Arbeitsmarkt Krefelder Arbeitslosigkeit doppelt so hoch wie im Bundesschnitt

Krefeld · Es ist paradox: Der Krefelder Arbeitsmarkt hat zehn Prozent mehr Stellen als im vergangenen Jahr, aber die Arbeitslosigkeit liegt konstant hoch - fast doppelt so hoch wie im Bundesschnitt.

Eigentlich ist die Kette der für Krefeld guten Wirtschaftsnachrichten lang: Neuansiedlungen, Exporterfolge, Investitionen, viele hochqualifizierte, sichere Arbeitsplätze. Doch die Arbeitslosigkeit in Krefeld liegt seit vielen Jahren konstant und überdurchschnittlich hoch bei zehn, elf Prozent - zuletzt bei 10,5 Prozent, während sie in NRW bei 7,5 und im Bund sogar nur bei 5,6 Prozent liegt. "Wie haben zurzeit zehn Prozent mehr Stellen als vor einem Jahr, doch die Kunden, die wir haben, passen nicht zu den Stellen, die entstehen", erläutert der Krefelder Arbeitsagenturchef Dirk Strangfeld auf Anfrage. Wer sind die Krefelder Arbeitslosen?

Krefeld hat erschreckend viele Langzeitarbeitslose und bildet die Strukturprobleme, die das ganze Land NRW hat, noch einmal etwas stärker ab. In Krefeld beziehen 73 Prozent der Arbeitslosen die Grundsicherung, also Arbeitslosengeld II (Hartz IV genannt) - diese Arbeitslosen sind also länger als ein Jahr arbeitslos. In NRW sind das 71,4 Prozent, im Bund nur 67 Prozent. Knapp die Hälfte sind Langzeitarbeitslose. Knapp ein Drittel ist älter als 50 und 28,5 Prozent sind Ausländer.

Unterm Strich sind viele der Arbeitslosen in Krefeld geringqualifiziert und weisen dazu noch weitere "Vermittlungshemmnisse" (Strangfeld) auf - und dazu zählt auch das Alter. Diese Klientel hat offenbar auf dem regulären Arbeitsmarkt so gut wie keine Chance mehr. Seine Dynamik geht an ihnen vorbei, und der Krefelder Arbeitsmarkt weist eine hohe Dynamik auf: "Im Juli haben 2000 Menschen ihren Job verloren, aber 2000 haben auch wieder eine Stelle erhalten", berichtet Strangfeld. Es gibt also auch die Gruppe derer, die nur kurz arbeitslos sind und rasch wieder eine Stelle finden.

Der Kern des Problems bei der hohen Sockelarbeitslosigkeit in Krefeld heißt - es ist fast eine Binsenweisheit - Ausbildung. "Bei 100 Arbeitslosen haben 4,5 Prozent eine Ausbildung, aber 25,9 Prozent keine Ausbildung. Das heißt: Das Risiko der Arbeitslosigkeit ohne Ausbildung liegt fünfmal so hoch wie mit Ausbildung", rechnet Strangfeld vor. So verlangen dann auch zwei Drittel der angebotenen Stellen in Krefeld Facharbeiterniveau.

Bisher haben Staat und Politik keine Strategie gefunden, Langzeitarbeitslose in Lohn und Brot zu bringen. Im Gegenteil: Die Chancen von Langzeitarbeitslosen werden eher schlechter. Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" hat es 2010 im Bundesschnitt noch jeder vierte Langzeitarbeitslose geschafft, wieder einen regulären Job zu finden, 2016 schaffte dies nur jeder sechste. Parallel dazu ist die Zahl der Erwerbstätigen auf einen Rekord seit der Wiedervereinigung gestiegen: Demnach stieg die Zahl der Beschäftigten von 2010 bis 2016 um 2,5 Millionen auf mehr als 44 Millionen Menschen. Es ist das gleiche Bild wie in Krefeld: Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Deutschland brummen, doch der Boom geht an Langzeitarbeitslosen vorbei.

Krefelds Arbeitsagenturchef Strangfeld spricht dann auch von einer "strukturellen Herausforderung"; die Bundesagentur versucht - in Krefeld wie überall - den Betroffenen durch Qualifizierung zu helfen. Mit bislang mäßigem Erfolg: Nach einem Bericht der Bundesagentur von April 2017 liegt der Anteil derer, die nach einer Qualifizierung einen Job finden, deutschlandweit bei insgesamt 44,3 Prozent, bei Langzeitarbeitslosen aber nur bei 24,8 Prozent.

So ist es kein Wunder, dass der neue Deutschland-Chef der Bundesagentur, Detlef Scheele, der seit April im Amt ist, sein Augenmerk auf Langzeitarbeitslose gerichtet und angekündigt hat, neue Instrumente zur Hilfe für diese Klientel zu entwickeln.

Hat er Erfolg, würde dies für Krefelds Arbeitsmarkt einen Quantensprung bedeuten.

(RP)
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