Belohnungen für Hinweise an die Polizei "Gier ist ein starker Handlungsimpuls"

Krefeld · 3000 Euro gibt es für den Hinweis, der im Fall eines getöteten Rentners aus Krefeld zum Täter führt. Doch wer entscheidet, dass eine Belohnung ausgesetzt wird? Wer bestimmt die Höhe? Und melden sich tatsächlich mehr Zeugen, wenn Geld in Aussicht steht?

Der Krefelder Oberstaatsanwalt Axel Stahl.

Der Krefelder Oberstaatsanwalt Axel Stahl.

Foto: Henning Kaiser

Beinahe täglich bitten Ermittlungsbehörden um Hinweise aus der Bevölkerung und suchen Zeugen. Mal wurde ein geparktes Auto beschädigt, mal in eine Gaststätte eingebrochen. Ein anderes Mal geht es um ein Tötungsdelikt. Wie im Fall des 79-Jährigen Werner Landscheidts, dem jemand in seiner Krefelder Wohnung Mund und Nase mit Paketband zugeklebt hat, so dass er erstickte.

Zeugenhinweise sind für die Polizei in allen Fällen wichtig, doch längst nicht immer wird eine Belohnung ausgesetzt. "Mit einer Belohnung ist der Anreiz für die Leute größer, sich zu melden", sagt Oberstaatsanwalt Axel Stahl von der Staatsanwaltschaft Krefeld, die die Ermittlungen im Fall Landscheidt leitet. Hier gibt es Antworten auf die wichtigsten Fragen.

In welchen Fällen wird eine Belohnung für Hinweise ausgesetzt?

"Eine Belohnung wird immer dann ausgesetzt, wenn Hinweise aus der Öffentlichkeit eine große Bedeutung für die Ermittlungen haben", sagt Stahl. Bei einem Fall wie dem Tod von Werner Landscheidt handele es sich um eine schwerwiegende Tat, bei der die Aufklärung von großem Interesse sei.

Was erhoffen sich die Ermittler?

Eine Belohnung soll einen starken Anreiz schaffen, sich an die Polizei zu wenden. Zwar gibt es laut Stahl auch Zeugen, die etwas gesehen haben und sich ohne zusätzlichen Anreiz melden. "Manch einer braucht aber ein bisschen Unterstützung bei der Entscheidung, etwas zu sagen", sagt der Oberstaatsanwalt. Dies gelte umso mehr, je näher eine Person dem Täter stehe. Gerade bei denjenigen, die viel wissen, gebe es eine Hemmschwelle, damit zur Polizei zu gehen. "Die menschliche Gier ist ein starker Handlungsimpuls", sagt Stahl.

Wer entscheidet, dass eine Belohnung ausgesetzt wird?

Die Entscheidung, eine Belohnung auszusetzen, trifft die sachleitungsbefugte Staatsanwaltschaft, also die Staatsanwaltschaft, die die Ermittlungen leitet. Das ist im Fall Landscheidt die Staatsanwaltschaft Krefeld. "Wir arbeiten aber auch in dieser Frage gut mit der Polizei zusammen", sagt Stahl.

Wonach richtet sich die Höhe? Wer entscheidet über die Höhe?

Die Höhe richtet sich laut Stahl nicht zuletzt nach den Mitteln, die der Justiz für die Belohnung zur Verfügung stehen. Gleichzeitig sollte die Belohnung einen ausreichenden Anreiz bieten, sich mit Beobachtungen an die Ermittler zu wenden. "Bei Belohnungen in Höhen von bis zu 5000 Euro kann die örtliche Staatsanwaltschaft selbst entscheiden, bei höheren Beträgen muss die höhere Dienststelle der Landesjustizverwaltung einbezogen werden", sagt Stahl.

Welche Beträge sind für Belohnungen denkbar?

Die 3000 Euro im Fall Landscheidt sind laut Stahl ein "höherer mittlerer Betrag". Denkbar seien aber auch andere Beträge, das Maximum seien in der Regel 10.000 Euro. Der Krefelder Oberstaatsanwalt weist darauf hin, dass man unterscheiden müsse zwischen von staatlicher Stelle ausgesetzten Belohnung und Beträgen, die Privatleute aussetzen.

Steigt die Zahl der Hinweise tatsächlich an, wenn eine Belohnung ausgesetzt wird?

"Aus meiner persönlichen dienstlichen Erfahrung kann ich sagen, dass das Aussetzen einer Belohnung im Einzelfall schon zum Erfolg geführt hat", sagt Stahl. Oft gingen tatsächlich mehr Hinweise ein, wenn es eine Belohnung gibt. In einer Vielzahl der Fälle bleibe der Erfolg jedoch aus: "In der Mehrzahl wird der Betrag nie ausgezahlt".

Wann bekommt der Hinweisgeber das Geld?

Die Belohnung bekommt nur derjenige, der einen "zielführenden" Hinweis gegeben hat, sagt Stahl. Wer die Ermittler auf eine heiße Spur, aber nicht abschließend zum Täter führt, gehe leer aus. Das Geld werde erst ausgezahlt, wenn ein juristisches Urteil vorliegt. "Bis ein Verdächtiger von einem Gericht verurteilt ist, gilt die Unschuldsvermutung", sagt Stahl. So, wie sich vor Gericht herausstellen könne, dass der Angeklagte die Tat nicht begangen hat, könne sich auch der entscheidende Hinweis auf ihn noch als falsch herausstellen.

Was passiert, wenn mehrere Personen den entscheidenden Hinweis geben?

Wenn mehrere Personen den entscheidenen Hinweis geben, wird die ausgesetzte Belohnung dem Oberstaatsanwalt zufolge unter ihnen aufgeteilt. "Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, ein Hinweisgeber kann keinen Anspruch auf die Belohnung geltend machen", sagt Stahl. Welcher Hinweis am Ende der zielführende war, liege im Ermessen von Staatsanwaltschaft und Polizei. "Uns ist sehr wichtig, dabei fair vorzugehen", sagt Stahl. "Wäre das anders, würden wir ja unsere eigene Arbeit behindern, weil die Leute uns dann womöglich keine Hinweise mehr geben würden."

Wird die Belohnung auch Jahre nach der Tat noch ausgezahlt?

"Solange die Auslobung nicht offiziell zurückgenommen wurde, bleibt sie bestehen", sagt Stahl. Allerdings verjähre eine Belohnung mit der Tat, in deren Zusammenhang sie ausgesetzt wurde. Jemand, der der Polizei zum Beispiel zwei Jahre nach einem Verbrechen den entscheidenden Hinweis auf den Täter gibt, kann sich also auch dann noch über die Belohnung freuen - sofern die Tat nicht bereits verjährt ist.

Macht sich der Hinweisgeber strafbar, wenn sich sein Hinweis als falsch herausstellt?

Ein falscher Hinweis ist laut Stahl dann strafbar, wenn er wissentlich falsch gegeben wird. Das Strafgesetzbuch spricht von "falscher Verdächtigung". "Wenn ich angebe, dass jemand etwas getan hat, obwohl ich weiß, dass er es nicht getan hat, mache ich mich strafbar", erklärt Stahl. Sein Tipp: Zeugen sollten allein Tatsachen beschreiben, also zum Beispiel, was sie gesehen haben, und dabei keine Wertung vornehmen.

(lsa)
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