Sonderausgabe Krefeld! Kindheit in Krefeld: Kartoffel-"Finden" auf dem Westwall

Krefeld · In Erweiterung des Heimatkunde-Unterrichts hatten wir vor gut 50 Jahren im dritten Schuljahr einmal die Hausaufgabe bekommen, herauszufinden, wie lange man mit dem Fahrrad braucht, um Krefeld auf den Straßen der ehemals ersten Stadtmauer zu umrunden.

Es dauerte zwischen nur wenige Minuten, wie die Rundfahrt über die damals noch bis zum Dionysiusplatz durchgehende Wiedenhofstraße, Poststraße und Tückingsgasse, Mennoniten-Kirch- und Marktstraße ergab. Dieser sehr überschaubare Bereich der ersten mittelalterlichen Stadt - im Westen noch bis zur Hubertusstraße, dem Standort meiner Volksschule, erweitert - war die Heimat, wie wir sie Tag für Tag erlebten. "Wir" steht auch für die Klassenkameraden und Freunde, und "erleben" bedeutet das nachmittägliche Spielen und Herumlungern, vorzugsweise auf dem Platz an der Alten Kirche und in den - natürlich verbotenen - Trümmergrundstücken, die jeden heutigen Abenteuerspielplatz in den Schatten stellten. Eines der spannendsten Trümmergrundstücke war das an der südlichen Seite Poststraße neben dem damaligen Kloster, heute nördliches Ende des Schwanenmarkt-Center-Komplexes. Man brauchte nur über den recht hohen Bretterzaun zu klettern, und schon konnte man über die Eisenträger balancieren, die den Blick auf den Keller freigaben, in den man auf dem Lederhosenboden über einen rückwärtig gelegenen "Abgang" rutschen konnte. Da unten wurden dann Feuerchen entzündet, in denen die auf dem Westwallmarkt "gefundenen" Kartoffeln gegart wurden. Gleich gegenüber stand noch die Ruine eines alten Treppenhauses. Auf dessen Spitze wurden dann "Zigaretten" geraucht, die wir aus den Tabakkrümeln aufgesammelter Stummel und leeren Pfefferminzrollen-Verpackungen fabrizierten.

Spannend war auch das Erklimmen von Dächern der damals vielfach nur aus dem Erdgeschoss bestehenden Geschäftsgebäude. Besonders gut ging das bei "Sinn" und gegenüber hinter dem Schwanenbrunnen über einem Antiquitätenladen. In beiden Fällen musste man sich von hinten an dünnen Eisenstangen hochziehen, die aus den Mauern herausragten. Im Falle des heute noch bestehenden Trümmergrundstücks neben "Et Bröckske" musste man allerdings noch über die gut drei Meter hohe Mauer an der Nachbargasse balancieren. Noch höher hinauf zog es uns über die Gerüste auf den im Bau befindlichen neuen Turm der Alten Kirche, dem Zentrum der Innenstadt, unserer Heimat. lez

(RP)
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