Krefeld Adnan - Rekonstruktion einer Abschiebung

Krefeld · Warum wurde Adnan abgeschoben? Die Stadtverwaltung und die Ausländerrechtliche Beratungskommission nehmen Stellung.

 Angelika Kleinschmidt und Hans Butzen von der ABK.

Angelika Kleinschmidt und Hans Butzen von der ABK.

Foto: T. L.

Der Fall Adnan bewegt die Krefelder weiterhin stark - gestern protestierten 150 Bürger vor der Ausländerbehörde am Hauptbahnhof. Weiterhin stellen sich viele Fragen: Wie kam Adnan ins Visier der Ausländerbehörde? Wer forschte aktiv weiter? Und hätte die Stadtverwaltung sich an einem gewissen Punkt entscheiden können, Adnan stillschweigend zu dulden? Er hat sich aus Sicht der Behörde nur eines Vergehens schuldig gemacht: Er soll unter falscher Identität als 15-Jähriger nach Krefeld gekommen sein, sich als Libanese namens "Harb" ausgegeben haben, obwohl er, so die Stadt, eigentlich ein Türke namens "Cetin" sei. Musste danach zwingend die Auslieferung erfolgen? Der Fall polarisiert.

Krefeld: 200 Menschen demonstrieren gegen Abschiebung von Adnan C.
15 Bilder

200 Menschen demonstrieren gegen Abschiebung von Adnan C.

15 Bilder

Wir baten die Ausländerrechtliche Beratungskommission (ABK) und die Ausländerbehörde um eine Rekonstruktion des Falls Adnan. Für die ABK nimmt Angelika Kleinschmidt Stellung. Die städtische Ausländerbehörde antwortete auf die Fragen unserer Zeitung über das Presseamt. Nur in einem besteht bei beiden Parteien Einigkeit: 1985 kam Adnan nach Deutschland, gab an, libanesischer Kriegsflüchtling zu sein.

Was danach geschah, ist von entscheidender Bedeutung für die Bewertung des Falles: 1988 heiratete Adnan seine Ehefrau Nawal in Oppum, - auf den Namen Harb, und damit den gleichen Namen wie ihre drei später geborenen und standesamtlich gemeldeten Kinder. Adnan durfte vorerst bleiben. Dazu sagt die Stadtverwaltung: "Unter der Annahme, dass es sich bei Herrn Cetin um einen staatenlosen Kurden aus dem Libanon handelte, partizipierte er ab 1992 an einem Bleiberechtserlass, der die Erteilung und Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ausschließlich für staatenlose Kurden aus dem Libanon vorsah." Alles wendete sich im Jahr 2006: Da, so Angelika Kleinschmidt (ABK), seien in Deutschland nach bundesweiten Ermittlungen erstmals türkische Registerauszüge über kurdische Flüchtlinge aufgetaucht. Darin enthalten sei eine Geburtsurkunde auf den Namen Adnan Cetin mit seinem angeblichen Fingerabdruck gewesen. Nachdem die Liste vorlag, forschten Landeskriminalämter, Ausländerbehörden und Zentrale Ausländerbehörden gemeinsam. Die Stadt betont: "Nach Offenbarung der tatsächlichen türkischen Identität wurde die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt, da Herr Cetin nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des Bleiberechtserlasses fiel - der Bleibeerlass fand nur Anwendung auf staatenlose Kurden aus dem Libanon." Angelika Kleinschmidt wiederum sagt: "Der nur in einer unbeglaubigten Kopie vorliegende Registerauszug zu Herrn Harb ist fehlerhaft. Es sind neben ihm selbst die Eltern eingetragen sowie sieben seiner Geschwister. Für den Vater gibt es einen Ausbürgerungsvermerk. Von acht Kindern sind sechs mit dem Geburtsdatum 16. 11. eingetragen. Das Datum der Registrierung ist für sieben der zehn Personen gleich, nämlich der 21. 11. 1984. Für Frau Harb gibt es keinen türkischen Registerauszug, wohl aber für ihre Mutter. Diese wurde aus der Türkei wegen des nicht abgeleisteten Wehrdienstes ausgebürgert - in den Registern wurde sie als Mann geführt." Als der Anwalt Harbs Einwand wegen all dieser Unstimmigkeiten erhob, reagierte die Stadt laut Kleinschmidt nicht. Sie vergisst aber auch nicht eine Besonderheit an den Dokumenten zu erwähnen: "Die von Adnan genannten Namen seiner Geschwister stimmen weitestgehend mit den Namen im Auszug überein."

