine Richtung vorzugeben. Auch bei den sogenannten Multiplikatoren in der Stadt gab es in diesem Sinne skeptische Untertöne zu hören. Noch eine für Kathstede bitter-ironische Facette: Die Lage Krefelds ist besser als die Stimmung. Kathstede hat es nicht verstanden, die Stimmung zu drehen.

Kathstede eröffnet für seine Partei mit seinem Rückzug nun die Chance, personell komplett neu anzufangen. Er tut dies so früh, dass die CDU Zeit genug hat, einen neuen Mann (oder eine Frau) zum Kandidaten aufzubauen - und die Partei hat dabei viel mehr Zeit, als Wilfrid Fabel ihr gegeben hat, um sich ohne ihn neu zu formieren.

Das sind die mächtigsten Männer in der Krefelder Politik
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Die Karten werden nun neu gemischt. Die SPD muss sich auf einen neuen Gegner einstellen. Bemerkenswert war gestern, dass die härteste Rückmeldung auf Kathstedes Rückzug von der FDP kam, also aus dem bürgerlichen Lager, während SPD-Fraktionschef Frank Meyer zurückhaltend war und betonte, dass diese Entscheidung schwer für Kathstede gewesen sein muss. Noch ein ironischer Zug: Ausgerechnet aus der SPD, die Kathstede über Jahre hart angegriffen hat, kommt eine feine Bemerkung des Mitgefühls.

Ob die Bürgerlichen im kommenden Jahr ohne Kathstede besser dastehen, wird sich zeigen. Sicher ist: Kathstede wird ohne die Last dieses Amtes dastehen. Und er wird in dem Gefühl zurückblicken können, dass seine Bilanz - allen Kathstede-Verächtern zum Trotz - so schlecht nicht ist.

Wie wird Krefeld am 20. Oktober 2015, wenn Gregor Kathstede seinen Hut nimmt, aussehen?

Das Hortenhaus wird wiederbelebt sein. Aller Voraussicht nach wird es neue Pläne für das alte Sparkassengebäude an der Friedrichstraße geben. Niemand zweifelt daran, dass P&C bis dahin seine Entscheidung zum Bau einer Filiale bekanntgeben hat. Der Ostwallumbau wird so weit fortgeschritten sein, dass auch die Krefelder, die die alte, grottenhässliche Haltestellen-Tristesse wie ein Naturgesetz hinzunehmen gelernt hatten, ahnen, wie gut es ist, dass dort Neues entsteht. Krefeld wird zwar weiter im Würgegriff des Nothaushaltes sein - aber niemand wird glauben, dass ein neuer OB mal eben die Lösung aus dem Hut zaubert. In Wahrheit steht Krefeld eine Durststrecke bevor, egal wer an der Spitze im Rathaus sitzt.

Kathstede hat die Privatisierung des maroden städtischen Klinikums durchgesetzt; und er hat die Sanierung der Dionysiusspitze wesentlich mit hinbekommen - all die Kritik an vermeintlichen Tricks um die Sparkassen-Stiftung interessiert niemanden mehr. Die Spitze steht, das zählt die nächsten 100 Jahre, und der Wiederaufbau wird mit seinem Namen verbunden sein. Für ihn, den Kulturmenschen, vielleicht der schönste Erfolg.

(RP)
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