Der Fall nimmt seinen Lauf, immer wieder wird er geduldet, immer wieder Verlängerungen. Vor wenigen Wochen dann die Ankündigung der Stadt, die Abschiebung werde erfolgen. Adnan flieht ins Kirchenasyl, beim Gang zum Ausländeramt wird er festgenommen.

Die Stadt sieht auch nach dem Streit um die Abschiebung keinen Grund für eine Neubewertung des Falles: "Durch obergerichtliche Rechtsprechung wird laufend bestätigt, dass die Personenstandsregister der Türkei aussage- und beweiskräftig sind. Die Verlässlichkeit der türkischen Personenstandsregister wurde im Fall des Herrn Cetin explizit durch das Verwaltungsgericht Düsseldorf geprüft, die Prüfung wiederum durch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalens bestätigt. Der Umstand, dass mehrere Geschwister mit dem gleichen Tag der Geburt eingetragen wurden, liegt darin begründet, dass die Kinder oftmals erst Jahre nach ihrer Geburt und zu mehreren nachregistriert wurden und die Eltern den Tag der Geburt oftmals nicht benennen konnten. In diesen Fällen wurde regelmäßig der Hochzeitstag der Eltern oder das aktuelle Datum eingetragen." Das Gericht sei der Meinung, so die Verwaltung, dass diese Unstimmigkeit bei den Geburtstagen nicht geeignet sei, die Aussagekraft des Registers insgesamt in Frage zu stellen. "Zudem wurde durch Ermittlungen eines Vertrauensanwaltes bestätigt, dass die Familie des Herrn Cetin dort ansässig war/ist." Angelika Kleinschmidt wiederum verweist auf die Entscheidung eines Amtsgerichts, dass Adnan sich weiter Harb nennen durfte. Es gebe auch Gerichte, die anders urteilten.

Dass die Stadt aktiv weiterforschte, sei notwendig gewesen, behauptet die Verwaltung - "Stillhalten" durch Nichtstun wäre strafbar gewesen: "Die wissentliche und somit vorsätzliche Hinnahme eines rechtswidrigen Zustands stellt grundsätzlich eine schwerwiegende Amtspflichtverletzung dar. Sie ist mit dem gesetzlichen Auftrag der Ausländerbehörden nicht zu vereinbaren und würde eine Abkehr vom Rechtsstaatsprinzip nach sich ziehen."

Kleinschmidt hatte bis zuletzt noch Hoffnung, dass die Abschiebung verhindert werden könnte: "Normalerweise ist die Ausländerbehörde Herrin des Verfahrens, und ich persönlich hatte bis zur Erklärung des Oberbürgermeisters noch Hoffnung. Hier mögen auch Fragen von Kosten, Gesichtswahrung und Absprachen mit den türkischen Behörden eine Rolle gespielt haben." Auch Kleinschmidt betont aber, dass Oberbürgermeister Gregor Kathstede durch sein Schreiben an NRW-Minister Ralf Jäger "ein wirkliches Interesse an einer humanitären Lösung" habe erkennen lassen. Sie interpretiert jedoch die Signale von Jäger so, dass Kathstede Handlungsspielraum hatte: "Der Innenminister konnte die Ausstellung von Reisedokumenten nicht befürworten, er hat aber auch nicht signalisiert, dass man sich in Krefeld strafbar machen würde bei einer Verlängerung der Duldung, etwa um die libanesische Staatszugehörigkeit zu klären."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort